Piratensender Beckedahl

Anfang der Achtziger, vor der Zulassung des Privatrundfunks in Deutschland, gab es so genannte Piratensender. Sie kaperten Funkwellen und wurden von Werbetreibenden finanziert.

Als Piratensender einer neuen Art – nämlich als Haussender von Menschen mit piratistischer Gesinnung – präsentiert sich mehr denn je das Blog des Berliner Unternehmers Markus Beckedahl. Dieses heißt irreführenderweise netzpolitik.org, als handele es sich um eine NGO und nicht um das Hobby eines Mannes mit großem Sendungsbewusstsein, der sich anmaßt, für alle Menschen mit Netzanschluss zu sprechen.

Darüber, dass Beckedahl nicht an einem Diskurs mit anders Denkenden interessiert ist, braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Er hat sich einen Namen gemacht als über jeden Selbstzweifel erhabenes Alphatier. Seine Website ist und bleibt trotz des pseudo-überparteilichen Namens und putziger Spendenaufrufe* ein knallhartes, gelegentlich auch mäßig witziges Propagandainstrument, das gegen alles in Stellung gebracht wird, was nicht des Meisters Vorstellungen entspricht.

Deshalb haben Leute aus seiner Gefolgschaft wie der 34-jährige Nachwuchsprof „Leonido“ Dobusch (ein Doppelabsolvent in Jura und BWL, der sich gerne zu vermeintlichen Urheberrechtsthemen auslässt, dabei aber nichts als vergütungsfreie Nutzerrechte wie ein „Recht auf Remix“ im Sinn hat) Narrenfreiheit in Form eines Schreibzugangs. Im Selbstdarstellungsvideo der Netzpolitik-Crew erklärt Beckedahl, dass er Dobusch & Co. eine Bühne bietet – sprich: Sie erreichen über ihn die Zielgruppe ihrer Botschaften, er füllt mühelos seine Seiten und spart sich das Honorar für den Content.

Inzwischen begnügt sich Monsieur „Netzpolitik c’est moi“ aber nicht mehr damit, nur seine ganz persönlichen Wahrheiten zu verbreiten, die – trotz der Arbeit seiner Kommunikationsagentur newthinking für Gliederungen der Grünen – piratistisch geprägt sind. Er garniert die Seiten auch mit Eigenwerbebannern im Stil von Sixt-Reklame. Die Fotos dürfen aber nichts kosten – wozu gibt es CC-Lizenzen und Quellen wie den Wikimedia-Server?

Der Urheberhinweis wird mal vergessen…NP Ötti

…mal so angebracht, dass man nicht nur als Brillenträger nach der Bildschirmlupe für Sehbehinderte sucht:

NP GabiNP Gorny

So stieß ich zufällig auf einen Schüler, der seit 2012 stolz Fotos von Politikern für Wikime- und -pedia schießt – und damit nicht alleine ist. Das Gymnasium in Melle im Weserbergland am Teutoburger Wald/Wiehengebirge (danke für den Hinweis, Kai Schwirzke!) unterhält eine Foto-AG, deren Mitglieder im Auftrag der Wiki-Macher schon systematische Massenshootings von MdBs und MdEPs hingelegt haben.

Von den Machern eines Webportals, dem es wirklich darum geht, wie eine demokratische Gesellschaft das Netz vernünftig, fair und verantwortungsvoll nutzt, sollte man eigentlich erwarten dürfen, dass sie den Unterschied zwischen frei und free kennen – und nicht auch noch fördern, dass Pressefotografen das Wasser abgegraben wird, weil ein paar Studienräte einen Horizont haben, der vor dem Tellerrand endet. Wenn alles aus dem Web verdrängt wird, was nicht free ist, stirbt die Freiheit. Wenn niemand mehr von journalistischer Arbeit leben kann, haben PR-Strategen die Meinungshoheit im Netz. (Erwähnte ich, dass Markus Beckedahl Gesellschafter einer Agentur für Online-PR ist?)

Man sieht aber allein schon an der selbstverliebten Attitüde des Unternehmers und Amateurjournalisten Markus Beckedahl, wie wichtig gerade heute seriöse Medien sind, deren Verleger, Intendanten und Redakteure unterschiedliche Meinungen gelten lassen.

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* Es gibt zwar einen Verein, für den man spenden soll, aber hier steht Folgendes:

„Rechtlich steht die newthinking communications GmbH hinter netzpolitik.org, die von Markus Beckedahl mitgegründet wurde und wo er Teilhaber ist. …drei Redakteure sind … mit newthinking verbunden, indem sie dort angestellt sind.“

Der Verein ist auch gar nicht der Betreiber des Blogs:

V.i.S.d.P.

newthinking communications GmbH
Ust-IdNr. DE248480558
Markus Beckedahl
Schönhauser Allee 6/7
10119 Berlin

Gründungsgesellschafter Beckedahl hält 25,64 % der Anteile (niemand besitzt mehr als er), hatte aber noch 2012 Angst vor Transparenz. So steht im Jahresabschluss für 2011:

„Anwendung der Ausnahmeregelung nach § 286 Abs. 3 HGB

Auf die Aufstellung des Anteilsbesitzes wurde verzichtet, da diese Aufstellung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung dem Unternehmen einen erheblichen Nachteil zufügen kann.“

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