Foodwatch: Wie dumm sind Verbraucher wirklich?

Ex-Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode hat 2002 den Verein Foodwatch gegründet, der den Anspruch erhebt, für bessere Ernährung zu kämpfen. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat der kampferprobte Kampagnero vorigen Samstag wieder mal zum Besten gegeben, für wie dumm er die deutschen Verbraucher hält. Und er hat sich nicht auf die Lebensmittelindustrie beschränkt. So behauptet er ohne Beleg, mehr als die Hälfte der Autofahrer sei sich nicht im Klaren über den Spritverbrauch ihres Fahrzeugs:

Selbst wenn die in Deutschland verkauften Autos 40 Prozent mehr verbrauchten, als die Hersteller nach dem alten NEFZ-Standard angegeben haben, lässt sich daraus nichts darüber ableiten, was der jeweilige Autofahrer über den Verbrauch seines Wagens weiß. Er sieht, wie viel er tanken muss und wie weit eine Tankfüllung reicht; er hat wahrscheinlich sogar einen Bordcomputer, der ihm den Verbrauch halbwegs realistisch anzeigt. Dass der Wagen mehr säuft als in der Werbung stand, weiß er auch. Er hat sich damit abgefunden. 40 Prozent sind jedoch ein Wert, den man allenfalls mit einem Fahrstil erreicht, den nur jemand drauf hat, dem die Benzinrechnung und die Umwelt egal sind. Ich behaupte deshalb (ebenso freihändig wie Bode), dass die Mehrheit nicht so bleifüßig fährt, sondern sich über hohe Benzinrechnungen aufregt. Und ist es nicht ohnehin so, dass man nur etwas wissen kann, das auch stimmt? Wenn es bei der Mehrheit nicht stimmt, kann diese es gar nicht wissen.

Bei einer anderen Frage vergleicht Thilo Bode Autos mit Rindviechern:

Das strotzt natürlich auch wieder vor dichterischer Freiheit. „Steak“ soll wohl, wie es bei Wirtschaftswunderkindern wie ihm und mir mal war, für Luxus stehen. Dabei gelten alle denkbaren Vergleiche zwischen Autos und Fleisch nicht nur für ein bestimmtes Stück vom Tier. Was fürs Steak gilt, das gilt auch fürs Hacksteak, die Beinscheibe oder den Tafelspitz. Da vergisst man leicht zu fragen, ob das Äquivalent „1 Gramm Fleisch = 100 Meter Autofahrt“ sich auf den Beitrag zum Klimawandel bezieht (der Ochse hat zu Lebzeiten Unmengen Methan gepupst) oder auf die Energiebilanz, wobei sich diese bei einem Allgäuer Weideochsen ganz anders darstellt als bei einem im Stall mit lateinamerikanischem Sojamehl gemästeten Artgenossen. Dennoch wüsste ich gerne, woher die Zahl stammt. Beim Googlen fand ich eine noch schlimmere. Aber die stammt aus Japan und dem Jahr 2007. Als mündiger Verbraucher hätte man da doch gerne mal etwas Aktuelles in der Hand, das sich auf den eigenen Alltag bezieht, nicht wahr? Wilde Daten in den Raum werfen kann jeder.

Wenn Bode in Fahrt kommt (nein, nicht mit dem Auto), ist ihm auch sonst kein Vergleich zu schief. Er wollte ja unbedingt die Zuckersalzfett-Ampel durchsetzen, eine Lebensmittelkennzeichnung für Analphabeten. Da ihm das bisher aus gutem Grund nicht gelungen ist, kämpft er weiter – und verweist auf Errungenschaften wie das Frauenwahlrecht und die Abschaffung der Sklaverei:

Darum noch mal ganz klar: Wer die paternalistische Kopfgeburt namens Lebensmittelampel auf diese Weise überhöht, verhöhnt die Frauen, die nicht wählen durften, und die Sklaven. Die Ampel ist zwar geeignet, Lebensmittelhersteller zu ärgern, leistet aber keinen Beitrag zur ausgewogenen, verantwortungs- und gesundheitsbewussten Ernährung. Dass gesalzene Erdnüsse salzig und fettig sind und ich mir damit nicht den Bauch vollschlagen sollte, weiß ich auch so. Wenn ich ein Fertigkost-Fan bin, stehe ich mit der Ampel vor der Wahl, ob ich mir etwas mit „zu viel“ Fett, „zu viel“ Salz oder „zu viel“ Zucker reinziehe. Dann hat jemand anders für mich die Entscheidung getroffen, was für mich zu viel ist. Er hat mir das Denken abgenommen, hat mich bevormundet.

Halte ich mich strikt an die Ampel, esse ich lauter Dinge, die ausschließlich grüne Lämpchen drauf haben, davon aber vielleicht solche Mengen, dass es doch wieder viel zu viel für mich ist. Nur drei Stufen – grün, gelb, rot – sind viel zu grob, um sich den Speiseplan eines Tages danach zusammenzustellen. Jeder Mensch ist anders, jetzt Mensch isst anders. Oder er sollte anders essen. Wenn ich wirklich wissen will, aus was mein Essen besteht, achte ich auf das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett – und das steht in exakten Zahlen jetzt schon auf dem Etikett. Wer das nicht liest, der wird die Ampel ebenso ignorieren wie ein Raucher die Ekelfotos aus der Pathologie, mit denen die Supermärkte auch uns Nichtraucher an der Kasse traktieren.

Aber das Geschäftsmodell von Foodwatch lebt nun mal von Panikmache, pardon, vom Schüren von Ängsten, wie der Interviewer richtig erkannt hat:

Nein, Herr Bode: Was mir hilft, ist keine Angst vor der bösen, bösen Industrie. Es sind offene Augen und Selberdenken. Auf der Packung steht doch, wieviel Gramm Zucker auf 100 Gramm kommen. Das ist kein Versteckspiel. Das steht ganz offen da. Und wenn ein Jogurt 15 Prozent Zuckeranteil hat, ist er zu süß. Natürlich kann ich ab 12 Prozent ROT draufdrucken, aber dann gibt es äußerlich keinen Unterschied mehr zu einem Fabrikat mit 18 Prozent. Wenn ich ein dummer Verbraucher bin, der Süßes liebt, komme ich zu dem Schluss, dass GRÜN und GELB bedeutet, dass mir das Zeug nicht schmeckt. Wenn ich ein schlauer Konsument bin, verdünne ich den süßen, fetten Fruchtjogurt mit Magerquark, oder den natursüßen Apfelsaft (süßer als Coca-Cola) mit Wasser – und alles ist in Ordnung. Ach ja: Apfelsaft ist grundsätzlich zu süß, er müsste unabhängig vom Fabrikat immer ein rotes Zuckerwarnsignal tragen. Apfelschorle dagegen hätte gelb oder grün. Die ist aber kaum billiger, und das Wasser, mit dem der Saft verdünnt wurde, wird im Lastwagen herumgekarrt, statt dass es billig aus der Leitung fließt. Damit wäre die Ampel sogar schädlich für den Geldbeutel dummer Kunden und für die Umwelt.

Deshalb empfehle ich, statt sich von Bode kirre machen zu lassen, lieber Theresa Bäuerleins Buch „Fleisch essen, Tiere lieben“ zu lesen, in dem sie erklärt, „wo Vegetarier sich irren und was Fleischesser besser machen können“. Das ist schon acht Jahre alt, aber nach wie vor lesenswert. Hier ein Auszug, auf den ich stieß, als ich Bodes Aussage zu den Steak-Kilometer-Äquivalenten factchecken wollte:

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