Schutzschirm für die Erde

Aliens wollen nur unser Bestes. Damit sie es nicht kriegen, müssen wir das analoge Fernsehen retten.

Unseren englischen Freunden wird traditionell nachgesagt, sie seien sich selbst genug. Waberten über dem Ärmelkanal Nebelschwaden, die den Fährmännern die Sicht nahmen, bedauerten die Insulaner einst uns arme Kontinentalisten, da wir nun von der britischen Welt abgeschnitten seien. Heute gibt es Billigflieger und einen Tunnel, dem selbst eine Eruption des Eyjafjallajökull nichts anhaben kann. Aber der Brite als solcher findet immer wieder einen Anlass, unser Vorurteil zu bestätigen, dass er die Isolation immer noch „splendid“ findet – also kostbar, wenn nicht sogar glanzvoll, wie uns das Wörterbuch verrät.

Zum Glück verfügt das Vereinigte Königreich über Experten, die den skeptischen Blick ihrer Landsleute auf einen ungleich weiteren Horizont zu lenken verstehen – etwa Baron Martin John Rees of Ludlow, seines Zeichens Präsident der Royal Society und Hofastronom Ihrer Majestät, oder das Astralgenie Stephen Hawking. Die beiden in extraterrestrischen Angelegenheiten höchst fachkundigen Gentlemen säen fleißig Zweifel am Bestreben der Menschheit, in den Weiten des Weltalls freundliche Außerirdische zu finden wie Superman Clark Kent vom Planeten Krypton, Steven Spielbergs heimwehgeplagten E.T., den Vulkanier Spock oder die allenfalls für Hauskatzen bedrohliche Lebensform A.L.F.

Yes!, so die auf mathematische Logik gestützte Botschaft, irgendwo da draußen gibt es ganz bestimmt intelligentes Leben; wir würden uns aber wohl schwer wundern, wie es aussieht. Bemerkte Baron Rees noch diplomatisch in seinen jüngsten Andeutungen, die fremden Wesen seien womöglich doch nicht so entzückend, dass wir sie wirklich kennenlernen möchten, schürte Professor Hawking im Discovery Channel jetzt Ängste vor Kreaturen, gegen die ein martialischer Klingone ein freundlicher Sozialhelfer wäre: „Falls uns Aliens besuchen, könnte es so ähnlich enden wie nach Kolumbus‘ Landung in Amerika. Die ist den Ureinwohnern gar nicht gut bekommen.“

Des Wissenschaftlers Warnung, auf keinen Fall Fremdlinge anzulocken, weil die eh nur auf Bodenschätze aus sind, kommt leider ein bisschen spät. Schon seit 1977 ist die Raumsonde Voyager I auf dem Weg zu vermeintlich friedlichen Kulturen am Rand der Milchstraße – mit einer goldenen Schatzkarte an Bord, die potenziellen Invasoren genau verrät, wo sie uns suchen müssen. Dass sich der Besuch nicht lohnt, weil wir bis zu ihrer Ankunft unsere Ressourcen längst selbst geplündert haben, hat die NASA dummerweise nicht vermerkt.

Da können wir nur hoffen, dass der Weltraumforscher-Veteran Frank Drake recht behält. Der 80-jährige Chef des SETI-Instituts weiß zwar auch noch nichts Näheres über die Wahrnehmungsfähigkeiten der Aliens. Er ist aber überzeugt, dass die mehr als 50 Lichtjahre weit ins All ragende Wolke aus analogen Fernsehsignalen, mit der die Erde sich umgeben hat, sehr verräterisch ist. Dank der fortschreitenden Digitalisierung verstecke sich unser Planet nun langsam unter einer Tarnkappe aus diffusem Rauschen.

Das würde erklären, warum es bisher nie zu einer Konfrontation mit Außerirdischen gekommen ist: Kaum sehen sie, welchem TV-Junk wir Erdlinge uns täglich aussetzen, schon schütteln sie sich vor Ekel und suchen mit ihren schnellen Raumkreuzern das Weite. Das sollte den Fernsehverantwortlichen aller Kontinente zu denken geben. Sofort Schluss machen mit der gefährlichen Digitalisierung! Wir brauchen die analogen Signale von miesen Serien, dummen Dokusoaps und platten Talkshows. Dieser Schutzschirm ist besser als jede Tarnkappe.

ULF J. FROITZHEIM, freier Journalist, ist seit „Men in Black“ überzeugt, dass ein paar hartgesottene Aliens längst hier sind – getarnt als Alice Cooper oder Lady Gaga.

Aus der Technology Review 6/2010, Kolumne FROITZELEIEN

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