Kurzer Einwurf zum Thema Klimakatastrophe: Was ich absolut nicht mehr verstehe, ist das Wie-Pilze-aus-dem Boden-Schießen von Vereinen und NGOs, die etwas gegen den Klimawandel tun wollen. Schon als jemand, der sich persönlich und beruflich für diese Szene interessiert, verliert man den Überblick, wen es da jetzt alles gibt und wofür in diesem Zoo an Initiativen wer eigentlich steht – und wer überhaupt eine NGO ist und wer eine Firma.
Da gibt es die vielen „XYZ For Future“-Initiativen, die man noch mit FFF auf einen Nenner kriegt, weil „For Future“ als Dachmarke einigermaßen funktioniert und das XYZ für berufliche oder soziale Kompetenzfelder steht, in denen sich schlaue Leute zusammentun, die an einem Strick ziehen wollen. Daneben gibt es aber auch alte Dickschiffe wie Greenpeace und WWF, Natur- und Umweltschutzverbände vom NABU über den BUND bis zur DUH, es gibt German Zero und Germanwatch, Robin Wood, XR und Last Generation. Es gibt die Klima-Allianz Deutschland, die als Dachorganisation dutzendfach institutionelle Mitglieder hat, für die Klimaschutz nicht das Kernthema ist, die aber begriffen haben, dass man sich vernetzen muss, weil die Sache alle betrifft. Ja, und trotz dieser Fülle an Vereinen und Verbänden, in den man sich verdingen kann, gründen immer noch Mitbürgernde m/w/d weitere Orgs, weil sie sich wohl nicht zu 150 Prozent mit einer der Bestehenden identifizieren können.
Heute postete schon wieder jemand in einem „sozialen“ Medium eine Mitmach-Bitte für die nächste Organisation (die natürlich Geld braucht). Der Typ – ein Softwaremensch und Teilzeit-Extinction-Rebell – lockt Twitterer zu „Worldforclimate“. Wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt, steckt dahinter aber keine Bürgerinitiative und kein Verein, sondern ein Startup, die World for Climate GmbH mit Sitz in Unkel, Willy Brandts zweiter Heimat in seinen Bonner Tagen.
Gegenstand der im Oktober 2021 registrierten Firma, als deren „Co-Founder“ respektive „CTPO“ (Chief Technology & Product Officer“) sich der Mann im Netz vorstellt, sind „Forschung, Entwicklung, Instandhaltung und der Betrieb von Software, um Menschen, Oranisationen (sic!) und Unternehmen für den Umweltschutz, Klimaschutz, soziales Engagement und globale Kollaboration zu vernetzen“. Dazu soll in irgendeiner Weise wohl das erste Produkt des Unternehmens beitragen, eine App für iOS und Android, die nichts kostet und nichts kann, das der Rede wert wäre. Das hat sie mit einer Verabredungs-App gemein, die dieser Entwickler sich ausgedacht hat.
Will man sich auf der Website informieren, kommt man nicht weit. Unter „About Us“ erfährt man nichts, wirklich gar nichts über „Us“ bzw. Them, also die Menschen hinter dem, sagen wir mal, Projekt – nicht einmal die Namen der Geschäftsführerin oder ihres C3PO. Statt dessen stehen dort ein paar wohlfeile, nichtssagende Textbausteine, die sich lesen, als stammten sie aus dem Bullshitbingo-Repertoire von Greenwashing-Profis.
Auf eine deutsche Version lässt sich die komplett auf Englisch daherkommende Website bis dato auch nicht umschalten. Und das wundert dann doch etwas, denn die 30-jährige Gründerin und Geschäftsführerin, eine Frau mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung, hat sich in ihrer rheinischen Provinzheimat jahrelang im SPD-Ortsverein und im Juso-Kreisverband verdingt. Ich hätte da schon etwas mehr Volksnähe und den Willen erwartet, ihre Mit-Unkler:innen und Genoss:innen „mitzunehmen“ auf dem Weg zu klimafreundlichem Verhalten. Alles in allem kann man die Dame, deren Namen man im Impressum und im Handelsregister findet, wohl als ziemlich unbeschriebenes Blatt bezeichnen. Ihrem LinkedIn-Profil ist indes zu entnehmen, dass sie während ihrer von Vollzeit-Berufstätigkeit und laaaaangen Praktika unterbrochenen Studienzeit nicht ganz unerheblich zur Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre beigetragen hat. So hat sie sich bei einer Firma, die mit „Made in Germany“ wirbt, in der (zum Rhein-Main-Gebiet gehörenden?)
Wie es scheint, sucht die Betriebswirtin aber erst einmal Geldgeber, die in ihre 25.000-Euro-GmbH im NGO-Look einsteigen. Die Catchphrases lauten „Impact Investment für den Klimaschutz“, „Offen für erste Runde Impact Investment mit Business Angeln & early VCs“ (nein, ich habe nichts falsch abgetippt, das steht wirklich so da), „Einstieg ab 75k EUR FInanzierung der Testphase MVP App von März bis August 2022“ und „Wandeldarlehen möglich“.
Ich lese da heraus: Wer weniger als 75.000 Euro investieren will, soll ihr wegbleiben, und die App ist lediglich ein Minimal Viable Product, also der Prototyp eines Prototyps. Dies könnte immerhin die Nutzlosigkeit der Software erklären, nicht aber das damit verbundene Geschäftsmodell. Vielleicht wurde die Seite mit der Investorensuche ja auch länger nicht mehr aktualisiert. Aber egal: Nach diesem Aha-Erlebnis ist mir bei aller Sympathie für „grüne“ Gründer die Zeit zu schade, mich noch länger mit diesem Laden zu befassen.
Warum C3PO, äh, CTrollPO, nein: der CTechnologyPO jetzt in Deutschtwitter als Botschafter der rein englisch auftretenden App-Firma auftritt – und zwar in einer Weise, als gehe es ums Klima und nicht um Investorengelder – gehört zu den Dingen, die ich in meinem Alter nicht mehr verstehen zu müssen meine.
Dass so etwas aber überhaupt passiert, ist leider ein Indiz dafür, dass die Szene derer, die den Ernst der bereits anrollenden Klimakatastrophe begriffen haben, noch irrsinnig weit davon entfernt ist, selbstkritisch zu werden und gemeinsam etwas Sinnvolles zu unternehmen. Jede und jeder kocht ein eigenes Süppchen und nährt so ungewollt auch Trittbrettfahrende. Viele verrennen sich in Ideologien, Utopien und unausgegorene Ideen. Nutznießer der Zersplitterung sind diejenigen Konsument-, Politiker- und Unternehmer:innen, die das Problem verdrängen und so weitermachen wollen wie bisher.
Den Namen für dieses Phänomen kannten schon die alten Römer: Divide et impera, teile und herrsche. Solange sich von sich selbst eingenommene Klimaschutz-Vereinsmeier:innen und Klimaschutz-Firmengründer:innen darüber entzweien, ob sie Fleischesser und Autobesitzer überzeugen, missionieren, verteufeln oder bis aufs Messer bekämpfen wollen, lachen sich Putin, die Ölscheichs und die Aktionäre der Fossilkonzerne ins Fäustchen.
Sie sind der oder die 1130. Leser/in dieses Beitrags.