Schnatternde Gurugurus

Neueste Innovation in der IT: die Anbetung der relevanzbefreiten Kommunikation.

Kürzlich hielt Hubert Burda, der technikbegeisterte Großverleger, wieder einmal Hof. Digital,Life,Design nennt er in unorthodoxer Interpunktion sein jährliches Gipfeltreffen, für das die schillerndsten Exponenten des (nicht nur) digitalen Fortschritts auf dem Weg nach Davos gern eine Zwischenlandung in München einlegen. Als Gast, der andere D,L,D-Gäste studiert, kann man über die Jahre hinweg recht gut beobachten, wie sich unser Kommunikationsverhalten wandelt im Zeitalter der softwaregestützten Übermittlung von, tja, Nachrichten? Wissen? Informationen? Bleiben wir besser mal beim wertfreien kleinsten gemeinsamen Nenner oberhalb der Byte-Ebene: Content. (Gewiss kein Zufall, dass dieser Terminus technicus aus der Welt der VerpackungshersteIler, die „Inhalt“ quantitativ meinen, in die Online- und Medienindustrie diffundiert ist.) Es ist, wie ich befürchtet hatte: Dieses Jahr wird getwittert, gnadenlos.

Wer nicht als verbohrter, rückständiger IT-Banause gelten will, muss der voll angesagten Sekte der Microblogger beitreten, die ihre alltäglichsten Verrichtungen mit den Mitteln des mobilen Internets in Echtzeit protokollieren. Ein typisches „Tweet“ ist hochverdichtete Irrelevanz – 140 Zeichen, die die Welt nicht braucht, aber live serviert bekommt. Vielleicht etwa so:

Würde ich jemanden auf diese Art an meinem Job und Leben teilhaben lassen, wäre er automatisch mein „Follower“, also Gefolgsmann oder Jünger. Ich wäre für ihn dann wohl der Guru – und der, dem ich „followe“, sein Guruguru? So nannte Obelix einst in Amerika den Truthahn, einen zwar schmackhaften, aber doch etwas komischen Vogel.

Twitterer übersetzen den Namen ihrer Lieblings-Website gern als liebenswertes „Gezwitscher“. Nach meinem Wörterbuch ist das nicht so eindeutig; es übersetzt „to twitter“ auch als „aufgeregt schnattern“. Wenn ich die Verlautbarungen aus diesem anthropo-ornithologischen Zoo vor meinem geistigen Ohr ablaufen lasse, höre ich allerdings ein Tier viel stärker heraus als die tirilierende Nachtigall, die gurugurrende Pute oder die schnatternde Gans: das hysterische Huhn, das über jedes gelegte und ungelegte Ei gackert.

Aus der Technology Review 3/2009, Kolumne FROITZELEIEN

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