Gugel ist wumbaba

Unser aller Suchmaschine findet neuerdings immer mehr – gern auch Dinge, die wir gar nicht suchen.

Schlägt Ihnen der Mainstream der Dudelradios auch so auf die Ohren? Kein Grund zu verzagen: Es gibt ja das Web, diese Fundgrube voller genialer Minderheitenmusik aller Geschmacksrichtungen. Zum Beispiel Dancehall, eine Art Hip-Hop auf jamaikanisch. Wer sich in der Szene ein bisschen auskennt, hat vielleicht sogar schon von „King Orle“ aus Aschaffenburg gehört – Deutsch-Riddims aus Unterfranken, die es leider wohl nicht nötig haben, sich im Netz unter www.king-orle.de anzusiedeln. Aber was soll’s: Zwei oder drei Treffer wird Google schon auswerfen.

Zwei oder drei? Es sind 174 Millionen! Ist unser vermeintlicher Geheimtipp über Nacht zum globalen Chartbreaker avanciert? Iwo. Die frängkischen Riddmus-Köniche thronen zwar standesgemäß auf hohen Positionen der Ergebnisliste. Der große Rest der Fundsachen aber stammt nicht vom Untermain, sondern aus New Orleans oder Orléans, France. Google findet sogar „Oedipus The King: Role Of Gods“ oder „Martin Luther King’s role in the Civil Rights Movement“. Auf den hinteren Rängen dürften sich dann Sites zu Erol Sander, L’Oreal und Kingston/Jamaika finden.

Vielleicht ist Google ja von dem Ehrgeiz beseelt, Legasthenikern die Teilhabe an der Informationsgesellschaft zu erleichtern. Oder Menschen, denen mein Kolumnistenkollege Axel Hacke sein VerHörbuch „Der weiße Neger Wumbaba“ gewidmet hat – Leuten also, deren Ohr-Hirn-Schranke sich schließt bei Zeilen wie „der weiße Nebel wunderbar“ in Matthias Claudius‘ Gedicht „Der Mond ist aufgegangen“. Im gnadenlosen Suchalltag aber wünscht man sich die gute alte Zeit zurück, als das heitere Buchstabenwürfeln freiwillig war („Meinten Sie Lore Küng?“).

Statt dessen wird es schlimmer. Die fuzzylogischen Algorithmen zerhacken sogar Wörter, die man wohlweislich zusammenschreibt, etwa weil sie Teil eines Institutsnamens sind. Auch die Telefonauskunftei Klicktel hält mich für zerstreut: Suche ich Herrn Müller in der Mühlenstraße, bekomme ich Namensvettern am Mühlenfeld und am Mühlenteich dazu. Wenn das so weitergeht, muss ich bald den einzigen „Steffen Schmitt“ zwischen 200 „Stefan Schmidt“ oder „Stephan Schmid“ finden. Da lobe ich mir ausnahmsweise die Telekom: Die lässt mich selbst entscheiden, ob ich „ähnliche Namen“ sehen will. Noch.

Aus der Technology Review 7/2008, Kolumne FROITZELEIEN

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