Freischreiber wollen antiquiertes Urheberrecht behalten

Zugegeben: Die Überschrift dieses Blogposts ist provokant. Wie sehr sich die Adressaten provoziert fühlen, haben sie gestern auf Twitter gezeigt. Denn dieser Text war im Entwurf eigentlich fertig (und zu lang). Ich wollte ihn noch von jemandem mit juristischem Background gegenlesen lassen und hatte ihn deshalb mit Passwort geschützt. Nur die Überschrift war bereits zu sehen. Schon diese brachte den/die Twitterer/in vom Dienst so aus dem Häuschen, dass er/sie einen Screenshot davon online stellte. Nun ja. 

Wieso behaupte ich, der Berufsverband freier Journalisten wolle ein antiquiertes Urheberrecht behalten? Es ist der logische Schluss aus der Tatsache, dass die Freischreiber für diesen Samstag zur Teilnahme an einer Demonstration aufgerufen haben, die das Ziel hat, die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie in toto zu verhindern. Und als antiquiert galt das in dem Fall weiter gültige jetzige Recht ja schon vor Beginn des Reformprozesses von fünf Jahren; das war so ziemlich das Einzige, worin sich alle Beteiligten einig waren. Ergo: Wer das Neue ablehnt, will das Alte behalten – auch wenn er das dann nicht hören mag.

Primär richtet sich der Protest am 2. März gegen den von Youtubern aus Unkenntnis (!) gefürchteten und von Musikschaffenden heiß ersehnten Artikel 13, der Google und Facebook zwingen würde, Urheber wie Komponisten, Textdichter, Fotografen und Karikaturisten an den Gewinnen von Plattformen wie YouTube und Instagram fair zu beteiligen (siehe unten). Die Freischreiber stört vor allem Artikel 12, der es dem deutschen Gesetzgeber erlauben würde, eine Verlegerbeteiligung an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften zu gestatten. Beide Artikel liegen seit dem 16. Februar in einer finalen Beschlussvorlage vor, die aus Sicht aller anderen Urheberverbände nicht optimal ist, aber akzeptabel. Nachverhandlungen sind jetzt nicht mehr möglich, denn der Trilog ist ja beendet. Daher kann das Parlament dem mühsam errungenen Kompromiss jetzt nur noch in Gänze zustimmen oder ihn in Gänze verwerfen.

Platzt der Kompromiss, wie die Freischreiber es wollen, wären auch Verbesserungen beim Urhebervertragsrecht perdu (Artikel -14, 14, 15 und 16, mehr dazu bei Markus Hassold / PDF ab S. 18 ), an dem für Journalisten weitaus mehr hängt als an den Tantiemen-Ausschüttungen aus der Wahrnehmung von Zweitnutzungsrechten. Und es wäre naiv zu erwarten, dass das nächste Parlament mit der nächsten Kommission und dem dann amtierenden Rat rasch einen neuen Anlauf starten würde, mit dessen Resultat dann alle glücklich sind. Sollte die Richtlinie jetzt kippen, wird sich in Brüssel und Straßburg so schnell niemand mehr die Finger am Urheberrecht verbrennen wollen. Deshalb ist die überwältigende Mehrheit der deutschen Berufsverbände von Urhebern und aufführenden Künstlern  für die Verabschiedung des ausgehandelten Kompromisses.

Damit sich alle Interessierten (incl. Freischreiber-Mitglieder) ein eigenes Bild davon machen können, welche Urheberorganisationen, Autorenverbände, Gewerkschaften, Künstlervertretungen FÜR die Richtlinie sind und warum, habe ich die Liste der Mitglieder der Initiative Urheberrecht hierherkopiert. Klickt auf die Logos und informiert Euch, wie die Angehörigen verschiedener Kreativberufe die Sache sehen. Lest Statements, fragt die Aktiven, streitet Euch meinetwegen mit ihnen, aber hört ihnen zu und haut ihnen keine Zitate der üblichen Verdächtigen um die Ohren, denn die haben sie schon x-mal gehört.

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Zum Sechzigsten: VG Wort für Dummies

Eines muss ich unserer Konkurrenz von den Freischreibern lassen: Sie haben 2016 (besser spät als nie) begriffen, dass sich eine Autorenvereinigung in Deutschland für die VG Wort interessieren muss, also für die Verwertungsgesellschaft, die Jahr für Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer verteilt. Viele Aktive bei uns im DJV haben das ebenfalls begriffen. Allerdings kann man auch Mitglied eines Landesvorstandes sein, wenn man das noch nicht verstanden hat. Glücklicherweise ist es eine Minderheit, die dem Missverständnis unterliegt, es handle sich um eine „fremde Organisation“. Ist die VG Wort einem Journalisten fremd, darf, nein, sollte er den Fehler bei sich selbst suchen.

Selbst unter denen, die wissen, dass dieser seltsame „rechtsfähige Verein kraft Verleihung“ irgendwie wichtig ist für die Mitglieder der eigenen Organisation, kommen freilich eklatante Missverständnisse darüber vor, wer warum wieviel Geld von ihm bekommt und wie der Laden überhaupt funktioniert. Dieses Phänomen ist auch bei anderen Autorenvereinigungen anzutreffen.

Deshalb erkläre ich es anlässlich des diese Woche anstehenden 60. Jubiläums der VG Wort und ihrer anschließenden Mitgliederversammlung noch einmal – quasi ein „VG Wort für Dummies“:

Die VG Wort ist eine Urheberorganisation, die komplementär ist zum Berufsverband bzw. der Gewerkschaft. Was sie für uns tut, können DJV, DJU in ver.di und Freischreiber nicht leisten. Während DJV und DJU für uns versuchen, höhere Gehälter und Mindesthonorare mit den Arbeit- und Auftraggebern auszuhandeln, verhandelt die VG Wort mit den Unternehmen und Institutionen, die laut Urheberrecht etwas für die Zweitverwertung unserer Texte bezahlen müssen. „Zum Sechzigsten: VG Wort für Dummies“ weiterlesen

Der Zucht-Perlentaucher oder: Kontrollieren Verleger wirklich die VG Wort?

Es ist an der Zeit, sich mal wieder über das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Autoren und Verlegern zu unterhalten – ganz im Allgemeinen, aber auch über konkrete Vertreter beider Berufe: den Urheber Martin Vogel und den Rechteverwerter Thierry Chervel, Gründer der Online-Verlags Perlentaucher GmbH, der das Kulturportal perlentaucher.de betreibt.

Nein, möchte ich nicht.

Wer sich ein wenig mit dem Schmuck-Markt auskennt, weiß, dass es drei Sorten von Perlen gibt: natürlich gewachsene Perlen, Zuchtperlen und Kunstperlen. Das zur Metapher gewordene Wort Perlentaucher, also die gediegene Alternative zum leicht anrüchigen Trüffelschwein, bezeichnet jene Menschen, die uns die erste und ursprüngliche Variante bescherten. Sie tauchten hinab zu den Muschelbänken und holten die Austern an die Oberfläche, um an die verborgenen Schätze  zu gelangen. Sie taten aber nichts dafür, dass die Perlen wuchsen. Sie ernteten, was sie nicht gesät hatten. Sie investierten nichts weiter als ihre Arbeitszeit, nahmen aber ein großes Risiko auf sich, zu ertrinken oder zur Beute für Haie zu werden.

In der Wikipedia finden wir diesen fast ausgestorbenen Beruf nicht einmal auf einer „disambiguation„-Seite, auf der Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung auseinandersortiert werden. Der Suchbegriff „Perlentaucher“ führt exklusiv zum gleichnamigen Online-Kulturportal  des französischen Berliners Thierry Chervel, während die Namensgeber unter „Perlenfischer“ zu finden sind, als hätte die Tätigkeit irgendetwas mit Fischen zu tun, mit Netzen und Angelruten. „Der Zucht-Perlentaucher oder: Kontrollieren Verleger wirklich die VG Wort?“ weiterlesen

Metis: Jetzt die fairen „Verleger“ beteiligen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die VG Wort hat soeben die Ausschüttung der Online-Tantiemen (METIS) für 2016 gestartet. In den nächsten Tagen kommt Geld auf unsere Konten. Aber soweit es sich um per Zählpixel erfasste Texte handelt, überweist die VG Wort erst einmal 60 Prozent des fälligen Gesamtbetrags – also den bisherigen Autorenanteil – als Abschlagszahlung. (Die sogenannte Sonderausschüttung ist abgeschlossen.)

Was mit dem Anteil geschieht, der früher dem Betreiber („Verleger“) der jeweiligen Website zustand, müssen wir jetzt entscheiden. Dies ist zwar umfänglich, aber auch etwas umständlich im Begleitschreiben des Vorstands zur Ausschüttungsmitteilung beschrieben. Deshalb hier noch mal das Wichtigste als FAQ:

Was passiert, wenn ich nichts tue?

Dann bekommt der Website-Betreiber von der VG Wort kein Geld. Statt dessen bekommen Sie auch den zurückbehaltenen Rest. 

Warum sollte ich überlegen, ob ich dem Website-„Verleger“ nicht doch einen Anteil (meist 30 %) zugestehe?

Die Betreiber sind nicht verpflichtet, Zählpixel in die Texte einzubauen. Wer es auf freiwilliger Basis tut, hat aber Kosten. Daher besteht die Gefahr, dass Verleger aus METIS aussteigen. „Metis: Jetzt die fairen „Verleger“ beteiligen“ weiterlesen

VG Wort: Zustimmung zur Verlagsbeteiligung betrifft noch nicht Online

Bevor mich jemand fragt und ich es jedem einzeln erkläre: In den Briefen zur Hauptausschüttung 2017 der VG Wort, die gerade in der Post waren, geht es auch um die Zustimmung zur Verlegerbeteiligung und ein dazugehöriges Merkblatt, das Sie hier finden. (Ich weiß, liebe Freischreiber, alle Verleger sind böse und uns stehen dank St. Martin Vogel volle 100 Prozent zu und niemand soll so blöd sein, diesen Aasgeiern, die aus unseren Hirnschalen Schampus saufen, auch nur einen Cent abzutreten. Zufrieden?)

Also: Wer der unpopulären Ansicht ist, dass sein Verleger ihn immer fair behandelt und in Nöte geraten würde, wenn er kein Geld mehr von der VG Wort bekommt, kann ab sofort über das Meldeportal T.O.M. die früher üblichen 30 Prozent freigeben. Er bekommt dann keinen Nachschlag zu dem Abschlag, der jetzt ausgezahlt wurde. Im Normalfall werden es kleinere oder mittlere Buchverlage sein, denen diese Regelung zugute kommt.

Wer dagegen für Tageszeitungen und Illustrierte schreibt, braucht jetzt nichts zu tun. Die haben bisher schon nichts bekommen, und es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern, solange sie das Geld nicht (wie früher) in die Journalisten-Aus- und -fortbildung investieren. Im weiten Feld der Fachzeitschriften kommt es ganz auf den Einzelfall an.

ACHTUNG:

Im Moment geht es NUR um die laufende Hauptausschüttung, NICHT um die per METIS erfassten Online-Texte. Diese werden erst im Herbst abgerechnet.

Da das zwei getrennte Vorgänge sind, muss jeder dann erneut entscheiden, ob er 30 Prozent abtreten möchte. Ich empfehle dringend, bei der METIS-Ausschüttung den Website-Betreiber (Verlag) zu beteiligen – und zwar nicht, weil ich ein großes Herz für Verleger hätte, sondern aus purem Eigennutz. Mit den 30 Prozent, die im neuen Verteilungsplan stehen, haben wir den Anteil bei journalistischen Texten ja schon kräftig abgespeckt: Die Verlage bekommen im für sie besten Fall ein Viertel weniger als bisher. Dennoch haben wir es geschafft, sie nach dem „Vogel-Urteil“ im METIS-Boot zu halten. Wir dürfen nicht vergessen: Die Administration der Zählpixel verursacht in den Verlagen Kosten. Sie verpixeln unsere Texte freiwillig; das Gesetz zwingt sie nicht dazu. Das war der Grund, weshalb wir vor zehn Jahren überhaupt Speck für Verlegermäuse auslegen mussten. Das Gesetz hat sich auch „nach Vogel“ in diesem Punkt nicht geändert.

Sollten die Verlagsleiter oder Online-Chefs im Herbst sehen, dass kaum ein Autor auf „seinen“ Verlagsanteil verzichtet, wird ihre Motivation, weiter mitzumachen, nicht gerade gefördert. Jeder Autor kann natürlich auf gut Schwäbisch sagen: „Mir gäbet nix.“ Aber dann darf er sich nicht beklagen, wenn er hinterher die vollen 100 Prozent von gar nichts erhält – wenn nämlich sein Auftraggeber bockt und keine Zählpixel mehr setzt. Die einst als Notlösung eingeführte Sonderausschüttung kann nicht ersetzen, was uns dann wegbricht. Jedenfalls nicht bei denjenigen, deren Texte viel geklickt werden.

Kurz gesagt: Wer bei Online die Abtretung verweigert, könnte nicht nur sich selbst ins eigene Fleisch schneiden, sondern auch ins Fleisch der Kollegen.

Also merkt Euch mal den Stichtag 30.9. vor und bewegt meine Worte in Euren Herzen. Bis Ende Oktober ist dann Zeit, sich zu entscheiden.