Gutes Klima für Wettertainment

Dass viele Bürger Wetter und Klima nicht mehr als gottgegeben erdulden, hat viel mit einem Wandel in den Medien zu tun – mit der erfolgreichen Popularisierung und Kommerzialisierung des Wissenschaftsthemas Meteorologie.

»Alle reden übers Wetter. Wir nicht«, warb die Bahn vor Jahren – und beschrieb damit auch sehr treffend die damaligen Medienformate der Meteorologen: Es konnte schütten, stürmen, schneien oder hageln, der Wetterbericht war und blieb knochentrocken. Er kam so abstrakt daher wie eine wissenschaftliche Abhandlung, ganz egal, ob das Publikum nur Bahnhof verstand. Zeitungen und Fernsehsender traktierten ihre Zuschauer und Leser mit Isobaren (also Linien gleichen Luftdrucks), Isothermen (Linien gleicher Temperatur), die eine Landkarte zur unübersichtlichen Wetterkarte machten. Amtlich-ernste Nachrichtensprecher verschreckten die Hörer mit Martialischem wie »Frontensystemen« und »Niederschlägen«. Bestenfalls langweilten die Sendeanstalten die »Teilnehmer« mit Segelflug-Wetterberichten oder mit Wasserstandsmeldungen, die meist nur ein Häuflein Binnenschiffer tangierten. Kurzum: Die Kommunikation des Themas Wetter verfehlte die Zielgruppe »normale Menschen«.

So war es vor 20 Jahren. Seither hat sich die mediale Großwetterlage über Deutschland komplett gedreht. »Tiefdruckrinnen«, »Niederschlagsgebiete« und »zunehmende Bewölkungsdichte« sind weitgehend aus den Programmen verbannt, heute reden wirklich alle über das Wetter. Und nie boten die Medien mehr Raum dafür. Vor dem Zubettgehen warnen Meteorologen in heute-Journal (eher spröde) und Tagesthemen (eher sprudelnd) vor Straßenglätte, Schneechaos, Nebel und Orkanen. Morgens muss kein Hörer länger als eine Viertelstunde warten, bis ihm »Wettermän« oder Wetterfee verraten, ob die TV-Kollegen wirklich Recht hatten und was heute anzuziehen sei. Normalverbraucher, die einst über die unzuverlässigen Prognosen moserten, packen mit an und tragen ihre amateur-meteorologischen Beobachtungen in die Öffentlichkeit: Eine Radiostation nach der anderen baut ihr eigenes Netz von eifrigen »Wettermeldern« auf, die ihrer Leib-und-Magen-Welle mitteilen, was Petrus vor ihrer Haustür gerade veranstaltet. Und wem das nicht reicht, der studiert das Wettergeschehen auf einer halben Vierfarb-Zeitungsseite oder zieht ein Online-Weather-Widget auf den Desktop seines PCs, um die stundenaktuellen Ist-Daten und Vorhersagen für seinen Ort stets im Blick zu haben.

Der Boom des Themas Wetter in den deutschsprachigen Medien wäre freilich nicht vorstellbar ohne die kleine Revolution, die ein junger Quereinsteiger aus Schaffhausen Ende der 80er Jahre angezettelt hat – nicht durch verbesserte Prognose-Methoden, sondern durch sein Kommunikationstalent. »Jörg Kachelmann hat damals nichts anderes gemacht, als die Wortwahl zu ändern«, sagt Sven Plöger, Diplom-Meteorologe in Diensten von Kachelmanns Firma Meteomedia AG, »so als würde ein normaler Mensch seiner Oma erzählen, wie das Wetter wird.« Der Schweizer wurde zum Trendsetter, indem er konsequent da anfing, wo der Deutsche Wetterdienst (DWD) und die heute-Redaktion des ZDF zögernd stehen geblieben waren – bei der Personalisierung der Wetterpräsentation nach amerikanischem Vorbild. Das, wofür der Name Meteo- media heute steht, ein Netz von privaten Mess-Stationen von Hiddensee bis Funtensee, kam erst viel später hinzu. Innovationen wie der »Tagesthemen-Strömungsfilm« oder der Langzeittrend waren nicht einmal am Horizont erkennbar.

Die altgedienten Wetterbeamten rümpften über den Stil des Außenseiters – mit vorsätzlich unfachmännischen Formulierungen wie »Blumenkohlwolken« statt »Cumulus« – ebenso die Nase wie über seine Vita. Aus akademischer Sicht ist Kachelmann kein Meteorologe, sondern Journalist – mit leidenschaftlichem Interesse an der »Lehre von den Himmelsphänomenen« (so die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Meteorologie). Studiert hat Kachelmann Geographie, Physik und Mathematik, volontierte beim Zürcher Sonntagsblick und ging dann zum Schweizer Fernsehen.

Preisverdächtiges Wetter

Inzwischen hat sich die Zunft daran gewöhnt, dass im Schweizer Meteomedia-Studio examinierte Fachleute wie Plöger mit rhetorisch gewieften Nicht-Profis zusammenarbeiten. Die Nachfrage seitens der Medienwirtschaft nach modernen TV-Wettershows und Radio-Zuspielern wuchs rasch. Und so etablierte sich neben der Großbehörde eine kleine Service-Industrie, die inzwischen sogar schon eine Lobbyorganisation gegründet hat: den Verband Deutscher Wetterdienstleister e.V. Kürzlich wurde in Hamburg übrigens der erste Medienpreis für die besten Wetterpräsentationen vergeben – an Mitarbeiter des RBB- Fernsehens, der NRW-Lokalradios und des Hamburger Abendblattes.

Im Geschäft mit Funk, Print und Online sind Exklusiv-Deals nicht selten. Programmchefs sehen in einem attraktiven Wetter-Format ein Instrument zur Hörer- und Zuschauerbindung, das auch Sponsoren wie Yellostrom oder Dresdner Bank gefällt. Die Präsentatoren treten unter der Marke des jeweiligen Programms auf, wobei es fürs Publikum oft gar nicht erkennbar ist, ob es sich um Mitarbeiter des Senders handelt oder um externe Dienstleister. So hat sich der Südwestrundfunk seinen SWR3-»Wettermän« Gernot Schütz vom Münchner Dienstleister Wetter Fernsehen Meteos ausgeliehen. Wie schon sein zum ZDF gewechselter Vorgänger Benedikt Vogel (Künstlername: »Ben Wettervogel«) ist der Mainzer Meteorologe voll ins Baden-Badener Radioteam integriert. Außerhalb von Schütz’ Schicht übernehmen die Münchner Meteos-Kollegen Bernd Madlener und Andreas Machalica seinen Part, deren Stimmen auch auf anderen Sendern zu hören sind, wie Radio NRW oder Radio Bremen.

Was einst als intuitives Frei-Schnauze-Plaudern begann, ist nicht nur bei SWR3 inzwischen strikt durchformatiert. Der Hörer soll möglichst keinen großen Unterschied feststellen, wenn ein Wetterredakteur Dienst hat, der fernab des Sendegebiets die regionalen Wetterdaten und die Eingaben der Wettermelder sichtet. Die Ansprüche der Funkhäuser sind allerdings durchaus unterschiedlich – selbst innerhalb der ARD. So leistet sich der Bayerische Rundfunk, der die Rohdaten vom DWD einkauft, ein Team fest angestellter Meteorologen und eigene Wetter-Präsentatoren. Der Mann, der im Hintergrund auf die Qualität von »Bayerns bestem Wetterbericht« (BR-Eigenwerbung) achtet, ist übrigens selbst kein Wetterkundler, sondern Jurist und Journalist. »Bayern hat das zweitschwierigste Klima in Europa«, sagt Roland Scheble. Die Akquise von Laien-Wettermeldern will er dabei nicht nur als Instrument der Hörerbindung gewertet wissen, sondern auch als Mittel zur Gewinnung detaillierterer Wetterdaten. Die Sorge vor Datenmüll plagt ihn nicht: »Unseren Meteorologen kann niemand Schneefall im Sommer unterjubeln.«

Fenster zur Außenwelt

Zusätzlichen Input zu den staatlichen Daten hält auch Sven Plöger für unerlässlich. Der Meteomedia-Wettermann ist in der komfortablen Lage, zwischen seinen Auftritten (oft zehn pro Tag, möglichst live) 500 professionelle Messstationen anzapfen zu können, die Meteomedia gemeinsam mit örtlichen Sponsoren betreibt: »Damit haben wir in ganz vielen Orten Deutschlands ein Fenster zur Außenwelt.« Was heißt das in der Praxis? »Dank dieses engmaschigen Netzes konnten wir beim Sturm Kyrill die örtlichen Windgeschwindigkeiten auf zehn Stundenkilometer genau vorhersagen. Daraus kann man den Staudruck ableiten«, doziert Plöger und erkennt blitzschnell, dass er das besser erklären muss, »also die Zerstörungskraft.«

Solche Informationen wissen auch Un- ternehmen wie die Bahn zu schätzen. Rechtzeitig bevor Kyrill wütete, parkte sie alle Züge sicher in den Bahnhöfen. Heute muss sich ja auch niemand mehr dafür schämen, über das Wetter zu reden.

Aus dem Kundenmagazin Cision Profile 01 2008

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