Dieser Blogpost richtet sich vor allem an die Leser des Blogs pressw0rds, das die Berichterstattung zum „Kolibri“-Akku zum Thema hat und sich darum kürzlich mit meinem Brandeins-Text „Kurzschluss“ befasste.
Liebe Mitleser, insbesondere lieber Hmmmm,
unser aller anonymer Gastgeber schrieb a.a.O. einiges, was ich gerne kommentieren möchte:
Es gibt zahlreiche neue Informationen und etliche bekannte Infos, von denen sicherlich einige von pressw0rds inspiriert sind 🙂
Mehr von Kommentatoren, ehrlich gesagt. Auf pressw0rds haben einige kluge Köpfe Antworten gepostet, die der Hausherr (oder ist es eine Hausdame?) durchaus hätte ernster nehmen dürfen. Besten Dank dafür.
Auch wenn teilweise nicht schlecht recherchiert wurde stecken doch viele Fehler im Bericht…
Das wüsste ich aber. 🙂
…und einige Aussagen werden ohne Belege in den Raum gestellt.
Was nicht heißt, dass ich keine Belege hätte. Manches ist dem Quellenschutz geschuldet, anderes schlichtem Platzmangel. Die Urfassung des Textes war noch drei Druckseiten länger. Er hat aber ein Fact Checking durch die brandeins-Dokumentarinnen durchlaufen.
Aussage: „DBM Energy fängt bei null an, ohne Sacheinlagen, verfügt aber schon am Gründungstag über einen Lithium-Akku.“
Mirko Hanemann bekam im Jahr 2005 den Auftrag einen Hochleistungsakku zu entwickeln. Als das “geglückt” war, gründet er die DBM Energy um weiter daran zu forschen und den Akku zu vertreiben. Der Akku ist also nicht am Gründungstag aus der Luft gefallen, sondern wurde über Jahre zuvor entwickelt. (Was auch später im Artikel so erwähnt wird).
Nein, wirklich nicht. In den Berichten, die sich auf keine andere offen erkennbare Quelle als Hannemann selbst stützen, ist (ebenso wie im Herbst 2010 auf Hannemannschen Websites) immer wieder nebulös von einer DBM oder gar einer DBM-Gruppe die Rede. Die einzige DBM, mit der zumindest DBM-Energy-Mitgründer Frank Mattke damals zu tun hatte, war die DBM Search & Rescue, an der Hannemann zu keiner Zeit beteiligt war. Diese Firma wurde erst im November (!) 2005 gegründet – von Frank Mattke ganz allein. Ihr Geschäftszweck war Lichtjahre entfernt von Akku-Entwicklung oder auch nur Notstromversorgung: Vertrieb von Suchsonden etc. und Schulungen für Rettungskräfte.
Der gelernte Schlosser und spätere Versicherungsagent Mattke ist recht gut vernetzt im Umfeld des THW, darum ist das mit dem zweiten Standbein im Rettungswesen eine durchaus naheliegende Geschäftsidee gewesen, im Gegensatz zu allem, was mit Batterien zu tun hat. Hätte er derlei Dinge wirklich vorgehabt, hätte ihn aber niemand daran gehindert, das in den Geschäftszweck der Firma hineinzuschreiben. Nur: Er hat es nicht getan.
Niemandem wäre eingefallen, diese DBM Search & Rescue zu beauftragen, Akkus zu entwickeln. Ich gehe ja auch nicht zum Fischhändler, wenn ich ein Fahrrad kaufen will. Und ein Weltkonzern mit Riesen-F&E-Budget wie GE, dessen Name durch die Presse geisterte, schon gar nicht.
Aussage: „Tags darauf bringt der Anleger-Newsletter »Fuchsbriefe«, zu dem er und Mattke Verbindungen haben.“
Quelle? Beweis?
Den Text kann ich aus urheberrechtlichen Gründen hier leider nicht wiedergeben, denn das ist klassischer Paid Content. Was ich sagen kann: Es steht explizit drin, dass die Meldung auf Angaben des Startups beruht, nur Hannemann wird zitiert. Dem Text ist eindeutig zu entnehmen, dass der Schreiber nicht bei der Technik-Demo zugegen war. Ich habe freilich auch recherchiert, welche Verbindungen von Hannemann und Mattke zu den Fuchsbriefen bestanden. Details auszubreiten, würde aber womöglich in die Privatsphäre von Personen eingreifen, denen ich nichts Schlimmeres als Naivität und profunde technische Ahnungslosigkeit vorwerfen könnte.
Aussage: „Mit einer Ladung halte ein 80-Kilo-Pack aus Lithium-Polymer-Zellen (LiPo) so lange durch wie ein 1,5 Tonnen schwerer Blei-Säure-Block mit zwei Ladungen. Das wäre eine sensationelle Energiedichte, höher als die des Lithium-Luft-Akkus der IBM-Grundlagenforscher, der als Nonplusultra gilt – 1000 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg).“
Woher diese Zahlen kommen ist ein Rätsel. Der Kolibri Akku aus dem Papstar Rennen wog 100kg und der Bleiakku 1170kg. Der Kolibri Akku hat knapp 3h länger durchgehalten – also 9,3h >< 12h (1Ladung vs. 2Ladungen??). Von einer Energiedichte von >1000 Wh/kg steht nichts in den Fuchsbriefen und es hat nie jemand etwas derartiges berichtet oder geschrieben, das ist absoluter Unsinn.
Hier geht es nicht um Papstar, sondern um den ersten Test bei MAG. Die Angaben in dem Fuchsbriefe-Text, durch den Gregor Falke nach eigener Aussage überhaupt erst von DBM Energy erfahren hat, ergeben – wie jeder, der Dreisatzrechnungen beherrscht, nachvollziehen kann – leider eine solche Energiedichte. Sorry. (Zum Nachrechnen: 1,5 Tonnen zwei mal laden macht 3 Tonnen gegenüber 80 Kilo. Das ist Faktor 37,5 – und wenn man die Energiedichte von Bleiakkus bei nur 30 Wh/kg ansetzt, ist man schon bei 1125 Wh/kg.)
Aussage: „In einer Broschüre präsentiert sich DBM Energy bald darauf als Entwickler von Akkus, die schon in Luft- und Raumfahrt, Motoryachten und Werkzeugen im Einsatz seien – ohne konkrete Referenzen.“
Quelle?
Die Broschüre liegt mir als PDF vor. Hier sind Auszüge:
Aussage: „Woldt notiert, Hannemann sei „studierter Physiker an der TH Ilmenau“, dabei war dieser dort von 2003 bis 2007 im Studiengang Medientechnologie eingeschrieben.“
Wo man eingeschrieben ist und was man studiert kann durchaus ein Unterschied sein. Mirko Hannemann hat (laut seiner eigenen Aussage) angewandte Physik und Elektrotechnik studiert (Quelle 1. Video 1:40). Er hat das Studium aber nicht abgeschlossen (was er auch zugibt).
Ich muss mich an Fakten halten. In Ilmenau gibt es neben der E-Technik die Theoretische, die Technische und die Experimentalphysik, aber keine Angewandte. Das mit der Elektrotechnik hat Hannemann später in dem Lokal-TV-Interview nachgeschoben. Das ist insofern nicht gelogen, als die Medientechnologen in Ilmenau an der E-Technik-Fakultät untergebracht sind.
Dass ein Mensch mit einem derart offen gelebten Faible für Film und Fernsehen (Komparse, Dauerkomparse, Kleindarsteller, Stuntman, Special-Effects-Macher) Medientechnologie studiert, ist in sich stimmig. In diesen Bild passt auch perfekt, dass das angeblich mit einem Millionenbudget gesegnete F&E-Genie 2007 eine Kleinfirma (Ltd.) für „IT-Kommunikation und Design“ gründete (die rasch floppte, auch weil sie nicht einmal eintragungsfähig war).
Dass er dieses Studienfach schamhaft verschweigt, wenn es das geschickt inszenierte Image als Batterieguru stört, spricht Bände. (Und viele Journalisten sind ja so geduldig wie Papier und lassen sich so etwas erzählen: „Ich habe angewandte Physik studiert, Elektrotechnik, Biotechnologie, Chemie, Grundlagenforschung – alles, was mich so interessiert hat.“ Studium generale? Auch Biotechnik kann man in Ilmenau nicht studieren.)
Übrigens: Wenn man sich nach Ilmenauer Forschungsergebnissen umsieht, entdeckt man zur Batteriechemie kaum etwas, aber sehr wohl etwas zu der IKT, die zwischen Auto und Akku hängt. (Wie der Zufall es will, arbeitet sogar ein Assistent namens Falke auf dem Gebiet. Scheint aber wirklich purer Zufall zu sein.) Nun habe ich zwar kein Paper gefunden, das Mirko H.s Namen trüge, aber nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ würde ich ihm zutrauen, dass er einiges über die Steuerungs- und Regelungstechnik an Bord eines E-Mobils weiß.
Für irgendwelche ernsthafte Befassung Hannemanns mit den chemischen Innereien von Lithium-Akkus gibt es aber nur einen einzigen Zeugen: ihn selbst. Und das ist mir eindeutig zu wenig, um meine Zweifel zu zerstreuen.
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