Wie sich die Unternehmenskommunikation vorsichtig dem Controlling öffnet – und dabei verändert
Erbsenzähler waren den Kreativen schon immer verhasst, umgekehrt mokieren sich ernsthafte Zahlenmenschen seit jeher über die disziplinlosen Bohemiens.
In Unternehmen soll die traditionelle Antipathie keine Zukunft mehr haben: Die Ressorts Corporate Communications und Controlling, die oft wie die rechte und die linke Hand des Chefs erscheinen, müssten sich zusammenraufen, so will es die neue Doktrin. Kommunikation sei zu wichtig und zu teuer, um sich einer monetären Erfolgskontrolle zu entziehen. Über das Wie wird noch gestritten.
Die radikalste Idee: Die PR-Abteilung soll einen »Return on Communication« erwirtschaften – sich also wie ein Profit Center auf Euro und Cent an ihrem hochgerechneten Beitrag zu Rendite und Wertschöpfung messen lassen.
Wer glaubt, dass PR-Berater nichts lieber tun, als leicht verdauliche Geschichten über ihre Kunden in ausgewählten Medien zu platzieren, kennt vermutlich noch nicht die Abhandlungen, mit denen führende Köpfe der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) und des Gesamtverbandes Public Relations Agenturen (GPRA) in jüngster Zeit ihre Klientel in zunehmende Unruhe versetzen. Allein schon das Respekt gebietende Vokabular ist dazu angetan, jedes Vorurteil über die angeblich so oberflächliche PR-Szene auf der Stelle verdunsten zu lassen. Die Beiträge haben nichts von der Schwerelosigkeit flotter Pressetexte, eher gemahnen sie an den Lehrstoff eines betriebswirtschaftlichen Hauptseminars: Ausgiebig dozieren die Autoren über Werttreiber, Value Links oder KPls (sprich: Kay-Pea-Eyes), über die Rollen der Share- und Stakeholder, über Output, Outcome, Outgrowth und Outflow, Intangibles, diverse Varietäten von Scorecards, Value Based Management und Economic Value-Added (siehe Glossar). War es bisher vor allem der Jargon der Markt- und Meinungsforscher, der den professionellen Anspruch unterstreichen sollte, ist es nun jener der Controller und Aktienanalysten.
Wenn Professor Lothar Rolke Recht behält, täten die Kommunikationsverantwortlichen in den Unternehmen gut daran, das Kauderdenglisch der Renditestrategen möglichst rasch zu verinnerlichen. Oder, in seinen Worten, »die Sprache der Zahlen zu lernen, den Globaldialekt, den jeder Manager versteht«. Fünf, höchstens zehn Jahre werde es noch dauern, sagt Rolke, der an der FH Mainz Betriebswirtschaft und Unternehmenskommunikation lehrt, dann sei es in Deutschland bis in den Mittelstand hinein völlig normal, dass PR-Leute und Pressesprecher »sich controllen lassen« wie Angehörige jeder anderen Abteilung auch – zum Beispiel anhand des von ihm entwickelten Communication Control Cockpit.
Seine schwer zu widerlegende Begründung: Wenn ein Unternehmen seine erfolgsentscheidenden Aktivitäten konsequent über Kennzahlensysteme steuert, ist im Umkehrschluss ein Ressort, dem es gelingt, sich auf Dauer der Aufmerksamkeit der Controller zu entziehen, wohl total bedeutungslos. Da eine Kommunikationsabteilung, die nichts zu sagen hat, ein Widerspruch in sich wäre, steht somit fest: Vor dem Fortschritt gibt es kein Entrinnen.
Grund zum Weglaufen?
Ob ein professionelles Controlling der Unternehmenskommunikation tatsächlich für den einen oder anderen Öffentlichkeitsarbeiter ein Grund zum Weglaufen wäre, ist noch lange nicht ausgemacht. Falls wahr wird, was die Vordenker prophezeien, wird sich zwar das Berufsbild erheblich verändern. Viele interne, aber auch externe PR-Spezialisten beziehen schließlich ihr Selbstverständnis aus dem Talent, dem drögen Kaufmann an der Spitze der Firma gerade dort auf die Sprünge zu helfen, wo er mit seinen »harten« Zahlen an Grenzen stößt: nämlich dort, wo es gilt, den Kunden, Aktionär, Mitarbeiter oder Medienmenschen auf der emotionalen Ebene anzusprechen, ihn zu begeistern von Ideen, Produkten oder Marken. Aktuelle Thesen zur Zukunft der PR nähren zudem den Verdacht, dass bald die Betriebswirte, den Rotstift griffbereit hinters Ohr geklemmt, zumindest jene Kommunikationsprofis von den Schaltstellen verdrängen werden, die nicht den nötigen Kooperationswillen erkennen lassen. Doch welcher motivierte Mitarbeiter eines Unternehmens wird sich gegen Change Management sperren? Unter dieser Überschrift, die ganz im Sinne professionellen PR-Handwerks auch Chancen impliziert, rubriziert jedenfalls der angekündigte Wandel in den Kommunikationsabteilungen. Dass vielen Betroffenen nicht ganz wohl ist bei dem Gedanken, ein Stück Autonomie aufgeben zu müssen, wissen die Erneuerer nur zu gut; es sind ja Kunden von ihnen.
Akt schöpferischer Zerstörung
Ohne auf die Zögerlichen zu warten, haben die Agenturen längst begonnen, sich neu zu positionieren. Ihre Verbände DPRG und GPRA haben beschlossen, dass der vom Kapitalmarkt getriebene Trend zum wertbasierten Management in ihrem Sinne ist. Und nun stellen sie in einem Akt der schöpferischen Zerstörung das Fundament ihrer eigenen Arbeit in Frage: Die Vertreter der neuen Denkweise in der PR wollen wissen, was ihre Arbeit wert ist. Und an diesem Wert, der ja vielleicht stark unterschätzt wird, wollen sie gemessen werden. Ganz nebenbei spekulieren sie mit dem frühen Besetzen des Kompetenzfeldes natürlich auf die fälligen Beratungsaufträge (was noch kein Argument dagegen ist).
Ihre Kundschaft fragt sich freilich noch, wie die hochtrabend-akademischen Ideen, die ihnen auf Kongressen, in Fachblättern und -büchern präsentiert werden, denn in der Praxis funktionieren sollen. Natürlich kann man schon heute sehr gut analysieren, welche Resonanz eine PR-Aktion bei den Medien und in der Öffentlichkeit hervorruft. Man kann erheben, wie sich das Image einer Firma wandelt, wie ihre Reputation durch gute Nachrichten wächst und unter schlechten leidet, und daraus Indizes und Rankings destillieren. Auch den Wert einer Marke zu beziffern, die heute oft den Löwenanteil des Marktwerts einer Firma ausmacht, ist ein alter Hut. Aber welchen konkreten Beitrag eine einzelne »weiche« Aktivität zum Gewinn, zum Cashflow, zu einem steigenden Börsenkurs leistet, ist im Normalfall eine Rechnung mit etlichen Unbekannten. Höhere Mathematik eben.
Keine fertige Formel
Eine fertige Formel, die aus den chaotischen und fraktalen Einflüssen der Kommunikation auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens praxistaugliche Stellgrößen zaubert, hat keiner der Protagonisten des Communication Controlling parat. Jedenfalls vorerst nicht. »Kommunikation entfaltet ihre wertschöpfende Wirkung oft erst über drei Ecken«, beschreibt der Münchner PR-Berater Mirko Lange, Sprecher des zuständigen Arbeitskreises beim GPRA, das Problem, dem man sich zunächst in Pilotprojekten mit Kunden stellen will. »Die Verfahren zur Umrechnung von immateriellen Werten in monetäre Größen sind aufwändig und zum Teil wissenschaftlich umstritten«, warnt die Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Mast von der Universität Stuttgart-Hohenheim. Die Professorin betrachtet die gegenwärtigen Prioritäten ohnehin kritisch: »Wenn PR ihre Aktionen nur noch auf das ausrichten darf, was sich wie Erbsen zählen lässt, verliert sie an Wert für das Unternehmen.«
Alles andere als trivial
Wer unbefangen mit den Teilnehmern der Diskussion spricht, begreift in der Tat schneller die Schwierigkeiten als die Möglichkeiten. Alles andere als trivial ist es zum Beispiel, die potenziellen Einflussfaktoren korrekt zu gewichten. Die Beteiligten müssen sich nicht nur darauf einigen, welche vermuteten Wirkungen plausibel oder wahrscheinlich sind, sie brauchen auch einen Konsens, wem daran welcher Anteil zukommt. Ganz viel hängt zunächst von Prämissen, Schätzungen und Arbeitshypothesen ab, die sich im Laufe der Evaluation durchaus als falsch erweisen können – selbst wenn keiner der Betroffenen falsch spielt, etwa weil er seinen Bonus in Gefahr wähnt. »Die Anwendung der Scorecard ist iterativ zu verstehen«, erklärt der Stuttgarter PR-Experte Ansgar Zerfaß, »man leitet Programme und Maßnahmen ab, misst Erfolge und Fehlschläge, erhält dadurch einen besseren Einblick in die Gesamtzusammenhänge und kann bei Bedarf die Strategie korrigieren.«
Einig sind sich viele Berater und universitäre PR-Forscher bis jetzt erst darin, dass die schon heute vorhandenen Informationen (z. B. aus Medienresonanzanalysen und Befragungen) zu wenig dazu benutzt werden, Indizien auf eine konkrete Wirkung von Kommunikation auszuwerten, dass neue Steuerungsinstrumente entwickelt werden müssen und dass diese im Prinzip auch in einem Bereich wie der Unternehmenskommunikation funktionieren werden. Wie fein aber das Tuning überhaupt je sein kann, ist strittig. »PR ist langfristig ausgerichtet und daher nicht kurzfristig messbar«, gibt Mast zu bedenken, »jedenfalls ist das, was gemessen wird, nur ein kleiner Teil der PR.«
Entsprechend weit klafft die Schere auseinander zwischen den eher konservativen Ansätzen, die auch mit einer inhabergeführten GmbH kompatibel sind, und den radikaleren, deren Urheber die Welt mit den Augen des emotionslosen Finanzinvestors sehen, der ausschließlich auf eine angemessene Verzinsung schaut. Während letztere ungeachtet der jüngsten Wirtschaftspolitischen Diskussion den Shareholder Value – also den Aktienkurs – zum Maß aller Dinge machen, setzen die Vertreter der anderen Denkschule auf das Prinzip der Balanced Scorecards. Die von den Harvard-Professoren Robert S. Kaplan und David P. Norton Mitte der Neunzigerjahre entwickelte Management-Methode konzentriert sich darauf, die Leistung von Abteilungen durch konkrete Zielvereinbarungen bis hinunter zum einzelnen Mitarbeiter zu optimieren – ein Ansatz, der sich auf Gebieten wie Time-to-market oder Produktqualität bewährt hat, aber in seiner ursprünglichen Form auf die komplexen Geschäftsprozesse einer PR-Abteilung kaum anwendbar ist.
Analyse und Bauchgefühl
In der brancheninternen Debatte schenken sich die Kontrahenten nichts. Die Scorecards, befindet Jörg Pfannenberg, Chef der Agentur JP:PR und Erfinder des Value Based Communications Management (VBCoM), seien das »letzte Rückzugsgefecht derjenigen, die standhaft behaupten, dass sich die Wertschöpfung von Kommunikation nicht monetär erfassen lässt«. Letzteres sei aber unerlässlich, meint Pfannenberg: »Unternehmensleitung und Controlling interessieren sich kaum für Medienresonanz, Image und Akzeptanz.« Sein Stuttgarter Verbandskollege Zerfaß, mit dem zusammen Pfannenberg den DPRG-Arbeitskreis leitet und das tonangebende Fachbuch zum Thema herausgegeben hat, hält dagegen: »Wo Kreativität gefragt ist, können reine Kennzahlensysteme nicht zum Erfolg führen.« Ohne Erfahrung und Marktkenntnis könne man nichts bewirken, ist der Erfinder der »Corporate Communications Scorecard« überzeugt. »Sinnvoll ist eine Kombination aus beidem«, so Zerfaß, »hier die systematische Analyse und Vorbereitung, da die unternehmerische Entscheidung, zu der das Bauchgefühl im Sinne von Risikobereitschaft immer dazugehört.« Diese Argumente sind Wasser auf die Mühlen seines schwäbischen DPRG-Vorstandskollegen Rainer Berghausen. Der Geschäftsführer der Ludwigsburger Kommunikationsberatung Beecom arbeitet für mittelständische Technologieunternehmen, deren Inhaber daran gewöhnt seien, »Wertschöpfungspotenziale nur in Messeauftritten und Anzeigen zu suchen«. Ihnen würde er gerne eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen, die sich mit einem auf die Firrnengröße zugeschneiderten Kommunikationscontrolling nachweisen ließe: »Gegen effiziente Prozesse dürften auch KMU nichts einzuwenden haben.« Was fehlt, sind einsatzbereite Tools.
Trotz der gegenseitigen Abgrenzungen werben beide Lager mit ähnlichen Argumenten für den Einstieg ins Controlling der Corporate Communications: Der Marktwert von Unternehmen hängt inzwischen – nicht nur in Branchen wie Software und Medien – primär von immateriellen Faktoren ab. Diese wiederum haben meist im engen oder weiteren Sinne mit Kommunikation zu tun, sei es die Zufriedenheit der Kunden, das Wissen der Mitarbeiter, das Ansehen in der Öffentlichkeit, das Vertrauen der Anleger. Diese »intangible assets« würden die Vorstände nur zu gerne in der Bilanz aktivieren, wenn das in die Jahre gekommene Wirtschaftsrecht dies zuließe: Könnten sie aus den ver- meintlichen Kosten auch offiziell Investitionen machen, käme der Buchwert dem tatsächlichen Wert des Unternehmens näher.
Heikle Wünsche
Entscheidend ist aber noch etwas anderes: Wenn die Banken bei der Vergabe von Krediten demnächst die Regeln von »Basel II« zu Grunde legen, bekommt derjenige billiger Geld, der ein gutes Rating vorweisen kann – und da hätte derjenige einen Wettbewerbsvorsprung, der einen möglichst großen Teil seiner Intangibles anrechnen lassen kann. Die nur in den Köpfen existierende »Software« der Kommunikation ist in dieser Hinsicht aber deutlich problematischer als klassische Formen intellektuellen Kapitals wie Patente oder Computerprogramme.
Heikel sind die Wünsche nicht zuletzt deshalb, weil einige Vertreter der Zunft, vor allem aus der Sparte Investor Relations, erst vor wenigen Jahren in beängstigender Weise die Wirkungsmacht von Öffentlichkeitsarbeit bewiesen haben. Ohne vermeintlich erfolgreiche, wertschöpferische Kommunikation würde niemand den Worldcom-Cowboy Bernie Ebbers oder den Enron-Halunken Kenneth Lay ken- nen, und deutschen Anlegern wären bittere Erfahrungen mit Infomatec und EM.TV, Flowtex und Comroad erspart geblieben. Die gesamte New-Economy-Blase war schließlich ein Produkt von Kommunikationsarbeit – und sie zeigte auch, wie schnell systematisch aufgebaute Werte wieder in sich zusammenfallen, wenn herauskommt, dass die Wahrheit ganz anders aussieht. Ein taugliches Rezept gegen die Auswüchse und das Wirken schwarzer Schafe wäre gewiss nicht auf Controlling ausgestellt gewesen, sondern auf Corporate Governance.
Blackbox mit Gucklöchern
Umso mehr Wert legen die Fürsprecher des neuen Kommunikationsmanagements darauf, die Seriosität ihrer Modelle zu vermitteln. Dass nun Gucklöcher gesägt werden in die Black Box, als die die PR dem Finanzchef erscheint und in die er einen nach sehr subjektiven Kriterien bemessenen Betrag einzahlt, stellen sie in den großen Zusammenhang, der im Englischen mit dem Wort accountability (wörtlich: Zurechenbarkeit) umschrieben wird – jeder Mitarbeiter muss geradestehen für das, was er tut. In der Sozialwissenschaft ist sogar schon vom Trend zur audit society die Rede, was nur böse Zungen mit »Gesellschaft mit Rechnungsprüfermentalität« übersetzen. Wer sich dieser Herausforderung stellt, muss sich jedenfalls auch gegenüber den Controllern wappnen für den Fall, dass im Unternehmen etwas schief geht, das er nicht unter Kontrolle hat. Er tut gut daran, »kommunikative Rückstellungen« zu bilden, wie Mirko Lange von der GPRA Regelungen nennt, die in Krisenzeiten abseits der normalen Planvorgaben sicherstellen, dass das »Imagekonto nicht ins Minus rutscht«: »Wenn es durch ein Medikament zu einem Todesfall kommt, wird dem Hersteller hier enorm viel abgebucht. Er muss präventiv für die nötige Deckung sorgen, und das ist wiederum controllingfähig.«
Damit die interne Kommunikationsbilanz stimmt, muss in der Logik des Controllings natürlich die Abteilung mit den Kosten belastet werden, die den Schaden verursacht hat, während jede Schadensbegrenzung durch die PR – als Saldenausgleich – dort auf die Habenseite gebucht wird. Aber auch solche Prozesse, die eigentlich gar nicht ablaufen sollen, lassen sich auf Scorecards festhalten oder in ein wertbasiertes Management einbauen. Potenzielle »Wertvernichter« zu erkennen, ist ebenso wichtig wie »Werttreiber« zu finden.
Für ihre eigentliche Klientel, die PR-Praktiker in den Unternehmen, haben die Vertreter der Scorecard-Ansätze sympathischere Effekte ihrer Konzepte herausgearbeitet: Wer es richtig angeht, wird argumentiert, kann damit mehr erreichen. Bernd Schuppener, Managing Partner der Agentur Hering Schuppener, sieht »eine Chance für die Kommunikationsverantwortlichen, ihrem Exotendasein« zu entkommen und ihren Bereich effizienter zu lenken. »Kommunikation ist dann keine enabling function mehr, sondern ein Konstruktionsprinzip der Unternehmensführung«, wirbt der Agenturchef für sein Konzept „Hering Schuppener Communication Scorecard“, »Kommunikation wird ernster genommen, wenn sie ans strategische Controlling andockt.« Ängste vor Machtverlust sollen seinen Klienten nicht haben: »Die Marke zu führen, bleibt weiterhin die Kunst der Kommunikatoren. Die Scorecard bietet nur den Rahmen, strategisch und kreativ zu kommunizieren.«
Der wachsende Anteil strategischer und potenziell controlling-affiner Aufgaben – etwa durch bessere Mitarbeiterkommunikation Motivation und Produktivität zu fördern oder durch integrierte Kommunikation die Position im Reputationsindex zu verbessern – beschäftigt auch die Aus- und Fortbildungsszene. Stefan Kombüchen, Chef des Weiterbildungsanbieters PR plus, prophezeit: »Strategische Kommunikation wird mittelfristig die Medienarbeit als Hauptaufgabe ablösen.« Seinen Kursteilnehmern gibt er aber keine Empfehlung mit auf den Weg. »Die Modelle werden kritisch diskutiert«, verrät Kombüchen, »sie sind noch nicht so ausgereift, dass man sie als Nonplusultra ansehen könnte.« Dass die Branche aber überhaupt so weit gekommen sei, hänge damit zusammen, dass mehr Wert auf eine fundierte Ausbildung gelegt werde. »PR wurde noch nie so professionell betrieben wie heute.« Claudia Mast pflichtet ihm bei: »PR hat sich in den letzten Jahren enorm professionalisiert und gezeigt, was in diesem Aufgabengebiet steckt: die Erhaltung und Steigerung von Reputationswerten – auch wenn Personal abgebaut werden muss, Manager sich unglücklich in der Öffentlichkeit verhalten oder Mitarbeiter immer neue Umstrukturierungen verkraften müssen.«
Lenken und überwachen
So dürften die heutigen Absolventen bald eine aktive, aber selbstbewusst-fordernde Rolle bei der Annäherung zwischen Kommunikatoren und Controllern spielen. Ängstlich, so die übereinstimmende Einschätzung der Experten, sind eher die Älteren. Dieser Zielgruppe sagen Kenner der Materie wie Bernd Schuppener oder Ansgar Zerfaß, als hätten sie sich abgesprochen, wie aus einem Mund: »Controlling hat nicht den Zweck, die Mitarbeiter zu überwachen, sondern die Unternehmenskommunikation in die richtige Richtung zu lenken.« Und GPRA-Vordenker Lange freut sich, dass die Chancen der Evaluationstools erkannt werden. Wirkungsforschung werde nicht mehr als selbstreferenziell betrachtet, sondern als Mittel »zu überprüfen, ob wir auf dem Weg zu einem betriebswirtschaftlichen Ziel sind«.
Moderne Kommunikationsmanager, die sich in die Materie eingearbeitet haben, sehen das offenbar ähnlich. Uta-Micaela Dürig, die die weltweite Unternehmenskommunikation der Bosch-Gruppe in Stuttgart verantwortet, steht für einen pragmatischen Umgang mit dem neuen Management-Instrumentarium. »Kommunikation wird von Menschen für Menschen gemacht«, konstatiert die gelernte Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin, »Tools wie die Scorecards sind unterstützende Elemente. Sie helfen den Mitarbeitern, Beiträge, die sie im Hinblick auf unsere Kommunikationsstrategie leisten können, in konkrete messbare Maßnahmen umzuwandeln.« Die Kunst besteht für Dürig darin, sich bei allen Vorzügen des systematischen Arbeitens nicht zum Sklaven von Scorecards zu machen, sondern mit deren Hilfe unternehmerisch zu denken – was sie nicht auf sich alleine bezieht, sondern auf ihr ganzes Team. Die Chance, sich beim Anlegen der Scorecard selber Ziele zu setzen, beflügelt nach Dürigs Eindruck sogar die Motivation: »Die meisten schreiben eher zu viel auf die Scorecard, da muss man dann manchmal auch realistisch sein und bremsen.«
Zählen und Erzählen
Eines scheinen die Gegner von systematischen Evaluationen nämlich zu übersehen: Wenn die Unternehmenskultur stimmt, besteht das Feedback für die Teilnehmer nicht primär aus Tadel, sondern aus Lob. Professor Rolke, der Grenzgänger zwischen BWL und Kommunikationswissenschaft, nimmt deshalb auch die Gegenseite in die kommunikative Pflicht. »Heute müssen alle Abteilungen beides können, zählen und erzählen. Die Kommunikationsleute müssen lernen, besser zu zählen – und die Controller besser zu erzählen.«
Aus „Profile“, dem Kundenmagazin von Observer Argus Media (heute Cision); Ausgabe 2 • 2005
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