Die Freiheit, die ich meine

Mein Kölner Kollege Timo Stoppacher sammelt gerade Meinungen zum Thema Freiberuflichkeit und hat eine „Blogparade“ gestartet: Warum ich gerne freier Journalist bin #darumfrei.

Nun denn, hier ist mein Senf dazu. Ich kann bei dem Thema mitreden, weil ich mich vor gut 23 Jahren selbständig gemacht habe. Wer erwartet, dass ich deshalb ein Loblied auf die Freiberuflichkeit singe, wird allerdings enttäuscht sein. Deutschland ist nämlich ein Angestelltenland, dem die Angestelltenmentalität ganz tief in den Knochen steckt. Wissen über oder Verständnis für meine Form der Berufstätigkeit ist nicht allzu weit verbreitet in der Gesellschaft. Wer sich eine Existenz als Freiberufler aufbauen möchte, muss bedenken, dass wir Kleinunternehmer für die Mehrheit der Bevölkerung und auch für unsere Politiker immer noch Exoten sind – wie ich es hier einmal beleuchtet habe. Für die mehr oder minder sozialdemokratischen Parteien, aus denen sich sämtliche Mitglieder unseres Bundestags rekrutieren, ist das Arbeitnehmertum ebenso eine Selbstverständlichkeit wie die Annahme, „die Wirtschaft“ sei ein Synonym für „die großen Konzerne“. Dass es in diesen Fraktionen auch ein paar Selbständige gibt, ändert nichts an den Parteilinien.

Was heißt es denn nun, Angestellter zu sein oder Freier?

Angestellte haben selten schöne, ruhige Büros. Sie ernähren sich oft von Kantinenessen (das nicht schlecht sein muss), tragen viel Geld in die Gastronomie oder futtern zuviel Fastfood. Wenn sie ihren Arbeitsplatz so gestalten wollen, wie es ihrer bevorzugten Arbeitsweise entspricht, müssen sie einen Investitionsantrag stellen, der aber oft an strikten Vorgaben der Einkaufsabteilung scheitert. Sie können sich ihre Kollegen nicht aussuchen und müssen jeden Tag und bei jedem Wetter ins Büro fahren, was weder im Auto noch im Zug oder Bus ein Vergnügen ist. Weil Pendeln mit zunehmender Distanz ärgerlicher wird, wohnen sie öfter in der Großstadt, wo Mieten hoch und Baugrundstücke teuer sind. Ihre Kinder sehen sie werktags nur beim Frühstück und vor dem Schlafengehen. Dafür bekommen sie aber weiter ihr Geld aufs Konto, wenn sie mal für ein paar Tage krank sind. Zudem steht ihnen Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu. Alles in allem bietet das Angestelltenleben schon den einen oder anderen Vorteil.

Nun zu uns Freien: Jedes Möbelstück, jedes technische Gerät in meinem Büro habe ich selbst ausgesucht, Regal und Schreibtisch sind auf Maß aus meinem Lieblingsholz geschreinert. Allein das macht die Arbeit viel angenehmer. Ich wohne günstig im ländlichen Raum, brauche dabei nicht zu pendeln, habe ergo mehr Zeit netto und zugleich wenig Stress mit Fahrerei. Ich belaste die Umwelt mit weniger CO2. Mittags kommt frisches, gesundes Essen auf den Tisch, und vom Leben meiner Familie bekomme ich mehr mit.

Ganz entscheidend ist, dass die Arbeit vielseitiger ist und man nie Aufgaben übernehmen muss, auf die man keinen Bock hat. Die Gefahr ist aber, dass man sich überreden lässt, Aufträge anzunehmen, die man hinterher bereut: Manche Redaktionen sind sehr gut darin, gerade die Aufträge nach draußen zu vergeben, die zwar interessant sind, aber besonders viel Arbeit machen. Offenbar herrscht der Glaube vor, ein Freier, der viel Ahnung von der Materie hat, mache auch komplexe Geschichten mit links. Dass Spezialisierung auf bestimmte Sparten in Wirtschaft, Technik oder Politik nicht funktioniert, ohne viel Zeit zu investieren, wird gerne übersehen – ebenso wie die Tatsache, dass ein Honorar etwas anderes ist als ein Nettogehalt.

Wie gesagt: Wir leben in einer Angestelltenrepublik.

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