Ein weiteres Beispiel aus dem Themenfeld Umwelt und Abrüstung: Wie kann man nach dem Ende des Kalten Krieges die nutzlosen Atomwaffen unschädlich machen und daraus vielleicht gar noch einen Nutzen ziehen?
Falls sich jemand über den spitzen Unterton gegen die Exponenten des rot-grünen Lagers wundert: Der kam erst während des redaktionellen Bearbeitungsprozesses in den Text.
Erschienen im Heft 16/1992 der WirtschaftsWoche im Ressort Technik+Innovation..
ABRÜSTUNG: Was tun mit dem Plutonium aus Atomwaffen?
Bombige Sache
Hunderte Tonnen Nuklearmaterial müssen vernichtet werden. Der technisch mögliche Einsatz in Reaktoren ist jedoch umstritten.
Auf das Stichwort Bombe reagierten die Exponenten der bundesdeutschen Nuklearwirtschaft schon immer sehr gereizt. Gar zu oft unterstellten ihnen Kernkraftgegner und Mitglieder von Friedensbewegungen, sie leisteten mit dem Bau ihrer Stromfabriken der Verbreitung von Atomwaffen-Technologie Vorschub.
Neuerdings finden sich die einst argwöhnisch beäugten Nuklearspezialisten in einer ganz anderen Rolle wieder: Im Zuge der Abrüstung sollen sie mit ihrem Know-how dazu beitragen, mit Uran und Plutonium bestückte Sprengköpfe unschädlich zu machen. Mit der an sich bestechenden Idee, den Bombenstoff in kommerziellen Reaktoren zur Stromerzeugung zu nutzen, „Abrüstung: Bombige Sache“ weiterlesen
Für das Ressort Technik+Innovation recherchierte ich 1992 diesen Beitrag. Er erschien, von Ressortleiter Wolfgang Kempkens gekürzt und um eigene Informationen angereichert, unter dem Titel „Granaten für Mikroben“. Hier aus urheberrechtlichen Gründen mein Manuskript in der ursprünglichen Fassung. Der gedruckte Beitrag ist im gebührenpflichtigen Archiv der WiWo abrufbar.
MUNITIONSMÜLL: Fürs Recycling nicht geschaffen
Politischer Zündstoff
Unter höchstem Zeitdruck suchen Entsorgungsfachleute umweltschonende Techniken für eine brisante neue Aufgabe: Die explosive Erbmasse des Kalten Kriegs muß schnellstens unschädlich gemacht werden.
Namen sind manchmal nicht Omen, sondern die reinste Ironie. So heißt der Ort, an dem unter heftigem Getöse ein großer Teil der unerwünschten Hinterlassenschaften der Nationalen Volksarmee (NVA) aus der Welt geschafft wird, ausgerechnet Vogelgesang. Hier wiederholt sich tagtäglich ein Feuerwerk der Superlative, das dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) gehörig gegen den Strich geht. Zentnerweise jagen die Mitarbeiter der 1991 gegründeten Entsorgungs-Betriebsgesellschaft mbH Vogelgesang (EBV) überflüssiges Pulver aus Bomben und Granaten in die Luft – und setzen dabei unter anderem „große Mengen an Stickoxiden“ frei, wie BUND-Rüstungsexperte Michael Mehnert entrüstet konstatiert.
Der Abrüstungsbetrieb EBV, untergebracht auf dem weitläufigen Gelände des ehemaligen NVA-Munitionslagers Elsnig bei Torgau an der Elbe, ist nur eine der Zielscheiben von Mehnerts Kritik. Die für das Entschärfen von Blindgängern zuständigen Bombenräumkommandos der Bundesländer stehen ebenso in der Schußlinie wie ein Betrieb im niedersächsischen Wendland – jener Region, deren Bewohner seit ihren Protesten gegen den Bau einer Atommüll-Lagerstätte in Gorleben einen gewissen Ruf der Aufmüpfigkeit genießen. „MUNITIONSMÜLL: Politischer Zündstoff“ weiterlesen
Was waren wir doch alle ungerecht. Jahrelang haben wir die gute alte Bundespost in übelster Weise beschimpft, nur weil sie uns vorschreiben wollte, welches Telefon wir uns ins Wohnzimmer stellen dürfen, weil die Briefkästen zu selten geleert wurden oder weil mit unseren ach so hohen Fernmeldegebühren immerzu Löcher im Staatssäckel gestopft wurden.
Dann beschloß die Bundesregierung, uns unserer Vorurteile zu berauben. Ausgestattet mit ungeahnten unternehmerischen Freiheiten sollten industrieerprobte Manager beweisen, zu welchen Leistungen ein bundeseigener Betrieb fähig ist.
Am augenfälligsten äußert sich das Modernisierungstalent der deregulierten Postler in den Telefonzellen. Nicht nur, daß das auf Corporate Identity bedachte Management die gelben Häuschen gerne weiß lackieren und mit einem Dekorstreifen in exklusivem Telekom-Pink verzieren möchte. In einem wahrhaft atemberaubenden Tempo, das man dem Noch-Monopolisten kaum zugetraut hätte, überzieht das Postunternehmen die Republik mit modernsten und zudem noch eleganten Kartentelefonen. Da kann unsereins doch gar nicht mehr anders, als ein Loblieb auf die Telekom anzustimmen: nie mehr nach Kleingeld kramen, endlich auch Gespräche von unterwegs von der Steuer absetzen, dazu ein Naturalrabatt von 20 Prozent als Dank der Telekom dafür, daß man ihr ein zinsloses Darlehen in Höhe von 50 Mark gewährt.
So weit die Theorie. Nun zur Praxis. Tatort: München, ein U-Bahn-Fußgängergeschoß, zwei Telefone, davon eins für die besagten Chipkarten. Der Teilnehmer schiebt sein postalisches Plastikgeld ein, Restguthaben: 30 Mark. Doch der Automat hat keinen Appetit: „Karte ungültig“. Beim Münzapparat nebenan fallen natürlich die Groschen durch. U-Bahn-Fahrt zur nächsten Station, Versuch Nummer zwei: „Karte ungültig.“
Dritter Anlauf, diesmal unter dem Marienplatz, im Revier der gefürchteten Wegelagerer. Wie die Hyänen lauern diese aufdringlichen Spekulanten harmlosen Karteninhabern auf – ein Entrinnen gibt es nur, wenn man den angeblichen Philatelisten ein Exemplar vorweisen kann, das aus einer für Sammler uninteressanten Massenserie stammt. Unser telefonierwütiger Zeitgenosse hat Glück, wartet eine Viertelstunde, bis ein Apparat frei wird, und siehe da: Die Karte ist ja gar nicht ungültig. Erst am folgenden Tag gibt sie den Geist für immer auf.
Vier Wochen nach dem Erstattungsantrag liegt ein Gutschein im Briefkasten: Das Restguthaben kann im Postamt abgeholt werden, wobei der „Rabatt von 10 DM bei dem zu erstattenden Betrag berücksichtigt“ – sprich abgezogen – wird. „Eine Erstattung auf Postgiro- oder Bankkonto ist leider nicht möglich.“ Natürlich nicht: Was hat schließlich die deregulierte Telekom noch mit der deregulierten Postbank zu schaffen? Außerdem würden solche Bequemlichkeiten ja nur noch mehr Menschen dazu verleiten, Erstattungsanträge zu stellen, statt die Karte einfach wegzuschmeißen.
Inzwischen trägt unser Freund seine unwiderruflich letzte Telefonkarte in der Brieftasche – hat er geschenkt bekommen, sehr hübsch, Sondermodell „Team Olympia ’92“. Vorsorglich hat er nach jedem Gespräch pfenniggenau den Restwert notiert. Gestern war mal wieder die „Karte ungültig“. Jetzt reicht’s ihm – morgen fährt er zum Marienplatz, zu den Sammlern. Den Erlös wird er gleich in Markstücke und Groschen wechseln: Seitdem die Telekom Monat für Monat 1,5 Millionen Chipkarten unters Volk bringt, muß man an den guten alten Münzfernsprechern überhaupt nicht mehr warten.
Das dritte und letzte highTech-Special der WiWo vor der Cebit 1992 drehte sich um Telekommunikation. Während das Multimedia-Special Zukunftsträchtiges behandelte, fand sich hier höchst Vergängliches. Wer kennt heute noch Temex, den Telemetrie-Dienst der Telekom? Und wer braucht noch Kartentelefone? Naja, die waren damals schon reif für eine Glosse.
Die Telekom mustert ihren Überwachungsservice aus. Viele Investoren fühlen sich verschaukelt.
Es war wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Ausgerechnet die Fernmeldesparte der Deutschen Bundespost, sonst immer gescholten wegen ihrer stattlichen Gebühren, beglückte den Markt mit einer neuen Technologie, deren größter Vorzug – mit läppischen sechs Mark Grundgebühr pro Monat – ihre extrem günstige wirtschaftliche Nutzung war. Noch dazu sollte Temex (Telemetry Exchange), so der Name der postalischen Innovation, zu einem Musterbeispiel an Vielseitigkeit werden: Temex als allzeit bereiter Nachtwächter und Parkplatzanweiser, Temex als Stromableser und Umweltschützer, Temex als Schutzengel für kranke Menschen.
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