Google muss noch viel lernen

Ich weiß ja nicht, warum diese Veranstaltungen des zuständigen DJV-Fachausschusses immer „Besser Online“ heißen. Das ist zumindest missverständlich, denn es klingt wie: „Hätte er besser jemanden gefragt, der sich damit auskennt!“ Also besser online als offline. Eigentlich ist es aber wohl ein Postulat: Im Online-Segment des Journalismus und auch der PR gibt es Vieles, das verbesserungswürdig wäre.

Zum Beispiel die Pressearbeit des angeblich allwissenden, laut Volks- und Medienmeinung buchstäblich alles unter Kontrolle habenden Konzerns Google. Die ließ bisher so schwer zu wünschen übrig, dass ich eher von Presseuntätigkeit oder Heimlichkeitsarbeit reden würde als von Öffentlichkeitsarbeit. (Wenn ich nicht behaupte, ich bekäme leichter eine Audienz beim gebenedeiten Josef Ratzinger als bei Stefan Keuchel, dann allein deshalb, weil ich nicht katholisch bin.) Kritische Fragen hätte ich genug, und die haben nichts mit dem vermeintlich bösen Datenkraken zu tun, sondern im Gegenteil damit, dass dieser Dinge verspricht, die er nicht hält (dazu unten mehr).

Ob Sie es glauben oder nicht: Dem PR-Profi Keuchel ist es bisher perfekt gelungen, meinen Nachstellungen zu entgehen. Zugegeben: Einmal sprach er zu einer Zeit, zu der ich nicht mehr mit seinem Rückruf gerechnet hätte, auf meine Mailbox, sagte aber nicht, wann und wie er denn für mich erreichbar sei, und ignorierte meinen Rück-Rückruf geflissentlich. Kollegen, denen er tatsächlich schon die Ehre gab, arbeiten zufällig samt und sonders für relevantere Medien als die Technology Review, in der ich mich gelegentlich über Google äußere – wobei ich mit „relevant“ meine: x-fach höhere Auflage und/oder deutlich geringere Bildungsbürgerquote unter den Lesern. Ich gehöre zu denen, die grundsätzlich auf dem Anrufbeantworter landen. Prio 6 bis 10. Was macht das schon, wenn ein Nischen-Schreiber wie ich lästerliche Bemerkungen über Google mache? Ich bin der Hund, der bellt, und Google ist der Mond, den das nicht schert. (Was mich nicht abhält, den Mondsüchtigen was vorzubellen.)

Dank „Besser Online“ weiß ich aus berufenem Mund, warum der arme Keuchel gar keine andere Wahl hatte, als die paar Zigtausend Google-Nutzer, die meine Texte lesen, zu missachten, indem er mich hartnäckig ignoriert. Ein Podiumsteilnehmer kam nämlich aus Googles PR-Abteilung in die Niederungen der Journaille hinabgeschwebt: Dr. Ralf Bremer, Senior Manager Communications and Public Affairs von Google Deutschland, so neu dabei, dass er noch in der Einarbeitungsphase steckt. Der Gute entschuldigt sich namens seines Teams bei mir, dass es nicht immer möglich sei, alle Anrufe zu bewältigen, schließlich seien sie (seit er hinzugekommen ist) gerade einmal zu dritt, müssten aber ähnlich viele Fragen beantworten wie die PR-Bataillone eines Konzerns wie Siemens. Jedenfalls sei mein Eindruck, ich sei durch den Rost gefallen, weil Google nur mit den großen Massenmedien rede, falsch.

Aber warum dann? Warum geht Google so konsequent auf Tauchstation, wenn ich etwas wissen will? Weil die Presseleute gegoogelt haben, dass ich immer so gemeine Sachen schreibe? Weil mich jemand (auch er wurde gestern bei Besser Online gesichtet) im Netz diffamiert hat und diesen Off-shore-Dreck auch noch geschickt SEO-optimiert hat? Googles Umgang mit übler Nachrede wäre eines der Themen gewesen, mit denen ich den Firmensprechern gerne ein bisschen ihrer wertvollen Arbeitszeit gestohlen hätte.

Ein anderes: Warum es bei einem so liquiden Konzern wie Google nicht zu den Geschäftsprozessen gehört, die Luftbilder und Landkarten von Maps und Earth auch nur halbwegs aktuell zu halten, insbesondere wenn es die Landbevölkerung betrifft.

Ralf Bremer, ersichtlich ein routinierter Dementeur, stellte die Fakten, die ich ihm vorhielt, ohne vorherige Recherche erst einmal pauschal in Abrede. Natürlich mache Google keinen Unterschied zwischen Groß- und Kleinstadt. Dass eine neue Bundesstraße ein Jahr nach Eröffnung der Strecke nicht einmal in der Landkartenansicht zu sehen ist, geschweige denn als Luftaufnahme, mochte er einfach nicht glauben. Man weiß ja, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Immerhin erklärte sich Doktor Bremer bereit, die Fakten zu checken, wenn er wieder im Büro ist. Er wird sehen, dass die Underdogs aus Redmond ein wenig besser sind.

Nur um das hier mal festzuhalten: Es ist mir egal, ob Google etwas so Offensichtliches zugibt wie die Tatsache, dass aktuelle Bilder dem Management nicht viel wichtiger sind als einem durchschnittlichen Ansichtskartenverleger. Ich möchte nur einmal eine ehrliche Begründung dafür hören oder lesen, warum die Datenqualität so miserabel ist und bleibt, wie sie schon lange ist. Dass Google Maps gratis ist, kann keine Begründung sein. Ich würde gerne ein paar Euro Abogebühr im Jahr bezahlen, wenn die Daten gepflegt würden. Eine glaubwürdige Antwort könnte lauten: „Bei einem Gratisdienst dafür Geld auszugeben, ist den Aktionären nicht zuzumuten, und ein Konzept für Paid Content hat Google nicht.“

Ich wäre angenehm überrascht, wenn Konzernchef Eric Schmidt einsähe, dass die Inaktualität der Geo-Daten peinlich ist. Bis dahin sollte kein Journalist mehr seinen Lesern suggerieren, Google Maps und Google Earth bildeten die Welt so ab, wie sie heute aussieht. In Wahrheit sind es gigantische digitale Konservendosen, die ein von Jahr zu Jahr trügerischeres Bild vermitteln.

Bitte, Herr Bremer: Widerlegen Sie mich! 😉

Sie sind der oder die 4317. Leser/in dieses Beitrags.

4 Antworten auf „Google muss noch viel lernen“

  1. Das Problem mit der Aktualität gibt es auch bald mit Streetview… Google wird sicherlich nicht ständig herumfahren und neue Bilderchen schießen.
    Die Satellitenbilder aus meinem Ort sind ca. aus dem Jahr 2001 oder 2002. Also auch sehr aktuell.. 🙂

    1. Auch so alt? Wo wohnen Sie, „ich“? Nicht in meiner Nachbarschaft, nehme ich an. Wollen Sie also etwa andeuten, dass der Google-Pressesprecher lügt oder, noch schlimmer, keine Ahnung hat und trotzdem pressespricht? 😉

  2. Sehr geehrter Herr Froitzheim,

    ich komme gerne auf Ihre Anfrage bezüglich unseres Dienstes Google Maps zurück. Wie ich Ihnen bereits in München erklärt habe, nutzt Google Maps die gleichen Satellitendaten wie Google Earth. Google Earth arbeitet mit den besten verfügbaren Bildern, die meisten von ihnen sind zwischen einem und drei Jahren alt. Wir tun alles, um unsere Daten regelmäßig zu aktualisieren. Wir können Ihnen jedoch nicht sagen, wann dies in bestimmten Regionen erfolgt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Bremer

    1. Sehr geehrter Herr Bremer,
      ich lese diese Antwort und sehe die Bilder.
      Leider bringe ich das im Kopf nicht zur Deckung.
      Sie tun ALLES, um Ihre Daten REGELMÄSSIG zu aktualisieren? In welchem Turnus denn bitte? Alle 20 Jahre?
      Die Fotos waren schon längst nicht mehr aktuell, als Google Earth 2005 online ging.
      Hier in der Gegend sind alle Bilder um die zehn Jahre alt, und selbst das aktuellste Foto, das ich entdeckt habe, die BMW Welt, ist älter als drei Jahre. Im Herbst 2007 stand da sicherlich kein Kran mehr.

Schreibe einen Kommentar zu AdminUlf Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert