Ein Zeitungsverleger will klüger werden

Schaden macht klug, und darum werden jetzt auch Tageszeitungsverleger klüger. Oder sie tun wenigstens so. In einem Gastbeitrag für carta.info legt der als knallharter Kaufmann gefürchtete Geschäftsführer des Nordkuriers,  Lutz Schumacher, dar, warum es für ihn dumm ist, sich für schlauer zu halten als seine Leser.

Zu originelleren seiner Thesen gehört die Forderung an sich selbst und seinesgleichen, Mittel für Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Die derzeitige Qualitätsdebatte hält der Mann aus dem Nordosten für verlogen, Begriffe wie „tiefgründige Analyse“, „ausgewogene Hintergrundberichterstattung“, „gesellschaftspolitische Aufgabe“ und „für die Demokratie unverzichtbar" empfindet er als hohle Phrasen. Es gehe darum, Zeitungen zu machen, die für die Leser attraktiv seien; dies könnten die Macher derzeit aber gar nicht richtig einschätzen. Indes: Schumacher ist immer noch in der Zielgruppendenke verhaftet, die allein schon semantisch den Leser degradiert – zum Objekt einer Jagd auf zahlende Kunden. So dient der Abonnent dem Verlag, nicht umgekehrt.

Aus dieser altväterlichen Denke resultieren dann Zitate wie "wir müssen viel mehr Geld und Zeit in eine wirklich gute Marktforschung stecken" oder "genaue Leserforschung und Geomarketing werden immer wichtiger". Vielleicht müssten ja nur die Redakteure mit den Bürgern reden, am besten nicht nur webzwonullig, sondern sogar live im Richtigen Leben 1.0 – und siehe da, auch darüber hat sich Schumacher schon einen Kopf gemacht: "Wir müssen die Leser durch leibhaftige Vorort-Präsenz, etwa Sprechstunden in Cafés, Rundreisen etc., aber auch durch Mikroblogs und als Plattform für lokale Gemeinschaften (Communities) einbeziehen." Wenn aber das Interesse des Lesers für ihn alles ist, warum fordert der Mann dann: "Wir müssen verstärkt selbst die Themen setzen, über die dann gesprochen wird"? Ist das nicht auch altes Denken? Der bevormundende Schlaumeier-AllesBesserWisser-Journalismus, der doch die jüngeren, internet-affinen – ähem – Zielgruppen bekanntlich so anödet?

Letztlich bleibt von Schumachers halbgaren Thesen im Gehirn hängen, dass Journalismus in seiner heutigen Form zu teuer ist: "Wirtschaftlich arbeiten heißt in der Zukunft, bei einem weiterhin sehr hohen Personalkostenanteil den Journalisten vernünftige Rahmenbedingungen für unabhängiges  und dennoch zielgruppenorientiertes Arbeiten zu bieten und sie zu motivieren – etwa indem man sie am Erfolg partizipieren lässt." Aber woran soll denn, bitteschön, die Erfolgsbeteiligung gemessen werden? Per Readerscan? Je nach Anzeigenschaltung im Ressort? "Die alten Zeitungstarife", wettert der Verlagschef, "sind … undifferenzierte, gleichmacherische Auslaufmodelle, die unter ehrgeizigen Redakteuren nur Frust erzeugen und die innerbetriebliche Solidarität auflösen." Interessante Idee: Kollegiale Solidarität stärken, indem man den Ehrgeizlingen mehr bezahlt als denen, die einfach nur einen guten Job für die Leser machen möchten und zufrieden sind, ein Berufsleben lang Lokalredakteur zu sein. (Nicht, dass ich das für eine erstrebenswerte Lebensplanung hielte, aber ich kenne und schätze ein paar Kollegen, die genau darin ihre Berufung sehen.)

Aber seien wir nicht unfair: Wenn ein Verleger mal nicht zuerst an die Inserenten denkt, sondern an die Leser, sollten wir das loben. Den Rest lernt er mit etwas Glück auch noch.

Weniger für mehr

Olaf Kolbrück, Autor der Online-Kolumne off the record im Medienbranchenblatt Horizont, beschreibt mit einer gastronomischen Metapher die suizidale Tendenz mancher Medienhäuser:

Verlage aber reagieren auf die ausbleibende Kundschaft wie jener anekdotischer Restaurantbesitzer, der angesichts sinkender Umsätze erst die Preise erhöht, dann die Portionen verkleinert, und weil die Rendite dann immer noch nicht stimmt, an der Qualität spart, die Blumen schießlich vom Tisch verschwinden lässt , die Vorhänge an den Fenstern nicht mehr wäscht, die Tischdecken nicht mehr austauscht, undsoweiter, bis das Tagesmenu Insolvenz lautet.

Auch mir fallen spontan einige Verlage ein, die in der Tat agieren wie besagter Wirt – oder wie Karcandorstadtquelle & Co. Dennoch würde ich diese Aussage nicht verallgemeinern. Es kommt doch sehr darauf an, wer mit der "ausbleibenden Kundschaft" gemeint ist. In diesem Fall liest es sich, als seien die Leser gemeint. Was mich bei einem Objekt mit der Zielgruppe des "Horizonts" erstaunt: Normalerweise sind ja die Leser aus Verlagssicht gerade keine Kunden. Sie sind demütige, unbezahlte Lieferanten der Handelsware "Awareness", die netterweise noch einen marginalen Deckungsbeitrag als Mitgift mitbringen (jedenfalls solange der Abo-Erlös höher ist als der EK minus WKZ der ausgelobten Espressomaschine). „Weniger für mehr“ weiterlesen

Geordnetes Sterben?

"Konsolidieren, Spezialisieren oder einfach sterben" – unter diesen Optionen können Printverlage wählen, bloggt Bernd Pitz zu einer Studie der Beratungsgesellschaft Deloitte.

“Neben den rückgängigen Werbebuchungen zeigt sich die Dramatik besonders deutlich bei den weiter ansteigenden Rabatten. Zusätzlich werden die Vertriebserlöse trotz einzelner Copy-Preiserhöhungen weiter schrumpfen. Das traditionelle Geschäftsmodell der Verlage ist gefährdet”, so Klaus Böhm, Director Media bei Deloitte, laut Pressemitteilung…

Noch mal Flatrate: Carta

Der gute Robin Meyer-Lucht spricht auf carta.info einige sehr wahre Worte zum Problem Kultur-Flatrate, unter anderem diese:

"Bei der Kulturflatrate wird jede Einheit gleich vergütet, es gibt keinen Preismechanismus: Die F.A.Z. kostet mehr als die Bild, weil die F.A.Z. pro Leser einen höheren Aufwand treibt und die Leser dies auch zu schätzen wissen. Bei der Kulturflatrate aber würde jeder Inhalt gleich vergüten. Das würde nicht nur aufwändige Produkte für kleinere Lesergruppen unmöglich machen. Wäre etwa der Seitenabruf die Basis der Vergütung, würde der Klickstrecken-Irrsinn noch stark zunehmen. Eine Kulturflatrate würde daher vor allem Massenprodukte und opportunistisches Verhalten fördern."

Etliche interessante Diskussionsbeiträge.

Fair-Irrung: Die Kultur-Flatrate

Blogwerker Marcel Weiß hat sich die Mühe gemacht, die Pros und Cons des Konzepts „Kultur-Flatrate“ aufzudröseln, das als fairer Kompromiss zwischen Kulturschaffenden und Kulturnutzern im Internet-Zeitalter gehandelt wird.

In einem Kommentar trage ich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten dazu bei, die gut gemeinte Utopie als Fair-Irrung zu entlarven:

„Fair-Irrung: Die Kultur-Flatrate“ weiterlesen