Kron löscht nach Rabenvater-Shitstorm Hunderte Facebook-Kommentare

Sein ideologischer Kampf gegen Impfungen führt den Kauferinger Homöopathen Rolf Kron immer tiefer ins Milieu der Reichsflaggen schwenkenden Sektierer und Verschwörungsmystiker. Bei der jüngsten Demo in Berlin provozierte er vor laufender Kamera des russischen Staatsfernsehens RT mehrfach einen Polizisten – und trug dabei seinen kleinen Sohn auf den Schultern. Dass das verängstigte Kind in Tränen ausbrach, störte die Inszenierung, aber nicht den Vater.

Gelöschter Post: Ein Wort, 887 Kommentare.

„Siegessäule.“ Nur ein einziges Wort stand in dem Eintrag auf Rolf Krons Facebook-Seite. Darunter 887 Kommentare. Das Verhältnis zwischen dem vermeintlichen Gegenstand der Kommentare und deren Umfang hätte die Kriterien für einen Eintrag ins Guinness Book of Records erfüllt. Auch der Anteil der Kommentatoren, die sich empörten, war rekordverdächtig. Zuerst sperrte Kron die Kommentarfunktion – und ging mit keinem Wort auf die Kritik ein. Dann löschte er den Beitrag mitsamt den Kommentaren und ersetzte ihn durch den Link zu einem Video, in dem er seine Sicht der Dinge vorträgt.

Worum ging es? Vordergründig um „Corona“ und die unantastbare Freiheit, seine Mitmenschen mit Covid-19 anstecken zu dürfen. Rund um die Siegessäule in Berlin, die so genannte Gold-Else, hatten sich am Samstag glaubwürdigen Berichten und Bildbeweisen zufolge einige Zigtausend selbsternannter Querdenker versammelt, darunter Anhänger der verschwörungsgläubigen amerikanischen Q-Anon-Sekte, Vertreter des gesamten rechtsradikalen bis rechtsextremistischen Spektrums mit Schwerpunkt „Reichsbürger“, Impfgegner, Esoteriker, Paranoiker, Anthroposophen, Psychopathen, Pegidioten, Antisemiten, mutmaßliche Flacherdler, Prepper, Truther, rechts- und linksdrehende Anarchisten, Querfrontler, Mobilfunkgegner, Kiffer, Säufer, Hooligans, Barden, Rapper, Tänzerinnen, Wutbürger, Althippies sowie ein Panoptikum an nicht näher definierbaren Spinnern mit albernen Tätowierungen oder schwarzrotgoldgestreiften Sonnenbrillengläsern und irgendwelchen Schlaumeiern, die sich für heilkundig halten, aber auf dem Weg in den Beruf irgendwann falsch abgebogen sind. Wie pflegte Schwiegermami zu sagen: Der Herrgott hat einen großen Tiergarten.

Mitten in diesem Gewusel trieb sich also nun besagter Rolf Kron aus Kaufering herum, ein Mann, der irgendwo in dem oben genannten Spektrum zu verorten ist: Er hat Medizin studiert, aber nicht promoviert, und teilt ungeachtet dessen auf Facebook Youtube-Posts Dritter, die ihn ehrfürchtig als „Dr. Kron“ titulieren; er stellt nicht klar, dass es diesen Doktor Rolf Kron gar nicht gibt.

Titelanmaßung durch Teilen eines Facebook-Beitrags: Rolf Kron ist kein Dr. Kron.

Kron ist einer der Rädelsführer eines Netzwerks aus Impfgegner-Organisationen im deutschsprachigen Raum. Die Protagonisten dieser Szene schreiben Bücher und drehen oder vertreiben Videos, die jungen Eltern Angst vor Impfungen einjagen sollen. Der mittlere Wahrheitsgehalt der verbreiteten Inhalte bewegt sich auf einem Niveau, dessen Unterschreitung wohl selbst für einen Donald Trump eine Herausforderung wäre. Das Geschäftsmodell der Profi-Impfgegner besteht darin, arglosen Menschen die Idee einzuimpfen, ihre Kinder impfen zu lassen sei das Gefährlichste überhaupt – also demnach schlimmer, als sie an einer Infektionskrankheit sterben oder nach einer Genesung bleibende Schäden davontragen zu lassen.

Und was hatte es nun auf sich mit dem gelöschten Goldelse-Posting und den 887 Drukos („Drunterkommentaren“)? Außer dem Wort „Siegessäule“ dürfte ein Foto zu sehen gewesen sein, das Kron in Berlin zeigt, sonst ergäben viele  Kommentare keinen Sinn. Tatsächlich existieren Bilder von Kron in Berlin, nicht nur Standbilder, sondern eine ganze Videosequenz, die ihn gar nicht gut aussehen lässt. Wie es scheint, ist der Mann PR-mäßig in seine eigene Falle getappt. Hier kommt die Szene, über die auch meine Kollegin Susanne Greiner im aktuellen Kreisboten berichtet:

Gedreht hat diese Aufnahmen ein Mitarbeiter von RT Deutsch (= Russia Today), also vereinfacht gesagt dem russischen Staatsfernsehen. Putins Auslandssender ist zwar mehr Propaganda-Sprachrohr für den Kreml, als Radio Liberty und Radio Free Europe es fürs Weiße Haus je waren, die Zeit des Kalten Kriegs mitgerechnet. Da aber die auf der Berliner „Querdenken“-Demo aufmarschierte Klientel den Kanal als „alternatives Medium“ liebt, gehören dessen Kameraleute zu den wenigen ihrer Zunft, die sich auf derlei Veranstaltungen frei bewegen können, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen ihre Gerätschaften aus der Hand geschlagen werden.

Als die Videosequenz entstand, hatte sich das Kamerateam seitlich von einer Reihe von Polizisten aufgebaut. Einige Menschen laufen durchs Bild, darunter weitere Polizisten in voller Kampfmontur, da taucht im Hintergrund ein zottelbärtiger Mittfünfziger mit strähniger grauer Mähne auf, auf seinen Schultern ein dünnes blondes Kind mit einem langen Pferdeschwanz. Viele Menschen, die die Bilder später im Internet sehen, werden es für ein Mädchen halten, doch es ist der sechssiebenjährige Sohn von Rolf Kron, das Nesthäkchen aus seiner jetzigen Ehe mit der Musikerin Margareta, Künstlername Rairda. Sie tritt unter anderem auf Rolf Krons eigenen Demos auf und singt mystisch dahinschwurbelnde „Elfenlieder“ in einer für normale Menschen unverständlichen Sprache. Von der Mama ist in dem RT-Clip nichts zu erkennen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie nicht in der Nähe war.

Wer sich fragt, warum – um alles in der Welt – Eltern ihr kleines Kind auf eine Demo mitnehmen, von der sie vorher wissen müssen, dass sich dort reichlich rechte Krawallos à la Bruderschaft Deutschland oder IIl. Weg herumtreiben werden, die einem Streit mit der Polizei nicht aus dem Weg gehen, der stellt genau die richtige Frage. Aber er unterschätzt noch die Abgebrühtheit eines Rolf Kron. Denn im Video des Putin-Fan-Kanals sehen wir Folgendes: Während der Polizistenpulk und ein paar Zivilisten nach rechts ins Off schreiten, schwenkt die Kamera auf Kron, der auffällig unauffällig im Hintergrund auftaucht. Ab diesem Moment lässt ihn der Kameramann (oder die Kamerafrau) nicht mehr aus den Augen. Kron kommt immer näher, meidet aber geschickt den direkten Blick in die Kamera. Von links kommend, baut er sich schließlich in bester Sichtlinie vor einem der Polizisten auf, die in der rechten Bildhälfte nebeneinander stehen. Man muss dazu wissen, dass Kron sich gar nicht gerne filmen lässt, wenn auf der Kamera hinter dem RT auch noch ein L steht.

Rolf Kron am Rande einer Demo in Nürnberg, als er ein Kamerateam von Spiegel TV (läuft auf RTL) unwirsch abfertigt.

An diesem Samstag in Berlin steht Kron so dicht vor der Linse wie ein Reporter, der jemanden interviewt. Den Sohn immer noch geschultert, geht er frontal auf denjenigen Polizeibeamten zu, der aus Kameraperspektive an der perfekten Stelle steht. Was Kron zu ihm sagt und was der ihm antwortet, geht im Lärm unter. Das Geschrei der „KEI-NE-GE-WALT“ skandierenden Menschenmenge ist so laut, dass der Kleine sich bereits die Ohren zuhält. Man sieht dem Buben an, dass er nicht weiß, wie ihm geschieht; er blickt ängstlich drein. Ungeniert unterschreitet der wie immer unmaskierte Homöopath dabei den Mindestabstand und dringt in die Komfortzone des Schutzmanns ein, nähert sich ihm auf deutlich weniger als Armlänge. Der Beamte bemerkt, dass er nach hinten nicht viel Spielraum hat, und schiebt Kron mit den Fingerspitzen der ausgestreckten rechten Hand einen Schritt zurück.

Kron nimmt das Signal, das in dem sanften Schubs steckt, nicht weiter zur Kenntnis und kommt dem Polizisten erneut näher, als wolle er testen, ob dieser das Distanzgebot auch mit einem kräftigeren Schubs durchsetzen würde. Tatsächlich reagiert der Beamte beim zweiten Mal etwas energischer, aber immer noch so sachte und wohldosiert, dass in keinem Moment die Gefahr besteht, dass Kron stürzen könnte und der Bub, der zu weinen beginnt, dabei runterfiele. Dennoch gibt es Youtuber, die das Video mit Kommentaren wie „Vater mit Kind, geschubst“ teilen, so also sei eine Aggression vom Polizisten ausgegangen. Die Kameraeinstellung endet damit, dass Kron seinen sichtlich verängstigten Sohn absteigen lässt und auf den Arm nimmt.

Als wäre es nicht schon verstörend genug, dass ein Vater – wenn er schon meint, sich mit einem willkürlich ausgeguckten Polizisten anlegen zu müssen – seinen Erstklässler huckepack nimmt, erkennt ein geschulter Blick noch eine Ungereimtheit. Schaut man sich die Szene wie am Schneidetisch mehrmals nacheinander in Ruhe an, wird nämlich von Betrachtung zu Betrachtung deutlicher, dass der Kameramann eine hellseherische Begabung  gehabt haben müsste, um zu ahnen, dass ihm so ein gefundenes Fressen vor die Linse läuft. Stellt man sich hingegen vor, ein Regisseur hätte seine Finger im Spiel gehabt, passt alles zusammen: So, gleich ist die Sichtlinie frei. Jetzt langsam losgehen! Und nicht in die Kamera schauen!

Ob der Dreh zwischen Kron und dem RT-Team verabredet war oder nicht, ist natürlich reine Spekulation. Leider gibt es Indizien, die eine Inszenierung zumindest plausibel erscheinen lassen. So machte im Vorfeld der Demo ein Posting aus der Telegram-Gruppe „Freiheits-Chat“ im Netz die Runde, dass Teilnehmer aus taktischen Gründen ihre Kinder mitnähmen. Ein (oder eine) „bom“ schrieb: „Nehme unsere kleinen auf jeden Fall mit. Die Antifa und Polizei werden keine Kinder angreifen und wenn ja wird es unschöne Bilder geben.“

Posting aus der Telegram-Gruppe „Freiheits-Chat“

Eine unter Teilnehmern aus dem Impfgegner- und Esoterik-Milieu verbreitete Mentalität verrät auch ein anderes Posting, das aus der Telegram-Gruppe „demo.stream“ stammt und keine Empörung auslöste:

„Nazis wollen das gleiche wie wir“: Esoteriker fürchten nur die Antifa.

Es gab tatsächlich unschöne Bilder in Berlin, aber keine, wie „bom“ sie sich vorgestellt hat. Kein Kind wurde physisch verletzt, keinem hat die Polizei etwas angetan. Dass Krons Söhnchen Grund zum Heulen hatte, geht voll auf das Konto seines Vaters. Aber man muss fast froh sein, dass er dem Kind nicht auch noch ein T-Shirt mit den Farben der Reichsflagge angezogen hat. Solche Eltern gab es nämlich im großen Zoologischen Garten Gottes auch.

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