Der Schilderwald von Kaufering ist legendär, vor allem wegen der unkonventionellen Stellen, an denen die Marktgemeinde die Pfosten in den Boden rammt. Jetzt wird er gelichtet – aber Wie…
Tempo-30-Schilder stehen in unserer Gemeinde, Verzeihung: Marktgemeinde, traditionell unmittelbar vor Kreuzungen und Einmündungen, damit Fahrer einbiegender Autos sie nicht sehen. Man fand sie bevorzugt an übersichtlichen Durchgangsstraßen, während in schmalen, gehsteiglosen Nebenstraßen oft Tempo 50 zulässig war – sogar in meiner Straße, die in den Achtzigern eigentlich als Spielstraße geplant worden war.
Vorfahrtzeichen werden bei uns gerne dezent ins Blattwerk des prächtigen Straßenbegleitgrüns eingeflochten oder hinter Stämmen postiert, sprich: Man sieht vor lauter Hecken, Sträuchern, Ahörnern, Kastanien und Kirschbäumen den Schilderwald nicht. In manch ruhigem Wohnviertel konnte man um ganze Häuserblöcke brettern, ohne von einem 30-Schild gemäßigt zu werden, obwohl wenige Meter weiter vorn und hinten in den jeweiligen Straßen durchaus der Wille des Rates Ausdruck fand, den gemeinen Kraftfahrer mittels des Streckenverbotszeichens 274 zum Entlasten seines Bleifußes anzuhalten. Damit war Kaufering ein Lehrbuchbeispiel für die unmotivierte Anwendung einer Gesetzeslücke, die Fahrlehrer so beschreiben:
Mit anderen Worten: Wer sich nicht auskennt, kann ungeniert und ungestraft heizen, Ortskundige, die das Risiko gut abschätzen können, haben auch da zu schleichen, wo es weit und breit keinen Grund dafür gibt.
Nun ist Bewegung in die Sache gekommen. Die gute Nachricht zuerst: Der Marktgemeinderat hat sich vor einiger Zeit durchgerungen, größere zusammenhängende Tempo-30-Zonen auszuweisen, in denen wie üblich die Rechts-vor-links-Regel gilt. Dieses bei unseren Autofahrern – bis auf vier oder fünf ältere Herrschaften – leider völlig in Vergessenheit geratene Element der StVO gewährt an einer Kreuzung oder Einmündung demjenigen Fahrzeug die Vorfahrt, das vom anderen aus betrachtet von rechts kommt. Sein eigentlicher Daseinszweck besteht darin, die Fahrzeuglenker von unangemessen schnellem Durchbrettern abzuhalten, indem man sie zu ständiger Aufmerksamkeit und Bremsbereitsschaft nötigt – zwei Bewusstseinszuständen, die dem modernen Verkehrsteilnehmer sehr fremd sind, weil sie ihn am Telefonieren und Whatsappen hindern. Allerdings darf man auf der bisher längsten und größten Rechts-vor-links-Straße Kauferings, dem Ahornring, zwischen den Einmündungen auf 50 km/h beschleunigen.
Jetzt die schlechte Nachricht: Die Schilderbürger vom Bauhof haben sich bei der Neubeschilderung so angestellt, als verfolgten sie nicht die Absicht, dass die Bürger die neue Verkehrsregelung erkennen, verstehen, beherzigen und gut finden, sondern so, als hätte sie es darauf angelegt, sie in die Irre zu führen, zu täuschen, zu verärgern und durch möglichst viele Beinaheunfälle und vermeidbare Blechschäden zu erziehen – nach dem Motto: So, wie die Kauferinger fahren, werden sie nur aus Schaden klug. An manchen Stellen fällt es schwer, sich vorzustellen, dass kein Komplott der Gemeinde mit den Inhabern von Karosseriewerkstätten dahintersteckt, sondern nur eine besonders achtlose Ausführung des aus dem Rathaus erhaltenen Auftrags.
Wer meint, ich übertreibe es mit meiner Polemik, begebe sich (am besten zu Fuß) in das Areal zwischen alter B17 beim Edeka-Kreisverkehr, Cantina, Bahnhof und Eisdiele – und überzeuge sich selbst.
Die Tempo-30-Zone beginnt nämlich gleich gegenüber unseres berühmten Tex-Mex-Wirtshauses, unmittelbar hinter dem so gemeingefährlichen wie irreführenden Umleitungsschild, das wir Einheimischen mit stiller Verzweiflung zu ertragen gelernt haben und das nun die Wahrnehmung der neuen Regelung zusätzlich behindert. Wir nähern uns also von Norden kommend der Rechtsabbiegespur, die von der B17 alt in die „gesperrte“ Iglinger Straße führt – und sehen nichts vor einer Sperre oder Umleitung.
Erst wenn man schon mit dem Abbiegen begonnen hat, erkennt man, dass es da scheinbar nicht weitergeht – oder eben doch, wenn man erstens weiß, dass die Sperre überhaupt nichts mit Kaufering zu tun hat, sondern nur für Fahrer mit Ziel Igling gilt, und sich zweitens der eigentlich dem von rechts kommenden Gegenverkehr vorbehaltenen Fahrspur bemächtigt.
„Anlieger bis Baustelle frei“, steht auf dem Schild, das das Einfahrtsverbot wieder aufhebt. Die juristische Bedeutung dieses Schildes wäre Stoff für eine Oberseminararbeit im Verkehrsrecht, denn streng genommen dürften wohl nur Anrainer der Iglinger Straße bis zum Kauferinger Ortsende hier abbiegen. Da die Umleitung südlich der Bahnunterführung nur nach Igling führt, können sich jedoch irgendwie fast alle Westkauferinger als Anlieger fühlen.
Hat man die Barriere umrundet, muss man seinen Blick nun rasch nach rechts oben wenden statt auf den Gegenverkehr, dessen Spur man eigentlich schnell wieder verlassen sollte. Denn sonst übersieht man (als Trucker) das Gewichtslimit von 7,5 Tonnen und als Autofahrer vielleicht auch das neue Schild „30 ZONE“, das das alte normale 30er-Schild ersetzt hat und sich mit dem „Schulbus“-Warnzeichen um die Aufmerksamkeit der Fahrer rangelt. Wer die Iglinger Straße nicht kennt: Sie war bisher ein Patchwork aus Abschnitten, die korrekt für eine Geschwindigkeit bis zu 30 km/h beschildert waren, und solchen, auf denen niemand wusste, ob wirklich dieses Tempolimit gilt oder nicht, weshalb man dort meist mit 42 km/h fuhr. Nun hat man nur noch eine einzige Chance, zu erkennen, dass hier jetzt flächendeckend die 30 gilt. (Böse Zungen sagen, dass beim Abschrauben der dank Zonenregelung überflüssig gewordenen 30er-Schilder ein paar übersehen wurden, weil sie so tief von Thujenzweigen zugewuchert waren wie Dornröschens Schloss von der Dornenhecke.) Wer hingegen die Strecke kennt und das Zonenschild nicht bemerkt hat, könnte den Eindruck gewinnen, die alte 30-Beschränkung sei aufgehoben worden, weil im und am Gebüsch ja nirgends mehr Schilder zu sehen sind.
Weiter geht es zur Kreuzung der Iglinger Straße mit der Bahnhofstraße. Hier hatte die Iglinger Straße bisher Vorfahrt, was noch an den fetten Haltelinien zu erkennen ist, die von den Stopschildern in der Bahnhofstraße übrig geblieben sind und eigentlich entfernt gehört hätten. Die Warnung, dass die „Vorfahrt geändert“ wurde, ist daher für die Iglinger Straße etwas wichtiger als für den Querverkehr, aber das rote Dreieck hängt für die von Westen kommenden Fahrer im trauten Schatten des Kastanienbaums oberhalb des blauen Hinweisschildes zum Zebrastreifen. Wahrscheinlich waren die mobilen Pfosten, mit denen man so etwas auffälliger markieren kann, bereits an unwichtigeren Stellen verbraucht worden. Insbesondere für Radfahrer sind die Warnungen bei tiefstehender Sonne leicht zu übersehen, und wer sich auf die altvertrauten Haltelinien verlässt, fliegt dann vielleicht mal im hohen Bogen über die Motorhaube eines Wagens, der von rechts aus der Bahnhofstraße kommt.
Wo es im Kiss-and-Ride-Verkehr leicht mal krachen könnten, ist die nicht mehr abknickende Vorfahrt beim Hotel Rid – nämlich dann, wenn der eilige, von Westen Richtung Bahnhof strebende Fahrer sich schon an seine Vorfahrt gewöhnt hat, der von der Hilscher-Kreuzung kommende Unfallgegner aber noch im alten Trott angerauscht kommt.
A propos Hilscher-Kreuzung: An diesen vor ein paar Jahren umgemodelten früheren Unfallschwerpunkt hat sich der Marktgemeinderat nicht rangetraut, deshalb hängt hier immer noch das quadratische Spiegelei, das nicht nur einen Fremdkörper inmitten der riesigen 30er-Zone darstellt, sondern ein gefährlich falsches Signal aussendet. Es gewährt laut StVO nämlich Vorfahrt ausschließlich auf Straßen, die durchgängig gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigt sind. Es steht deshalb niemals allein – außer in Kaufering. Folge: Der nicht so ortskundige Autofahrer geht stillschweigend von zweierlei aus: Erstens scheint die Tempo-30-Zone zu Ende zu sein (und es hängen auch nirgendwo mehr einfache 30er-Schilder), zweitens braucht er nicht so auf mickrige Nebensträßchen zu achten, weil er ja auf der Vorfahrtsstraße fährt. Um so heftiger steigt er auf die Bremse, wenn er dann an der nächsten Ecke das Warn-Dreieck „Vorfahrt geändert“ sieht – und prompt kracht ihm sein Hintermann aufs Heck. Dieses Problem wäre übrigens leicht abzustellen, indem man das Spiegelei durch die „Bombe“ ersetzt, die Vorfahrt nur für diese eine Kreuzung gewährt. Der Bauhof hatte wohl keine auf Lager, weil dieses Zeichen in Kaufering unüblich ist.
Weiter geht unsere Fahrt durch die Dr.-Gerbl-Straße. An der Gabelung Ottostraße könnte unser Gegenverkehr ein Problem kriegen: Ein ehemals Vorfahrtsberechtigter, der vom Netto Richtung Kirche/Bahnhof unterwegs ist, hat hier beste Chancen, zu übersehen, dass die Ottostraße nun Vorfahrt hat.
In dem Moment, in dem man diese Warnung sieht, ist sie keine Warnung mehr, sondern der Kommentar zum Crash. Ich will natürlich nicht, dass die schönen Bäume abgesägt werden. Nur ist das kein Ort zum Schilderpflanzen. Manchmal ist es schlauer, (auch) die linke Straßenseite zu nutzen oder eine rote Warnung auf die Fahrbahn zu pinseln. Bis die verblasst ist, dürften sich ja alle an die neue Regelung gewöhnt haben – die ich persönlich dennoch für riesengroßen Blödsinn halte. Man kommt nämlich nur scheinbar schneller vom Fuggerplatz zum Bahnhof. Wenn gefühlt alle zehn Meter ein kaum einsehbares Gässchen von rechts Vorfahrt hat (und sich die Sache mit dem Prinzip „rechts von links“ endlich herumgesprochen hat), traut sich kaum noch jemand, auf der Strecke schneller als 18 km/h zu fahren.
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Sehr treffend, der Artikel. Bitte an die Gemeinde weiterleiten!!!!! Ich leide seit Jahren unter der unfallträchtigen Kreuzung und hatte schon einen Unfall, weil ich eine Radfahrerin übersehen habe.
Eine teure Angelegenheit mit Punkten in Flensburg, einer Anklage und allem was dazugehört, inklusive einem Trauma. Ich habe wochenlang die Kreuzung gemieden und bin lieber den längeren und gefährlicheren Weg durch eine schmalen Seitenstraße zur Arbeit gefahren, weil ich nicht verstehen konnte, wie ich die Radfahrerin nur übersehen konnte. Bei so einer Kreuzung glückt ein Zusammenstoss bestimmt jedem, so die Aussage von vielen, mit denen ich über mein Trauma gesprochen habe – sehr beruhigend…? Ich habe nach dem Unfall beim Bgm. vorgesprochen, der mir zusagte, dass es bald eine vernünftige Lösung gibt. Ich warte nun seit ca. 2 Jahren auf diese und prompt ist sie da. Sie kam über Nacht: die Alptraumlösung. Jetzt darf ich an jeder Einmündung einen Verkehrsgegner erwarten. Jeder Tag zur Arbeit ist jetzt spannend: schaffe ich es ohne Unfall oder nicht. Mit dem Fahrrad fahre ich jetzt die Iglinger und Dr. Gerbl Straße mittig, da steigen meine Chancen nicht vom Rad geholt zu werden gewaltig.
So sorgt man sich in Kaufering um das Wohl seiner Bürger und bringt Spannung in deren Leben. Auch die nächste Wahl wird spannend. Ich muss nur noch herauskriegen, wer für dieses fiese Verkehrsverbrechen gestimmt hat…..
und jetzt geht der Wahnsinn in der Kolpingstrasse weiter!
Was ist besser ein ab und an zu schnell fahrendes Fahrzeug oder ständiges bremsen und beschleunigen was ist daran ökologisch ?
Noch dazu sind die Kreuzungsbereiche teilweise durch parkende Fahrzeuge verdeckt oder durch hohen Bewuchs schlecht ein zu sehen. Radfahrer die nicht den Radweg auf der Ostseite benützen werden hier auch gezwungen an zu halten und Vorfahrt zu gewähren. Die Kolpingstasse ist nu mal eine Hauptachse genauso wie die Bayerstr. also was soll der Blödsinn.
Unsere Gemeinderäte sollten mal ihr Hirn benützen und abwägen was an 1. Stelle steht