Artikel 13 für Dummies

Wer diese Seite liest, hat wahrscheinlich einen Link auf Facebook oder Twitter angeklickt und möchte wissen, was es mit den drei furchtbar schrecklichen Artikeln der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt auf sich hat. Hier geht es um den meistgefürchteten, den Artikel 13, dort um Artikel 11 und unter diesem Link um Artikel 12.

Was nicht drinsteht: Upload-Filter.

Worum es nicht geht: Upload-Filter.

Worum es nicht geht: Nutzungen zu blockieren oder zu verhindern.

Worum es nicht geht: Zensur, Einschränkung der Meinungsfreiheit oder irgendeine Vorab-Kontrolle der hochgeladenen Inhalte.

Worum es nicht geht: Foren, Foto-Communities, Bildungsangebote oder irgendwelche nicht-kommerziellen Websites, auf denen User eigene Beiträge hochladen können.

Worum es nicht geht: Unmögliches oder Unzumutbares von Betreibern kleinerer und nicht-kommerzieller Plattformen zu verlangen.

Worum es geht: Uploads zu erlauben, ohne dass der Uploader Abmahnbriefe befürchten muss.

Worum es geht: für Urheberrechtsverletzungen nicht mehr kleine Uploader haftbar zu machen, sondern große Plattform-Konzerne, die dank der Arbeit andere Leute Milliarden verdienen.

Wie das grundsätzlich geht: mit Lizenzgebühren, die große Plattformen an Verwertungsgesellschaften bezahlen sollen, die sie wiederum an Urheber ausschütten.

Wie das konkret funktionieren soll: Eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA handelt mit einer Plattform wie YouTube (Google-Konzern) die Höhe der Lizenzgebühr aus und sorgt dafür, dass die GEMA-Mitglieder einen fairen Anteil an den Werbegeldern erhalten, die YouTube ja nur deshalb bekommt, weil Leute wie Du und ich etwas uploaden.

Warum alle von Upload-Filtern reden und vor ihnen Angst haben: Einfache Antwort: Weil diese Angst von interessierten Kreisen gezielt geschürt wurde. Ausführlichere Antwort: Weil es irgendein Druckmittel gegenüber Plattformen geben muss, die sich um ihre Pflicht drücken wollen, für Lizenzen Geld auszugeben. Rein theoretisch könnte eine Plattform versuchen, sich mit Hilfe von Software, die während des Uploads in die Inhalte hineinschaut, aus ihrer Verantwortung dafür zu stehlen, dass keine Urheberrechte verletzt werden. Facebook verwendet eine vergleichbare Technik seit Jahren, ohne dass irgendein Gesetzgeber das gefordert hätte, um seine Nutzer vor dem schockierenden Anblick nackter Brüste zu schützen (Stichwort: Nudity Filter oder Nipple Filter). Eine solche inhaltliche Überprüfung der Uploads ist aber ausdrücklich nicht Ziel, Sinn und Zweck der Richtlinie, im Gegenteil: Wer meint, solche Scan-Bots zur Verhinderung vermeintlicher Urheberrechtsverstöße einsetzen zu müssen, wird verpflichtet, dafür dem Uploader gegenüber geradezustehen. Dann muss ein Mensch aus Fleisch und Blut sich die hochgeladene Datei ansehen und prüfen, ob der Bot Bockmist gebaut hat. Entscheidet der Angestellte der Plattform ungerechtfertigt gegen den Nutzer, trägt die Plattform das Risiko, vom Uploader verklagt und öffentlich angeprangert zu werden.

Was statt Upload-Filtern wirklich kommen wird: Grundsätzlich deckt eine Pauschallizenz, die eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA gegen angemessene Gebühr einem Plattformbetreiber erteilt, alle geschützten Werke ab, sogar solche aus dem Ausland, denn dazu gibt es so genannte Gegenseitigkeitsverträge mit dortigen Verwertungsgesellschaften. Die Richtlinie erlaubt Inhabern von Urheber- oder Nutzungsrechten allerdings, so eine Nutzung zu untersagen. Hierzu müssen sie Informationen bereitstellen, die eine Erkennung ihrer Werke ermöglichen. Außerdem ist es Sinn des Urheberrechts, Einnahmen möglichst fair an die Schöpfer der Werke zu verteilen, so dass es wünschenswert ist, die Zugriffe zu zählen und diesen Zählerstand dem Komponisten (nicht dem User oder Uploader!) zuzuordnen. Die einfachste Möglichkeit sind digitale Wasserzeichen bei Fotos oder digitale Merkmale, wie sie Musikerkennungs-Apps nutzen. Wer Shazam oder Soundhound auf dem Handy hat, weiß, dass einige Sekunden „Zuhören“ reichen, um einen Song zu identifizieren. Mit anderen Worten: Die nationalen Gesetzgeber werden die Richtlinie wohl so umsetzen, dass eine automatische Identifikation derjenigen Songs, Filmen oder Fotos gestattet wird, zu denen die Rechteinhaber Erkennungsmerkmale bereitgestellt haben. Umkehrschluss: Kreative, die etwas Eigenes hochladen, können dies völlig ungehindert tun. 

Warum die Meinungsfreiheit nicht bedroht ist: Schaut man die Argumentation derer genauer an, die den Teufel namens Zensur an die Wand malen, fällt auf, dass sich diese Leute fast ausschließlich auf Szenarien beziehen, in denen sie in irgendeiner Form Werke von Anderen verwursten. Die Richtlinie erlaubt ausdrücklich Parodien und sogar Pastiches, also etwa das Nachmalen bekannter Comicfiguren wie Micky Maus oder Asterix. Sie schränkt auch das seit jeher geregelte Zitatrecht in keiner Weise ein. Wer also seine selbstgemachte kleine heuteShow auf YouTube stellen will, ist völlig auf der sicheren Seite und bekommt durch Artikel 13 sogar das verbriefte Recht, dass das veröffentlicht wird (solange es nicht gerade gegen das Strafrecht verstößt, also etwa Menschen beleidigt oder gar das Volk verhetzt). Außerdem kann jeder in seinem eigenen YouTube-Kanal immer noch alles sagen, was er möchte, solange er es nicht mit Musik hinterlegt, deren Urheber solche Nutzungen untersagt hat. Und dass Urheber in bestimmten Fällen ein Vetorecht brauchen, dürfte schwer wegzudiskutieren sein. Ein Liedermacher, der sich gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt, muss sich nicht bieten lassen, von einem AfD-nahen Kotzbrocken vor dessen Karren gespannt zu werden.

Weshalb die Angst vor Zensur Quatsch ist: Die Richtlinie ist, wie jede EU-Richtlinie, eine Rahmenvorgabe für die nationalen Gesetzgeber. Jegliche Form von staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Meinungsäußerung widerspricht den Grundsätzen der EU. Deshalb hat zum Beispiel Ungarn unter seinem zunehmend despotisch agierenden Regierungschef Viktor Orbán ständig Ärger mit der EU-Kommission. Das deutsche Grundgesetz erlaubt keinerlei Zensur, und das Urheberrechtsgesetz, das an die Richtlinie angepasst werden muss, bietet schon gar keine Basis für solche Eingriffe. Selbst wenn man dem Staat die bösesten Absichten unterstellte – wie man das von AfD-Leuten kennt, die sich um ihr Recht auf freie Hassrede sorgen – wäre eine auf Plattformen beschränkte Rechtsvorschrift sinnlos. In privaten Blogs könnte immer noch jeder jeden noch so großen Mist verzapfen. Merke: Wenn ein Staat wirklich Meinungen unterdrücken will, setzt er nicht beim Urheberrecht an oder schützt dieses auch nur vor. Wer es nicht glaubt, schaue in die Türkei oder nach China.

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6 Antworten auf „Artikel 13 für Dummies“

  1. Mal ein paar Zitate aus dem Artikel, die mich stören:

    Beispiel 1:
    „Worum es nicht geht: Zensur, Einschränkung der Meinungsfreiheit oder irgendeine Vorab-Kontrolle der hochgeladenen Inhalte.“

    „Rein theoretisch könnte eine Plattform versuchen, sich mit Hilfe von Software, die während des Uploads in die Inhalte hineinschaut, aus ihrer Verantwortung dafür zu stehlen, dass keine Urheberrechte verletzt werden.“

    Der Artikel widerspricht sich hier selbst. Klar steht im Gesetzestext nicht: Youtube oder Facebook (oder sonst jede kommerzielle Plattform mit Upload-Funktion) MUSS Uploadfilter verwenden. Aber wenn die Plattform keine Lust hat sich um die Lizenzen zu bemühen oder eben wie bisher kein Vertrag mit den Verwertungsgesellschaften zustande kommt dann ist dies die einzige Alternative. Warum das nicht ganz unwahrscheinlich ist siehe unten.

    Beispiel2:
    „Worum es nicht geht: Unmögliches oder Unzumutbares von Betreibern kleinerer und nicht-kommerzieller Plattformen zu verlangen.“

    Werbung wird benötigt um auch das noch so kleine Forum zu betreiben. Irgendwer muss ja die ganzen SSL Verschlüsselungen bezahlen die man seit der DSGVO umbedingt benötigt um über Tierfotos zu diskutieren. Damit is es eine kommerzielle Plattform.

    „Wie das konkret funktionieren soll: Eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA handelt mit einer Plattform wie YouTube (Google-Konzern) die Höhe der Lizenzgebühr aus und sorgt dafür, dass die GEMA-Mitglieder einen fairen Anteil an den Werbegeldern erhalten, die YouTube ja nur deshalb bekommt, weil Leute wie Du und ich etwas uploaden..“

    Meine Frage: Wieso hat die GEMA das bisher nicht sowieso schon gemacht? Sie ist immerhin zuständig dafür die Anliegen der Künstler gegenüber denjenigen die damit Geld verdienen zu vertreten. Konzertbetreiber müssen ja schließlich auch die GEMA-Gebühr abführen.
    Zudem sehe ich es kritisch das die GEMA (oder sonst eine Verwertungsgesellschaft) jetzt mit jeder noch so kleiner Plattform, die im Internet von Nutzern hochgeladenen Content bereit stellt eine Vereinbarung eingeht. Wie soll das konkret bewerkstelligt werden wenn die GEMA (o.ä.) bis jetzt nichtmal geschafft hat mit den Big Playern eine Regelung zu finden?

    Beispiel3:
    „Mit anderen Worten: Die nationalen Gesetzgeber werden die Richtlinie wohl so umsetzen, dass eine automatische Identifikation derjenigen Songs, Filmen oder Fotos gestattet wird, zu denen die Rechteinhaber Erkennungsmerkmale bereitgestellt haben.“

    Aha und auch hier wird wieder gefiltert obwohl dies ja nicht bestandteil des Gesetzestextes ist.
    Youtube oder Facebook sind sicher in der Lage Filter zu bauen die eine automatische Erkennung ermöglichen und das Urheberrecht durchsetzen. Aber wer soll die Referenzdateien speichern? Von jedem Foto was jemals geschossen wurde, jedem Song der irgendwo existiert, jedem Videoclip und jeder TV Aufzeichnung?!

    Ist Panik angesagt?

    Ich denke nicht, außerdem hat die EU gezeigt das selbst eine große aus der Panik entstandende Protestbewegung keinen Einfluss hat auf die Entscheidung einiger weniger Politiker hat die in einer Institution sitzen (EU Parlament) die es nichtmal schafft einen Livestream der Abstimmung aufrecht zu erhalten wenn ihn wirklich mal jemand schaut.

    Wird sich das Internet in den nächsten Jahren grundlegend ändern?

    Ich bin mir ziemlich sicher. Nach der DSGVO sind einige Blogs, die ich regelmäßig gelesen habe, aus dem Internet verschwunden weil die Betreiber die Regelungen nicht umsetzen konnten.

    Ich bin mir sicher das obwohl der Artikel etwas anderes sagt, die Urheberrechtsreform langfristig dafür sorgen wird das kleinere Plattformen und Foren verschwinden weil bei vielen Hobbybetreibern einfach keiner Lust hat einen teuren Uploadfilter zu bezahlen oder in Verhandlungen mit der GEMA zu treten.

    Wird es Lizenzverträge zwischen Youtube/Facebook und der GEMA geben?

    Ich kann es nur hoffen! Denn die Politik hat einfach mal gepokert das es so kommt. Was passiert wenn dem nicht so ist werden wir sehen wenn es so weit ist.

    Werde ich mich weiterhin gegen die entsprechenden Problemstellen der verabschiedeten Reform stark machen?

    Ja, denn ich glaube das es wichtig ist eine eigene Meinung zu haben. Auch wenn manche Politiker gerne hätten dass, das Thema möglichst schnell wieder unter den Tisch gekehrt und vergessen wird hoffe ich das viele gerade junge Menschen bei den nächsten Wahlen die Konsequenzen ziehen.

  2. Sie sagen, es ginge nicht um Uploadfilter; stattdessen werde es wahrscheinlich auf folgendes hinauslaufen:
    „Die nationalen Gesetzgeber werden die Richtlinie wohl so umsetzen, dass eine automatische Identifikation derjenigen Songs, Filmen oder Fotos gestattet wird, zu denen die Rechteinhaber Erkennungsmerkmale bereitgestellt haben. “
    Und was passiert, wenn so etwas indentifiziert wird? Wird es dann zum Hochladen zugelassen? Wohl kaum…

    Antwort UJF: Richtlinie lesen macht schlauer: Ein Rechteinhaber stellt dann (und nur dann) die zur Identifikation nötigen Informationen bereit, wenn er NICHT mit einer solchen Nutzung einverstanden ist, also folglich auf eine Vergütung im Rahmen der Pauschallizenz verzichtet. Dann wird selbstverständlich dieses Upload nicht freigeschaltet. Das ist aber die Ausnahme von der Regel.

    Ist das dann nicht genau ein Upload-Filter?

    Es ist nicht das, was dieser Begriff suggeriert und wie er verstanden wird. Filter heißt für mich, dass ein Algorithmus jede hochgeladene Datei inhaltlich scannt. Hier geht es um Metadaten. Es genau also andersrum: Der Uploader hat gegenüber der Plattform einen Anspruch auf Freischaltung, es sei denn, er lädt etwas Bestimmtes hoch, für das die Plattform trotz nachgewiesener Bemühungen keine Lizenz erwerben konnte. Es ist gerade nicht so, dass man nur etwas hochladen dürfte, bei dem man das ausdrücklich darf.

    Oder muss sich einfach jeder mal auf Verdacht das GEMA-Abo kaufen?

    Es gibt kein GEMA-Abo, das Sie fürs Netz kaufen könnten. Die Plattform muss einen Vertrag mit der GEMA schließen, Sie selbst zahlen keinen Cent.

    Können Sie mir weiterhin aus ihrer 35-jährigen Erfahrung im IT-Bereich erklären, wie ein Automatismus Parodie oder Satire erkennen soll?

    Das muss er gar nicht, weil die Richtlinie gerade KEINE inhaltliche Kontrolle verlangt und Parodie/Satire ausdrücklich erlaubt sind. Da Youtube und Facebook von sich aus (!) und schon lange (!) Inhalte auf bestimmte Merkmale scannen, kann es natürlich passieren, dass mal etwas moniert wird, das eigentlich erlaubt ist. Das verhindert man aber nicht, indem man die Richtlinie verhindert, im Gegenteil: Die Richtlinie zwingt die Gesetzgeber der Staaten, einen Rechtsanspruch auf Beschwerde und Überprüfung durch einen Menschen einzuführen. Man ist dann als Uploader nicht mehr der Willkür eines Facebook- oder YouTube-Mitarbeiters ausgesetzt, der womöglich in einem Billiglohnland sitzt und keine ausreichenden Sprachkenntnisse hat.

    Das ist mir mit meiner bescheidenen Erfahrung noch nicht ganz klar… Oder müssen die alle von Hand als einwandfrei klassifiziert werden?

    Wie gesagt: Nur die Fälle, in denen ein Urheber ausdrücklich einer Nutzung widersprochen hat, also wenn es bereits eine Take-Down-Notiz bezüglich des betreffenden Werks gegeben hat, müssen ggf. von einem Menschen angeschaut werden. Das sind dann nicht alle, sondern ganz wenige. Sinn von Artikel 13 (jetzt 15) ist ja der entgegensetzte Fall: dass genutzt und vergütet wird.

    Wie viele Videos werden auf YouTube noch einmal pro Sekunde hochgeladen. Selbst wenn nur ein Promille der Videos Satire wäre; wie viel wären das?

    Die Zahlen finden Sie im Netz, aber sie sind nicht relevant, da eben der Regelfall ist, dass das Upload durch die Plattformlizenz abgedeckt ist.

    Und gelten die Videos von Coldmirror z.B. als Parodie oder sind sie dafür nicht lustig genug?

    Kenne ich nicht, aber meine Meinung ist da auch nicht relevant. Die Plattformbetreiber werden sich darum zu kümmern haben, denn sie werden weder den Urhebern noch den Usern Grund geben wollen, vor Gericht zu gehen. Im Zweifel wird eher etwas Langweiliges als Satire durchgehen.

  3. Es gibt viele sehr gut recherchierte Meinungstexte im Netz, warum eine Urheberrechtsreform ebenso wichtig wie dringend ist und worin die guten Absichten von Artikeln wie 11 bis 13 bestehen. Dieser gehört aber nicht dazu, weil er die Gegenseite nicht ernst nimmt und von der technischen Hintergründe keine Ahnung zu haben scheint. Der Titel sagt schon alles, dazu die Reduzierung komplexer Sachverhalte auf wenige polemische Sätze. Ob das dem journalistischen Kodex gerecht wird, wage ich zu bezweifeln.

    Ich bin Drehbuchautor, Mitglied diverser Verbände und dennoch gegen Artikel 11 und 13, da meine zehn Jahre als Onlineredakteur mir etwas gelehrt haben: Gesetze, die in die Digitalgesellschaft eingreifen, müssen von und mit Menschen gemacht werden, die selbst Teil dieser Gesellschaft sind , (ansonsten passieren solche Unfälle wie die DSGVO).

    Die Erkenntnis, dass es eben doch nicht so schwarz-weiß ist, wie es dieser „Beitrag“ darstellt, kommt langsam auch bei der Politik an > https://edition.faz.net/faz-edition/wirtschaft/2019-03-13/83b8234fd3589a04423896b8a4281427/?GEPC=s3

    Niemand ist gegen einen zeitgemäßen, fairen Schutz von Urhebern und Urheberrechten. Nur haben viele der Kritiker von Artikel 11 und 13 bereits heute mit Content ID Systemen zu tun, die genau das umsetzen sollen, was Artikel 13 im EU-weiten Maßstab fordert. Nur erzeugen diese bereits heute ein Chaos aus Fehlern, Missverständnissen, Frust und Zensur sowohl bei Rechteinhabern, Plattformbetreibern UND Usern. Wir leben schon in der „Utopie“, die in Artikel 13 gefordert wird und es funktioniert schlicht und ergreifend nicht. Also müssen neue Vorschläge her. Und das braucht Zeit. Aber die letzten Monate haben gezeigt, wie vor allem die Politik sich weigert, sich diese Zeit zu nehmen, um die (eigentlich sehr überschaubaren, aber umso gravierenderen) Kritikpunkte an der Reform ernst zu nehmen, zu analysieren und gemeinsam zu beheben.

    1. Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass die Parlamentarier in Brüssel, die Ihrer Meinung sind, Teil einer anderen Gesellschaft sind als jene, die anderer Meinung sind, und dass die einen, wenn ich Sie richtig verstehe, zu einer digitalen Gesellschaft gehören und die anderen zu einer analogen? Demnach müsste ich, da ich für die Richtlinie bin, logischerweise Teil der analogen Gesellschaft sein und hätte nichts mitzureden, obwohl mich die Gesetze betreffen? Geht’s noch?
      Also, mein junger Freund: Ich bin zwar schon 60, habe aber die gesamte Entwicklung nicht nur des Internets, sondern auch der Computer für Jedermann (die anfangs noch Microcomputer hießen, später PC) aus nächster Nähe miterlebt. Seit 1984 schreibe ich als Fach-Wirtschaftsjournalist über diese Themen: Hardware, Software, Mikroelektronik, Telekommunikation (Mobilfunk, Internet, Breitbandausbau), IT-gestützte Geschäftsprozesse, Innovationsmanagement, Tech-Start-Ups, CIOs, E-Commerce, Datenschutz und Datensicherheit, Online Marketing, Software- und Musikpiraterie (Napster, Kazaa etc.), Social Media, Kryptowährungen, Fintechs, Digital Payment, Robotik, KI, Disruption, Kreative Zerstörung, Digitale Transformation. Und ich soll nicht beurteilen können, um was es hier geht? 
      Was den FAZ-Link angeht: Mit Hendrik Wieduwilt haben Sie sich den Autor herausgepickt, der sich einen Sport draus macht, die Gegner eines Urheberrechts, das seinen Namen verdient, zu pushen und alles zu ignorieren, was sonst in seiner eigenen Zeitung an klugen Dingen über das Thema zu lesen ist. Ich empfehle Ihnen, dem Feuilleton mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das erweitert den Horizont.

    2. @orlindo Frick: Uploadfilter finde ich auch problematisch, aber leider höre ich von denen, die sie so vehement ablehnen, keinen einzigen Vorschlag, wie man es besser machen könnte. Auch Ihr Beitrag ist weitgehend argumentationsfrei. Oder soll das ein Argument sein, dass Gesetze, die in die Digitalgesellschaft eingreifen, von und mit Menschen gemacht werden müssen, die selbst Teil dieser Gesellschaft sind? Also wer sich für eine Stärkung der Urheberrechte einsetzt, ist automatisch ein seniler Teil der analogen Gesellschaft? Sie sagen ja selbst, dass es hier nicht um Schwarz oder Weiß geht. Aber wenn Sie so tun als dürften ausschließlich die Power-User darüber entscheiden, was im Netz passieren soll, blenden Sie aus, dass es hier unterschiedliche Interessen gibt. Die müssen diskutiert werden, keine Frage. Aber um mal eine ebenso polemische Feststellung dagegenzusetzen: Wer einen Sumpf trocken legen will, darf nicht (nur) die Frösche darüber entscheiden lassen.

    3. Leider leben wir nicht in der Utopie, die Art. 13 fordert. Im Augenblick hat der Urheber keine Chance, an den Einnahmen, die YouTube und eventuell illegale Uploader urheberrechtlich geschützter Inhalte generieren, teilhaben zu können. Ich bin wie du Drehbuchautor, meine Filme stehen auf YouTube – und trotz massiver Versuche habe ich keine Möglichkeit, dafür bezahlt zu werden. Das wird die EU-Direktive ändern. Dann kann ich meine Rechte als Filmurheber und Urheber eines vorbestehenden Werkes (das schriftliche Drehbuch) in eine Verwertungsgesellschaft einbringen, die danach mit den Plattformbetreibern über einen Tarif verhandeln kann. Durch Artikel 9a kann sie das auch für Urheber, die nicht Mitglied dieser Verwertungsgesellschaft sind oder gar nichts von der Nutzung ihrer Werke wissen. Die Plattform ist rechtlich gecovert, weil sie die Lizenz hat, der Uploader rechtlich aus dem Schneider, weil die Verantwortung bei der Plattform liegt. Wo ist da ein Problem … vor allem wenn man bedenkt, dass genau auf diesen und anderen Plattformen in Zukunft unser Haupt-„Abspielfeld“ sein wird. Natürlich ist die Direktive nicht perfekt, ganz im Gegenteil, wichtige Dinge fehlen, wie z.B. das Recht auf eine Honorierung für jede Nutzung unserer Werke. Sie ist ein Kompromiss, an dem übrigens viele Internet-Spezialisten mitgearbeitet haben. Weißt du, dass alleine Microsoft Millionen Euro pro Jahr für ihr Lobby-Büro in Brüssel ausgibt? Das gleiche gilt für Facebook, Google usw.. Wir, auf Künstlerseite, waren dagegen immer nur ehrenamtlich und unbezahlt in Brüssel unterwegs und haben dieser geballten Finanz- und Knowhow-Macht nichts als unsere Werke und die moralische Verantwortung entgegenhalten können, dass der Künstler für die Nutzung seiner Arbeit bezahlt werden muss.
      Artikel 13 ist der Kern unserer Forderungen, besonders deiner Kollegen. Ihn einfach wegzuwischen (und damit eigentlich nur die Position von Youtube etc. zu stärken), weil irgendwelche Filter, die wir gar nicht wollen, die YouTube auch gar nicht einsetzen muss und die im Moment in manchen Fällen vielleicht irgendwelche Probleme machen, macht mich traurig und im Nachgang wütend. Wenn diese Direktive jetzt nicht durchkommt, wird es in den nächsten Jahren überhaupt keine mehr geben. Das Internet wird sich weiterentwickeln, Geschäftsmodelle werden ausgebaut werden und Standards werden sich weiter verfestigen – alles ohne uns und die geringste Chance, dass die Kreativen und Künstler irgendwann einmal für die Nutzung ihrer Arbeit im Internet bezahlt werden.

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