VG Wort: Wo wollen die Freischreiber hin?

Den Wortführern des Journalistenvereins „Freischreiber“ ging bei der außerplanmäßigen Mitgliederversammlung der VG Wort am 10. September alles etwas zu schnell. Sie sahen sich überfordert, über eine frisch überarbeitete Beschlussvorlage abzustimmen. Da sie reichlich Follower und Vollmachten mitgebracht hatten, konnten sie ein Veto einlegen. Dann nahmen sie sich Zeit. Im ihrem Newsletter vom 11.11. – also immerhin zwei Monate später – verkündeten die Freischreiber, sie dächten über einen besseren Vorschlag nach, der Meinungsbildungsprozess sei allerdings noch nicht abgeschlossen:

„Was genau unsere Vorstellungen im Detail sind und wie man diese in einen entsprechenden Antrag gießen könnte, daran tüfteln wir gerade – und werden sie rechtzeitig bekannt geben (und nicht erst beim Betreten des Saals).“

Seither sind weitere zehn Tage vergangen, bis zum Betreten des Saals sind es noch fünf Tage, doch bekannt gegeben ist noch nichts. Dabei läuft längst der Countdown für jene Kolleginnen und Kollegen, die zwar stimmberechtigte Mitglieder der VG Wort sind, aber am Samstag keine Zeit haben und jetzt langsam mal wissen müssen, woran sie sind, wem sie also ihre Vollmacht anvertrauen können.

Sie müssen deshalb mit der aktuellsten Positionierung vorlieb nehmen, die auf der Website des Vereins zu finden ist. Am 13. Oktober ließ der Vorsitzende Benno Stieber folgendes mitteilen:

„…halten wir das vorgesehene anonymisierte Abtretungsverfahren, bei dem Urheber freiwillig auf eine Rückzahlung verzichten können für verzichtbar und untauglich. „Wir sind der Auffassung, dass es nicht Aufgabe der VG Wort als Treuhänderin ist, freiwillige Abtretungen der Urheber an die Verlage zu organisieren“, sagt Stieber.“

Das liest sich wie die Drohung, erneut ein Veto gegen einen Verteilungsplan einzulegen, der eine Abtretungsregelung enthält. Nun geht es der VG Wort aber gar nicht darum, dass Autoren ihre Ansprüche abtreten sollen. Das Urteil des BGH, aufgrund dessen die Verteilung neu geregelt werden muss, erlaubt jedem Verlag, im Nachhinein an seine Autoren mit der Aufforderung heranzutreten, ihm von seinen VG Wort-Tantiemen etwas abzugeben – wobei „etwas“ auch „alles“ heißen kann.

Was die VG Wort vorschlägt, ist ein Schutzmechanismus gegen übergriffiges Geschäftsgebaren von Medienunternehmen: Der Verlag verzichtet darauf, den Autor direkt anzusprechen. Der Autor entscheidet selbst, ob er die Tantiemen zu 100 Prozent behalten will oder ob er dem Verlag wie bisher einen Anteil gönnt, der aber maximal die alte Höhe haben darf. Kein Auftraggeber kann also den Spieß umdrehen und das Vogel-Urteil missbrauchen, um den Urheber schlechter zu stellen. Die VG Wort verrät dem Verlag auch nicht, welche Autoren ihm wohlgesonnen sind und welche nicht.

Dass das keine explizite „Aufgabe“ der VG Wort sein kann, ist banal. Die Situation, auf die die Verwertungsgesellschaft damit reagiert, war ja nicht absehbar, als ihre Aufgaben festgelegt wurden.

Die Regelung ist jedoch eine konsequente Anwendung ihrer Treuhänderrolle: Wenn die Mitglieder dem Antrag des Vorstands zustimmen, managt die VG Wort treuhänderisch die anonyme Abwicklung der Abtretungen, wobei die Verwaltungskosten allein die Verlage zu tragen haben. Wichtig ist die unbürokratische Regelung insbesondere für die „Indies“, die unabhängigen kleinen Buchverlage, sowie für den Onlinebereich. Hier gibt es tatsächlich viele Autoren, die nicht den Ast absägen wollen, auf dem sie sitzen, und deshalb die Einnahmen wie gehabt teilen möchten. Aus freien Stücken. Sie wollen sich nicht bevormunden lassen von einem kleinen Journalistenverband, dessen Mitgliedern durch diese Option kein Nachteil entsteht.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal Benno Stieber zitieren, der hier hoffentlich mehr als nur ein Lippenbekenntnis abgelegt hat:

„Anders als vielfach unterstellt, ist Freischreiber e.V. selbstverständlich an dem Erhalt der VG Wort gelegen. Diese international beachtete Konstruktion wird für die Urheberinnen und Urheber auch in Zukunft ein wichtiger Garant dafür sein, dass Urheberrechte einen Wert haben, der sich sie in Einnahmen ausdrückt.“

International beachtet ist die erhaltenswerte Konstruktion namens VG Wort gerade deshalb, weil sie die Interessen von Urhebern und Verlagen gegenüber der Geräteindustrie und den Bibliotheken gemeinschaftlich wahrnimmt. Über eine Verlagerung der Gewichte zugunsten der Urheber darf und sollte man reden, denn das Bauchgefühl der meisten Autoren dürfte dahin tendieren, eine Fifty-fifty-Machtbalance sei nicht fair. (Das der VG Wort oft unterstellte Übergewicht der Verleger gehört ins postmoderne Reich des Postfaktischen.) Reduziert man die Rolle der Verlage aber auf Null, wie der eine oder andere Freischreiber es sich wünscht, entzieht man der international beachteten Konstruktion das Fundament.

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3 Antworten auf „VG Wort: Wo wollen die Freischreiber hin?“

  1. Die Freischreiber sind zu Potte gekommen. Auf der Website finde ich zwar immer noch nix, in meinem digitalen Postfach entdeckte ich aber heute einen „Antrag für die Mitgliederversammlung der VG Wort am 26.11.2016 in München“, der am 14.11. als PDF gespeichert wurde und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Kreis der Mitglieder dieses Vereins kommt. Leider enthält der Antrag nicht den Namen des oder der Urheber, so dass ich für die Authentizität nicht garantieren kann.. Der Antrag liegt mir inzwischen (23.11.) in offizieller Form vor, und er steht nun auch auf der Website.

    Hier ist der Text:
    „Die Mitgliederversammlung möge folgende geänderte Fassung von ZIff. II. § 2 Abs. 3 des Korrekturverteilungsplans (Neuverteilung an Urheber) beschließen:
    (3)
    a) Die Neuverteilung soll schnellstmöglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2017 erfolgen. Soweit danach noch Nachausschüttungsansprüche von Urhebern bestehen, werden diese ab dem 1. Januar 2018 entsprechend § 288 Abs. 1 BGB verzinst (aktuell jährlich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz).
    Eine Stundung von Rückzahlungsansprüchen der Verlage über den 1. Januar 2018 hinaus darf durch die VG Wort nur unter der Bedingung gewährt werden, dass diese ab dem 1. Januar 2018 ebenfalls gemäß § 288 Abs. 1 BGB verzinst wird.
    b) Soweit Verlagen in der Zukunft kraft Gesetzes ein eigenes Ausschüttungsrecht zusteht, werden etwaige in Bezug auf einen ausschüttungsberechtigten Verlag noch ausstehende Rückzahlungsansprüche der VG Wort gegen den Verlag (einschließlich gemäß lit. a) angefallener Zinsen) mit den Ausschüttungsansprüchen des Verlags aufrechnet. Eine Ausschüttung an den Verlag erfolgt erst dann, wenn alle Rückzahlungsansprüche der VG Wort gegen den Verlag (einschließlich gemäß lit. a angefallener Zinsen) befriedigt sind.“

    „Begründung:
    Das von der VG WORT vorgeschlagene Verrechnungsmodell führt zu einer Ungleichbehandlung jener Autoren, die bereit sind, ihre Ansprüche an Verlage abzutreten, und jener, die dies nicht wollen. Denn Verlage, die Nachzahlungsansprüche von Autoren „geschenkt“ bekommen, dürfen deren Wert zu 100% vereinnahmen – während diejenigen Autoren, die ihr Geld wiederhaben wollen, nur so viel zurückbekommen sollen, wie noch eintreibbar ist. Das Risiko von Zahlungsausfällen lastet einseitig auf den Schultern jener Autoren, die nicht auf ihr Geld verzichten wollen. Dieser Ansatz verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
    Um eine solche Ungleichbehandlung zu vermeiden, bedarf es einer transparenten und nachvollziehbaren Regelung zum Umgang mit Zahlungsausfällen und -verzögerungen, und ebenso dazu, welche Rechtsfolgen an ein Überschreiten der für die Rückabwicklung festgelegten Fristen geknüpft werden. Denn die bisherige Vorlage enthält keine Bestimmung für den Fall, dass die Neuverteilung nicht bis zum 31. Dezember 2017 abgeschlossen werden kann und/oder Forderungen der Urheber danach offen bleiben.
    zu a):
    Die bisherige Regelung sieht nicht vor, die Urheber für den Fall zu entschädigen, dass die Neuverteilung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist durchgeführt wird. Für einen solchen Entschädigungsfall müsste ebenfalls ein Zeitpunkt genannt sein. Im Gegensatz dazu werden den Verlagen von Anfang an beträchtliche Zinsvorteile zulasten des Treuhandvermögens eingeräumt.
    Bereits durch die bloße Teilnahme am Verrechnungsmodell ergeben sich für sämtliche Verlage Zinsvorteile, die sich ggf. bis zu einem vollen zusätzlichen Jahr summieren können: Wegen der dann über den 30. November 2016 hinaus verlängerten Fristen entfiele bis auf Weiteres die unmittelbare Zahlungspflicht, denn ein Ende dieser verlängerten Frist ist in der Beschlussvorlage nicht bestimmt.
    Dieses Fristende hängt allein von der Dauer der Prüfung bei der VG Wort ab. Für diese Dauer würden keinerlei Verzugsfolgen eintreten. Dies kommt im Ergebnis einem zinsfreien Zahlungsaufschub gleich.
    Zinsvorteile ergeben sich vor allem auch für Verlage, die Stundungen und Ratenzahlungen beantragen. Laut Verwaltungsratsbeschluss vom 10. Oktober ist für Stundungen/Ratenzahlungen keine Verzinsung vorgesehen, nicht einmal für die Dauer des Prüfverfahrens, ja sogar dann nicht, wenn dieses wegen fehlender Voraussetzungen nicht zum Zahlungsaufschub führt.
    Bereits einfache Stundungsanträge können folglich bis auf Weiteres einen zinslosen Zahlungsaufschub herbeiführen. In einem Infopapier des Börsenvereins vom 18.10.2016[1] wird den Verlagen dementsprechend empfohlen, einen möglichen Zahlungsaufschub anzustreben: „Verhandlungen mit der Hausbank über die Aufnahme eines Darlehens werden entbehrlich. Gegenüber der Aufnahme eines Darlehens ergibt sich zudem ein Zinsvorteil.“
    Diese kumulierte Vorteilsgewährung zugunsten zahlungspflichtiger Dritter beeinträchtigt unmittelbar die Vermögensinteressen der Urheber. Um so mehr gebietet es die treuhänderische Schadensminderungspflicht, wenigstens ab einer Überschreitung der per Beschluss festgelegten Rückabwicklungsfrist den gesetzlichen Zinssatz zu erheben.
    zu b):
    Hiermit soll sichergestellt werden, dass die offenen Nachzahlungsansprüche der Urheber weder verfallen noch abgeschrieben werden, sondern aus etwaigen den Verlagen zukünftig zustehenden Ausschüttungen befriedigt werden. Verlage sollten auch, wenn sie in Zukunft wieder an gesetzlichen Vergütungen partizipieren können, zunächst verpflichtet sein, ihre offenen Schulden zu bezahlen.“

    Man darf davon ausgehen, dass dieser Antrag als so genannter „weitergehender“ zur Abstimmung gestellt werden soll, so dass der entsprechende Absatz im Antrag des Vorstands bei Annahme dieser Fassung erledigt wäre.

    Hoffen wir mal, dass das alles ist. Die Tagesordnung ist lang genug, um sich nicht auch noch in verbale Raufereien zu verstricken, wie wir sie im September mitgemacht haben.

  2. Sehr geehrter Herr Froitzheim,

    gibt es bezüglich der METIS-Auschüttungen an Presseverlage Informationen, die zur Meinungsbildung nützlich oder gar notwendig sind?

    Erste Portale aus dem Umfeld der SPD Presseverlage (DDVG) enthalten bereits die Zählpixel. Ist es durch eine Zentralredaktion (sic!) möglich, alle diese Portale mit weitgehend identischen Inhalten zu versorgen – dann aber über unterschiedliche Verlagsadressen und URL’s an den METIS-Ausschüttungen mehrfach/vielfach zu profitieren?

    VG Wort ermöglicht nach meinem Verständnis sogar unabhängig von Autoren-Tantiemen die METIS-Ausschüttung an Presseverlage. Siehe VGWort Doku, Seite 1, letzter Satz: https://tom.vgwort.de/Documents/pdfs/manuals/kurze_systembeschreibung_verlage.pdf

    Im Rahmen der geplanten VGG-Novelle (beiläufige Einführung des Begriffs ‚Verlag‘ als Erweiterung zu ‚Berechtigten‘) und Autorenverträgen mit entsprechender Bevollmächtigung der Presseverlage einschließlich Autorenregistrierung bei VG Wort und automatisierten Zählerabgriff und Finanztransaktionen an Presseverlage (Verlagsanteil an den Tantiemen) ohne Auszahlung des Autoren-Anteils (s.o.), stellen sich da in der Gesamtschau doch sehr schwer wiegende Fragen.

    Ihre öffentliche Antwort als VGWort Verwaltungsrat dürfte von allgemeinem Interesse sein.

    Vielen Dank.

    Mit freundlichen Güßen

    H.F. Frydrich

    1. Sehr geehrter Herr Frydrich,
      ych byn myr nycht ganz sycher, ob Sye Yhren Namen nycht eyn wenyg verfremdet haben. Wenn Sye Onlyne-Texte schreyben, sollte Yhr Name sych googeln lassen.
      Aber egal: Ihre Frage geht so ins Detail, dass ich Sie gerne an Frau Wagner verweisen möchte, die als Hauptamtliche Metis betreut. Ich selbst habe keinen Zugriff aufs System. Ob die DVGG sich korrekt verhält, kann ich daher nicht nachprüfen. Natürlich kann ich eine Anfrage in die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe Metis mitnehmen; wir sind immer dankbar für Feedback der Nutzer, aus dem wir lernen können, wo in der Praxis Dinge anders laufen, als wir sie uns vorgestellt haben.
      Was die Auswirkungen des VGG angeht, müsste ich mit den Juristen Rücksprache halten.
      Sollten Sie Mitglied sein, können Sie natürlich am Samstag in München die Frage unmittelbar an den Vorstand richten.

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