Das Neueste von Links-vor-Rechts

Vorige Tage bekam ich eine freundliche Mail von einem Sohn unseres früheren Bürgermeisters, im Anhang ein interessantes, wenn auch länglich-juristisches Dokument: ein Urteil der 23. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23.6.2015 (M 23 K 13.3232), verschlagwortet mit „qualifizierte Gefahrenlage, Tempo-30-Zone, Aufhebung, Geschwindigkeitsbeschränkung, Anordnung von Verkehrszeichen“. Darin verdonnern die Richter die Gemeinde Gauting, eine Geschwindigkeitsbegrenzung und eine Tempo-30-Zone wieder aufzuheben. Als juristischer Laie würde ich den Tenor des Urteils so zusammenfassen: Die Gemeinde hatte sich nicht an die Vorschriften gehalten und den Schilderwald in Straßen ausgedehnt, in denen das völlig unnötig war, weil dort gar keine besondere Gefahr bestand, die sie hätte abwehren müssen. Das Gericht verweist auch auf den Willen des Gesetzgebers, eben jenen Schilderwald auszulichten, weil ein Zuviel eher das Gegenteil bewirke.

Nun hat unser Kaufering zwar seinen Wald ein bisschen ausgedünnt, aber weder konsequent noch auf vernünftige Weise. Die überparteiliche Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Mehrheitsfraktion unseres Marktgemeinderats will mit Gewalt fast den ganzen Ort verdreißigzonieren, verschließt aber ihre Augen vor der real existierenden, von Verkehrszeichen und Fahrbahnbemalungen noch massiv verstärkten Verwirrung der Verkehrsteilnehmer. Hier zeigt sich: Manchmal genügen wenige Schilder, um das Gegenteil des Bezweckten zu erreichen und Sicherheit zu vermindern statt sie zu verbessern.

Deshalb noch mal für alle Ratsmitglieder ein paar Erklärungen:

  1. Zebrastreifen haben in Tempo-30-Zonen nichts zu suchen, auch nicht neben einem Kindergarten, denn sie signalisieren den Verkehrsteilnehmern auf einer Querstraße ohne Zebrastreifen (Löhestraße), sie hätten an der Einmündung der zebragestreiften Straße (Donau- und Mainstraße) Vorfahrt. Das Signal, das der Fußgängerüberweg an die Autofahrer sendet, übertönt das des Verkehrszeichens „rechts vor links“ (schwarzes X im roten Dreieck), welches ebenfalls nicht in Tempo-30-Zonen gehört, weil es stets eine Ausnahme von der Regel verkündet und folglich an dieser Stelle falsche Rückschlüsse auf die vermeintlich geltende Regel provoziert. Aufgrund dessen kann man an besagter Löhestraße sogar immer wieder Busfahrer beobachten, die glauben, sie hätten als von links Kommende Vorfahrt. Gerade heute durfte ich deshalb wieder eine Vollbremsung hinlegen. Ich radelte gerade auf der Donaustraße mit Tempo 30 auf die Löhestraße zu, von rechts kam niemand, doch der Schneider-Bus zur Linken befand sich ungebremst auf Kollisionskurs; der Fahrer würdigte mich keines Blickes. Wäre ich so wahnsinnig gewesen, auf meinem Recht zu bestehen, hätte man mich und mein Bike an der Ecke bei der Bäckerei Wink vom Boden kratzen können. (Mein Dank an die Firma Magura für meine tollen Hydraulikbremsen!) Es sind aber nicht die Busse allein. Es ist mir dieses Jahr vielleicht zwei, drei Mal passiert, dass an dieser Ecke ein Autofahrer meine Vorfahrt respektiert hätte. Und ich radle die Strecke mehrmals pro Woche.
  2. Doppelt genäht hält nicht besser. Will sagen: Innerhalb von Tempo-30-Zonen hängt man keine weiteren „Zone 30“-Schilder auf. Deren Botschaft ist ein Umkehrschluss: Wenn ich das Schild sehe, muss ich selbst außerhalb der Zone sein. Das Negativ-Beispiel ist wieder die Löhestraße. Biegt man von der Kolpingstraße in die Löhestraße ein, passiert man bereits ein Zonenschild, doch an der Main- und der Donaustraße hängen weitere solche Verkehrstafeln. Wie sollen sich die Leute da bitte merken, wo die Zonen anfangen und wo sie aufhören?
  3. Vorfahrtsschilder gehören laut StVO aus besagten Gründen ebensowenig in 30er-Zonen wie Ampeln. Nun ist die Kreuzung Iglinger Straße/Dr.-Gerbl-Straße (Elektro-Hilscher) so unübersichtlich und zugleich verkehrsreich, dass es dort ohne eindeutige Signale nicht geht. Eine Ampel wäre für diese „qualifizierte Gefahrenlage“ das Beste, Vorfahrt ist das Mindeste. Da daran nicht zu rütteln ist, solange niemand dort einen Kreisverkehr baut, verbietet es sich von selbst, eine Tempo-30-Zone auszuweisen, die diese Kreuzung einschließt. Wer die StVO ernst nimmt, muss also zu dem Schluss kommen, dass der jüngste Beschluss des Gemeinderats in der vorliegenden Form schlichtweg nicht genehmigungsfähig ist.

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