El Hotzo, pack die Generationenkeule ein!

Eigentlich wäre es total egal, was irgendein Gagschreiber in seiner Freizeit in „sozialen“ Medien postet. Wenn dieser 26-jährige Nachwuchs-Satiriker allerdings mehr als 400.000 Twitter-Follower hat, für eine wichtige ZDF-Show arbeitet und (wohl aufgrund seiner digitalen Reichweite) sogar von den Admins der deutschen Wikipedia für relevant gehalten wird, ist es nicht mehr ganz so egal. Denn dann ist er ein Influencer der Sorte, von der man erwarten darf, vor dem Verbreiten eines vermeintlich witzigen Einfalls kurz innezuhalten und zu überlegen, ob das nicht in Wirklichkeit eine echt saublöde Idee ist, weil es beispielsweise Vorurteile schürt. Er muss damit rechnen, dass mehr als 10.000 Fans den Schmarrn liken und 650 ihn retweeten – just so geschehen bei Sebastian „El Hotzo“ Hotz.

Natürlich könnte man sagen, dass Hotzo mit jenem dusseligen Gagversuch, über den ich mich hier heute aufzuregen gedenke, 97,6 Prozent seiner Follower nicht erreicht hat. Sie haben ihn entweder gar nicht gelesen oder er hat ihnen nicht gefallen. Diejenigen, die dem jungen Mann ein Herzchen dafür geschenkt haben, sind allerdings immer noch fast so viele Menschen, wie in meinem Heimartort wohnen – womit so eine abstrakte Zahl für mich recht konkret vorstellbar wird. Und im Gegensatz zu den meisten Kauferinger Mitbürger:innen sind Twitteristen Multiplikatoren. Wer kein erhöhtes Mitteilungsbedürfnis hat, twittert nicht.

Im besagten Tweet strapaziert Hotz, ohne es explizit hinzuschreiben, das abgedroschene Klischee vom Boomer, der sein Recht zur Mitsprache in dieser Gesellschaft verwirkt hat, weil er an so gut wie allem schuld ist. Er bemüht ein Klischee, das Jüngeren eine wohlfeile Ausrede dafür bietet, Kritik zu ignorieren, nicht nur wenn, sondern sogar weil sie von Älteren kommt. Er benutzt ein Klischee, das sich hervorragend dazu eignet, Konfrontationen zu schüren, die kontraproduktiv sind. Hotz meint es zweifelsohne gut, wenn er klimaschädliches Verhalten kritisiert, aber leider setzt er dabei auf absurde Schwarzweißmalerei. Er stempelt für billige Likes meine ganze Generation zu Sündenböcken.

Hier ist das Corpus delicti:

Klar, Hotz behauptet nicht ausdrücklich, dass wir gemeint sind. Er weiß aber, dass seine Follower das so verstehen werden. Dann zerlegen wir mal seine Unterstellungen Stück für Stück: „El Hotzo, pack die Generationenkeule ein!“ weiterlesen

Wenn Journalisten sich streiten

Ein bizarres Geplänkel liefern sich zwei Kollegen in aller Öffentlichkeit – via Twitter und Facebook. Der NDR ist involviert und macht eine unglückliche Figur. Bushido meldet sich zu Wort, Online-Promis wie Sascha Lobo, Stephan Anpalagan und Chan-jo Jun sind irritiert und kommentieren den Vorgang, Medientwitter hat einen neuen Aufreger. Da es um die Berichterstattung über den Nahostkonflikt geht und um problematische Personalien in international arbeitenden Medienhäusern, öffnen und füllen sich rasch lauter Schubladen, in die man jemanden stecken kann. Eine kleine Einordnung und ein bescheidener Friedensappell.

Da nicht alle, die mein Wortgepresstes lesen, die Gegeben- und Gepflogenheiten meiner Branche kennen, zunächst ein paar zum Verständnis wichtige Erläuterungen zur Arbeitssituation und -weise: „Wenn Journalisten sich streiten“ weiterlesen

Warum der BJV jetzt gute neue Leute braucht

„Tu Gutes und rede darüber“ lautete der Titel eines 1961 erschienenen Standardwerks über Öffentlichkeitsarbeit. Geschrieben hat es Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, der sich jahrzehntelang im DJV für „Journalisten in Wirtschaft und Verwaltung“ engagierte. Sein altes Motto sollte eigentlich auch „mein“ Landesverband leben – der BJV, der vor 75 Jahren gegründet wurde und das Jubiläum nicht begangen hat. Man kann durchaus darüber streiten, ob es etwas zu feiern gegeben hätte, denn der Verband schrumpft seit Jahren vor sich hin, und weil das nichts Gutes ist, redet man ungern darüber. Ich halte es aber lieber mit dem Kollegen Stefan Primbs, der dafür plädiert, das Versäumte mit einem „Fest der Begegnungen, des Kennenlernens, des Vernetzens“ nachzuholen: Eine Jubliläumsfeier kann ein Anlass sein, sich alter Stärken zu besinnen, neue Pläne zu schmieden, Aufbruchstimmung zu verbreiten und sich in Erinnerung zu rufen, dass „der BJV“ nicht die Funktionäre und die Geschäftsstelle sind, sondern wir alle. 

Bitte anmelden, vormerken, kandidieren: Am 29. Oktober wählt die BJV-Fachgruppe Freie ein neues Vorstandsteam! *

Was ist eigentlich unser Problem? Warum bleibt der BJV seit einiger Zeit so unter seinen Möglichkeiten? Darüber müssen wir reden. Die viel zu kurz angesetzte und noch dazu „hybride“ Mitgliederversammlung im September bot für so einen Diskurs nicht den Rahmen. Sie machte aber allein schon durch die Abwesenheit von 98,7 Prozent der Mitglieder eines klar: Damit ein Journalistenverband Gutes tun kann, über das zu reden sich lohnt, braucht er nicht nur Geld – davon hat der BJV wahrlich mehr als genug auf turmhoher Kante – sondern in erster Linie mehr Aktive und Engagierte. Leute, die mit anpacken, die ihren inneren Schweinehund bezwingen, die nicht am „Lass-lieber-mal-die-Anderen-machen“-Syndrom leiden, das in der Ehrenamtlerei leider überall grassiert, vom Elternbeirat bis zu den alten Volksparteien. Es kann nicht wahr sein, dass man oft schon froh sein muss, wenn es überhaupt genügend Kandidaten gibt für die zu besetzenden Ehrenämter. Früher oder später führt solcher Mangel dazu, dass nicht nur die Besten, Qualifiziertesten und Kreativsten gewählt werden, sondern dass Vereinsmeier und Gschaftlhuberinnen sich mit einem Pöstchen schmücken können, von denen sich niemand repräsentiert sehen will. Wenn wir also mehr sein wollen als eine in die Jahre gekommene Gewerkschaft, die sich um Tageszeitungs- und BR-Redaktionen kümmert, nämlich eine starke, moderne Interessenvertretung aller in Bayern journalistisch Tätigen, dann müssen auch alle ihren Teil dazu beitragen, denen das am Herzen liegt. Je mehr Kolleginnen und Kollegen quer durch alle Generationen etwas Zeit in die gemeinsame Sache investieren, desto weniger Arbeit lastet dann auch auf den Schultern Einzelner. Dann wird unsere alte Gewerkschaftstante BJV auch automatisch attraktiver für Jüngere, die es uns Boomern zeigen (oder auch das eine oder andere von uns lernen) wollen. Dann können wir auch unsere Nachwuchsprobleme lösen, den Schrumpftumskurs verlassen und ihn womöglich sogar umkehren. (Ich meine, wenn das sogar die SPD schafft, sollten wir uns nicht wie die CDU benehmen.)  „Warum der BJV jetzt gute neue Leute braucht“ weiterlesen

Covid-19: Was wir über „Corona“ wissen und was nicht

Klopapier gibt’s wieder, sogar meine Marke. Hefe liegt auch wieder im Kühlschrank. Nur Hirn ist offenbar aus. Zumindest hat der Herr schon lange keines mehr vom Himmel geworfen. Wenn aber schon der liebe Gott mit Lieferengpässen zu kämpfen hat, müssen wir hier unten improvisieren und unseren Grips anstrengen. Dazu braucht man einen Überblick über Fakten und Fakes. Deshalb sortiere ich hier mal das, was im Netz und in den Medien über die Covi-Seuche 19 an Informationen, Halbwissen und gezielten Desimpformationen* grassiert.

Wie überträgt sich das Virus SARS-CoV2?

Was wir wissen: Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion. Tröpfchen, die Viren enthalten können, verlassen unseren Mund und unsere Nase nicht nur beim Niesen (da sieht man sie zum Teil sogar) und beim Husten, sondern auch beim Sprechen, beim Singen und sogar beim ganz normalen Ausatmen. Die Größe der Tröpfchen ist jedoch sehr unterschiedlich. Sehr kleine Tröpfchen, die man mit bloßem Auge nicht erkennen kann, halten sich länger in der Luft, bilden also eine Art dünnen Nebel, während dickere Tröpfchen quasi abregnen. Sie fallen zu Boden, so dass die Gefahr gebannt ist, sie einzuatmen. Man sollte sich dann aber, salopp gesagt, noch mehr als sonst davor hüten, auf die Schnauze zu fallen. Denn solange die Viren feucht sind, ist davon auszugehen, dass sie noch aktiv sind. Schmierinfektionen sind aber nach allem, was man weiß, eher die Ausnahme. Klar ist, dass man sich nicht ins Gesicht fassen sollte, wenn man einen Türgriff oder den Griff eines Einkaufswagens angefasst hat. Erst mal Hände mit Seife waschen (s.u.)!

Was wir nicht wissen: Es gibt noch keine verlässlichen Informationen dazu, welche quantitative Rolle die nebelartigen Kleinsttröpfchen spielen. Da es ernst zu nehmende Hinweise darauf gibt, dass ihre Bedeutung bisher unterschätzt wurde, ist dieses Nichtwissen ein Grund zur Vorsicht. Auch die Forschung zur Bedeutung von Schmierübertragungen ist nicht abgeschlossen.

Spielt es eine Rolle, ob ich mich im Freien oder in geschlossenen Räumen aufhalte?

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Rezo oder die Zerstörung der Blauhaarfrisur – Teil IV und Schluss

Lieber Rezo,

Du hast Dich kürzlich bei Deinen Youtuber-Freunden Fabian und Steven hämisch über zwei Themen ausgelassen, die mich beruflich wie demografisch leider triggern: Printmedien und ältere Mitbürger.

Dazu kommt hier der Levitenlesung 4. Teil:

Nicht zerstören, sondern ändern und aufbauen!

Lieber Rezo,

Dir verdankt die deutsche Sprache den Neologismus „Zerstörungsvideo“. Das kann kein Grund sein, stolz zu sein. Die Welt braucht konstruktive Kritik, nicht Destruktion und Disruption. Oder wenn, dann bedarf es der „schöpferischen Zerstörung“ nach Joseph Schumpeter, also der Verdrängung des (vermeintlich) Guten durch das Bessere. Was gut ist, besser und am besten, ist in der Tat eine Frage, die vor allem Deine Generation betrifft, die zugleich die meiner Kinder ist. Wer heute unter 40 ist, muss sich darauf einstellen, die Folgen kurzsichtiger, mutloser und populistischer Umwelt-, Klima-, Entwicklungs- und Migrationspolitik noch mitzuerleben. Wer eine Karriereentscheidung trifft, die auf ein Weiterso hinausläuft, wer sich hedonistisch verhält und ausblendet, welchen Schaden sein Lifestyle oder der Geschäftszweck seiner Firma den Menschen anderswo auf der Erde zufügt, kann die Schuld nicht den Alten in die Schuhe schieben.

Wir Medienmenschen, alte wie ich und junge wie Du, können die Welt zwar nicht retten. Aber wir können das Unsere tun, Informationen zu finden und in verständlicher Form weiterzuverbreiten, mit deren Hilfe das Leben auf diesem Planeten für die Menschheit einigermaßen erträglich bleibt. Wir können Anwälte der Vernunft sein.

In dem Sinne: Du hast es geschafft, die Aufmerksamkeit von Millionen zu wecken. Verspiele dieses Kapital nicht, indem Du Dich sinnlos an der BILD-Zeitung abarbeitest und sagst, „mimimi, die FAZ stellt mir keine gescheiten Fragen“! Zeig, was Du drauf hast, dass Du mehr bewirkst als wir traditionellen Medienheinis!

Falls Du darauf keinen Bock hast: Halt einfach die Klappe.