Irgendwie beruhigend: Google Earth & Co. zeigen nie die wahre Lage im Hier und Jetzt.
Neulich wollte meine Tochter zur Geburtstagsparty einer Freundin in einer Neubausiedlung irgendwo am Rand der Großen Kreisstadt Landsberg. Technikaffin, wie Gymnasiastinnen heute so sind, warf sie ihr Notebook an und rief den Stadtplan der städtischen Website auf. Kaum hatte sie den Straßennamen eingetippt, erschien ein gestochen scharfes Satellitenfoto. Merkwürdig war nur, dass die neue Siedlung darauf exakt so aussah wie die denkmalgeschützte Altstadt – und dass keine Straße den gesuchten Namen trug.
Nun hat man als Chauffeur vom Fahrdienst „Taxi Papa“ seine Erfahrungen mit elektronischen Wegweisern und checkt das lieber noch mal gegen. Und siehe da: Übereinstimmend zeigten Google Earth und Klicktel.de an, dass die Freundin doch nicht im Stadtkern haust, sondern … in einem Bauwagen?
So musste es sein, denn die E-Kartografen hatten die neue Straße, die in der eigenen Stadt noch keiner kannte, zwar schon vektorgrafisch erfasst. In ihrer „Hybrid-Ansicht“ aber er- schien die Fahrbahn nur als Projektion auf einer frisch planierten Kieswüste. In der realen Realität war der Bau der Siedlung freilich schon so lange abgeschlossen, dass in den Gärten alles grünte und blühte. Langsam dämmerte mir, dass die Geo-Informatiker uns Landeier nicht ganz so ernst nehmen wie etwa die Münchner, deren BMW-Welt kurz nach der Einweihung mit frischem Foto in voller Pracht aus der Adlerperspektive zu begoogeln war (Nachtrag: noch mit Baukran). Ich machte die Probe aufs Exempel: Zoom auf Kaufering, unser Stadtdorf mit knapp 10.000 Seelen. Das Haus unserer Bekannten, Anfang 2006 bezogen? Nicht mal eine Baugrube. Das Naturfreibad, 2004 eröffnet? Fehlanzeige. Schwenk zum Sportzentrum, vielleicht entdecke ich ja unseren Bürgermeister beim ersten Spatenstich zur neuen Trainingshalle anno 2001. Aber nein, nichts als grüne Wiese.
Zerstört ist meine Illusion, die Digital-Landkarten der Navis und Routenplaner seien Destillate aus Satellitenfotos. In Wahrheit eilen die Straßendaten dem Bild der Erde um Jahre voraus – was auch erklärt, wieso die Straßen in der Hybridansicht fast immer mitten durch die Vorgärten schnüren. Aber irgendwie ist es auch beruhigend, dass der digitale Globus weiße Flecken hat. Wir von den Datenhamstern Missachteten wissen ja, dass die provinzielle Wüste lebt.
Aus der Technology Review 12/2007, Kolumne FROITZELEIEN
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