TELEKOMMUNIKATION: Mit hohem Tempo

Die Telekom führt Mitte des Jahres die Datenautobahn für jedermann ein. Die Konkurrenz steht außen vor.

 

WIRTSCHAFTSWOCHE 12/1999

Noch drei Monate, dann schaltet die Telekom den T-Online-Turbolader ein. Am Unternehmenssitz Bonn und in sieben weiteren Großstädten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) können Surfer dann mit zigfacher ISDN-Geschwindigkeit durchs internet brettern. Sie bekommen bis zu einem Megabit pro Sekunde frei Haus. Das neue T-DSL, außerhalb des Konzerns als ADSL (Asymmetrie Digital Subscriber Line) bekannt, läßt selbst die überladensten WWW-Seiten ohne merkliche Verzögerung auf dem Monitor erscheinen. T-DSL funktioniert allerdings nur bei Anschlüssen, die maximal fünf Kilometer von der nächsten Vermittlungsstelle der Telekom entfernt sind. „Mit der schnellen Einführung dieser Technologie nimmt die Deutsche Telekom eine Pionierstellung in Europa ein“, klopft sich Vorstandsmitglied Gerd Tenzer auf die eigene Schulter.

Deutsche Webaholics mögen in den Jubel noch nicht einstimmen. Im Februar sickerte durch, daß der rosa Riese ordentlich hinlangen will wie in alten Monopolistentagen. 250 Mark (128 Euro) monatlich soll die Hochdruckdatendüse kosten. Mit dem happigen Pauschaltarif wären allerdings 25 Onlinestunden abgegolten; für jede weitere Stunde kämen nach diesem Plan sechs oder acht Mark hinzu. Das wäre zwar attraktiv für Telearbeiter und kleinere Firmen, entspräche aber kaum den Budgets von Privatleuten, die sich für „leistungsfähiges Entertainment mit Videoclips, Spielen oder 3-D-Animationen“ interessieren, wie es in der Telekom-Werbung heißt.

Harald A. Summa vom Branchenverband Electronic Commerce Forum (ECO) findet diese Preispolitik fatal: „Solange sich nur Minderheiten ADSL leisten können, lohnt es sich kaum, für deutsche Konsumenten innovative Multimediaangebote zu entwickeln.“ Um beispielsweise einen voll digitalen Vertrieb für Software, Musik, virtuelle Bücher oder Videos aufzubauen, brauche man mehr als die maximal 100.000 Kunden, die die Telekom bis Ende des Jahres mit T-DSL versorgen will. Dabei wäre das Interesse der heute acht Millionen Internetnutzer an schnelleren, erschwinglichen Netzzugängen nach Ansicht von Experten schon heute sehr groß. Der „etwas prohibitive“ Mindestumsatz von 250 Mark diene wohl hauptsächlich dazu, die Nachfrage während der Startphase unter Kontrolle zu halten, vermutet Werner Knetsch, Geschäftsführer beim Beratungskonzern Arthur D. Little in Berlin. „Nächstes Jahr gehen die Tarife spürbar nach unten“, glaubt er.

Amerikanische Carrier führen unterdessen vor, was sie unter einer schnellen Einführung neuer Technik verstehen. Seit dem vorigen Sommer drängen regionale Telefongesellschaften wie Bell Atlantic, US West und SBC vehement mit ADSL in den Massenmarkt. Mit Pauschalpreisen weit unterhalb der künftigen Telekom-Gebühr ködern sie jene Netzbewohner, die zur abendlichen Internet-Prime-Time ganze Ortsnetze an den Rand des Kollapses surfen und chatten.

Das hohe Tempo, das einige Dienstleister bei der Einführung ihrer Megabitnetze an den Tag legen, hat freilich auch damit zu tun, daß ihnen neue Konkurrenten die regionalen Monopole streitig machen. Alle großen Kabelfernsehunternehmen der USA drängen in die Telekommunikation. Mittels Kabelmodem machen sie die Buchse des Kabelfernsehnetzes zur ultimativen Multimediasteckdose, Telefon und Internet inklusive.

Der wichtigste Drahtzieher heißt Michael Armstrong: Der Chef des Fernmeldekonzerns AT&T kaufte dieses Jahr für 48 Milliarden Dollar den führenden Kabel-TV-Netzbetreiber TCI, der wiederum den Kabelmodempionier @Home Networks kontrolliert. So stellt Sanierer Armstrong den Zugang zu den Ortsnetzen wieder her, der seinem Arbeitgeber per Gesetz von 1984 bis 1996 verwehrt war.

Weil die Technik der Kabelmodems größere Datenmengen über weitere Entfernungen transportieren kann als ADSL, entscheiden sich mittlerweile jeden Monat mehrere zehntausend für die Offerten von @Home und dem Time-Warner-Ableger Road Runner. Sie zahlen dafür nur einen Bruchteil dessen, was das langsamere T-DSL kosten soll: Für 39,95 Dollar (36 Euro) gibt es eine „always on“-Verbindung – eine Art Standleitung – zum World Wide Web. Die Telefongesellschaft SBC Communications aus San Antonio/Texas, die derzeit über 500 Vermittlungsstellen mit ADSL-Modems ausrüstet, ist notgedrungen auf den @Home-Preis eingestiegen: Die „Flatrate“ für die permanente 1,5-Megabit-Connection liegt jetzt bei 39 Dollar (35 Euro).

Von solchen Schnäppchen können die meisten deutschen Internetfans nur träumen. Denn bei Hochgeschwindigkeitszugängen zum Internet steht die Telekom trotz Deregulierung praktisch konkurrenzlos da.

Wettbewerber, die ADSL anbieten, brauchen einen Zugang zu den Telekom-Ortsvermittlungsstellen. Daraus wird so schnell nichts. Seit Klaus-Dieter Scheurle, Chef der Regulierungsbehörde, die monatliche Miete, die die Telekom-Konkurrenten für die letzte Meile zum Kunden berappen sollen, oberhalb der Telefongrundgebühr fixiert hat, ist den Wettbewerbern der Appetit aufs multimediale Massengeschäft erst einmal vergangen. Der Ausbau von Lokalnetzen für jedermann, von Mannesmann Arcor noch im Dezember für 1999 angekündigt, liegt vorerst auf Eis. Gerichte sollen jetzt entscheiden, ob die Scheurle-Entscheidung Rechtens war; bis dahin konzentrieren sich die neuen Telefongesellschaften auf das Geschäft mit Geschäftskunden.

Die Alternative, das Fernsehkabel zusätzlich zum Telefonieren und als Zugang zum Internet zu nutzen, wird derzeit nur in Berlin verfolgt. Für 10.000 Mieter im Bezirk Mitte ist das Telefonieren über das Fernsehkabel schon Realität. Als nächstes will die Augsburger Telekabel Service Süd (TSS), die die Berliner Anlage installiert hat und betreibt, schnelle Internetzugänge zu attraktiven Tarifen anbieten.

TSS-Geschäftsführer Peter Stritzl hofft jetzt, das Konzept auf weitere Bezirke der Hauptstadt übertragen zu dürfen. Wenn es nach Scheurles Vize Arne Börnsen geht, könnte er die Genehmigung bald bekommen. Bei einer Visite in Washington verblüffte der Sozialdemokrat seine Gesprächspartner mit der Drohung an die Adresse des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, Ron Sommer, die beantragten Preissenkungen für Telefon und T-Online könnten nur genehmigt werden, wenn die Telekom endlich mit dem Verkauf ihrer Kabelnetze beginne.

Doch selbst wenn die Verträge sehr schnell unter Dach und Fach kommen, kann die Telekom noch eine ganze Weile ihren Vorsprung mit ADSL ausbauen. Denn es wird lange dauern, ehe die Kabelfernsehnetze zu Datenautobahnen umgebaut sind. TSS-Chef Stritzl ist allerdings sicher, daß sich Interessenten finden, die bereit sind, entsprechend zu investieren. „Wir dürfen Multimedia nicht zu einem Luxusprodukt werden lassen“, warnt Stritzl, „nur um die Aktionäre der Telekom zu befriedigen.“

ULF J.FROITZHEIM

INTERNETSOFTWARE: Mut gefragt

Das winzige norwegische Softwarehaus Opera bietet einen kompakten Browser für anspruchsvolle Surfer an.

WIRTSCHAFTSWOCHE 10/1999

Wenn sich Helmar Rudolph etwas in den Kopf gesetzt hat, fragt er nicht danach, ob andere es für vernünftig halten. So hat er eine liebevoll gestaltete Website für das Wendland (www.wendland-info.com) gestaltet, die Region, die durch das Atommüllzwischenlager Gorleben bekannt wurde. Dabei lebt der 32jährige, der aus dem Wendland-Städtchen Lüchow stammt, seit 1993 in Südafrika.

Im Augenblick ist die Seite alles andere als aktuell, weil er vollauf mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist, über die viele den Kopf schütteln. Er vermarktet Opera, eine Internetsteuersoftware (Browser) aus Norwegen, die den etablierten Browsern Explorer von Microsoft und Navigator von Netscape Paroli bieten soll. Opera ist ein Browser für anspruchsvolle Internetsurfer – ein sehr handliches, schnelles Programm mit einigen  Extrafunktionen (siehe Kasten Seite 171). Der Haken an der Sache: Während Explorer und Navigator kostenlos abgegeben werden, kostet Opera 35 Dollar (31 Euro) Lizenzgebühren.

Rudolph, der im Kapstädter Vorort Constantia eine kleine Agentur für Online- und Datenbankmarketing betreibt, glaubt jedoch fest daran, dass Kunden für mehr Qualität gern zahlen. Begeistert von Opera zeigte sich auch die Fachpresse. Rund um den Globus erschienen wohlwollende Rezensionen; das US-Magazin „PC World“ kürte Opera zum „Most Promising Web Newcomer“ des Jahres 1998. Weil Rudolph das Programm freiwillig ins Deutsche übersetzte, wurde er so etwas wie der Deutschland-Repräsentant von Opera.

Die Herstellerfirma Opera Software AS in Oslo gibt sich alle Mühe, im Web so weltläufig zu wirken, als sei sie ein Multi mit enormen Ressourcen. Da gibt es für alte und neue Windows-Rechner Versionen in Norwegisch, Schwedisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch sowie in iberischem und lateinamerikanischem Spanisch; versprochen werden Ableger für fünf verschiedene, teils exotische Betriebssysteme sowie Übersetzungen ins Ungarische, Portugiesische, Polnische und Russische. Und doch beschäftigt die mutmaßliche Nummer drei auf dem Browser-Weltmarkt – AOL/Netscape und Microsoft kommen zusammen auf über 90 Prozent Marktanteil – nur 16 Angestellte. Opera ist so schlank, dass sie sich für ihren größten Zielmarkt USA gerade mal ein Eine-Frau-Büro leistet: Sandra Thorbjørnsen, Mitarbeiterin mit der Personalnummer 1, leitet von Cleveland aus das Amerika-Geschäft im Alleingang.

Helmar Rudolph hat unterdessen – für ein bescheidenes Pauschalhonorar – die Aufgabe übernommen, den deutschen Markt zu erschließen: Vom Kap der Guten Hoffnung aus organisiert er den Vertrieb – mehr als 9000 Kilometer vom Absatzmarkt entfernt. An Infrastruktur in Deutschland genügen ihm der Briefkasten in seinem Elternhaus im Wendland-Städtchen Lüchow und ein Bankkonto. Den Rest erledigt er per Telefon und E-Mail.

Schließlich ist Rudolph, der jeden duzt, Spezialist für Onlinemarketing, und als solcher nutzt er alle digitalen Ressourcen. „lch habe voriges Jahr keinen Pfennig für Werbematerial ausgegeben“, verkündet er stolz. Ganz nebenbei kümmert sich der Wahl-Kapstädter auch noch um das Geschäft in Südafrika und um die Übersetzung des Windows-Browsers in Afrikaans.

Den Eifer engagierter Mitarbeiter nach Kräften zu nutzen, entspricht ganz dem Managementstil der Firmengründer Jon Stephenson von Tetzchner und Geir Ivarsøy, die vor fünf Jahren die Urversion von Opera schrieben – damals noch als Angestellte der Telefongesellschaft Telenor. Selbst bei der Entwicklung neuer Produkte vertrauten die beiden, um Personalkosten zu sparen, lange auf die Zuarbeit enthusiastischer Opera-Fans.

So überließen sie die Programmierung von Browsern für zusätzliche Betriebssysteme sogenannten Volunteers in verschiedenen Ländern – und  erlebten herbe Rückschläge: Ein Team dänischer Freiwilliger biss sich im Herbst an der Version für den Apple Macintosh die Zähne aus, und auch Anwender des immer populärer werdenden Freeware-Betriebssystems Linux mußten sich immer wieder vertrösten lassen, weil die externen Entwicklungshelfer auf der Stelle traten. Jetzt sollen, so PR-Managerin Thorbjørnsen, die wichtigsten Versionen intern entwickelt werden. Um die Finanzierung sicherzustellen, sollen die späteren Nutzer schon vorab zur Kasse gebeten werden.

Die Zukunft von Opera entscheidet sich gleichwohl im Markt der Windows-Anwender – und hier vor allem bei den Großkunden mit ihren Intranets. Während der skandinavische Browser an Universitäten und Fachhochschulen schon eine nennenswerte Fangemeinde hat, steht der Durchbruch in Handel und Industrie noch aus – da kämpfen die Opera-Erfinder mit den gleichen Problemen wie alle anderen Shareware-Autoren. „Das harmoniert nicht mit der eingespielten Beschaffungsbürokratie in den Betrieben“, bedauert Helmuth Gümbel von der Münchner Unternehmensberatung Strategy Partners, „um Shareware oder auch Freeware wie Linux einzuführen, braucht es Mut.“

Zu diesem Bonus für etablierte Hersteller kommt das finanzielle Argument hinzu: Ein Softwareeinkäufer lässt sich schwer davon überzeugen, für Shareware Geld auszugeben, solange Microsoft seinen Explorer gratis liefert.

Am Kap ist Helmar Rudolph dennoch guter Hoffnung, daß sich sein Einsatz demnächst auszahlt. Noch im ersten Halbjahr werde es Kooperationen mit deutschen Wiederverkäufern geben, die in ihren Branchen die Werbetrommel für Opera rühren sollen. Auch für das Endkundengeschäft ist er optimistisch. So hat er seinen Browser unter anderem auf den CD-ROM-Samplern von Data Becker und der Zeitschrift „Chip“ plazieren können.

Er kann sich auch Kooperationen mit Internet-Service-Providern vorstellen – obwohl die ihren Kunden bisher meist Software mitgeliefert haben, die nichts kostet – und peilt mittelfristig die Gründung einer Opera-Vertriebsfirma in Deutschland an, die er ebenfalls von Kapstadt aus führen will. Zumindest gibt es keine Zeitverschiebung. Kapstadt liegt fast auf demselben Längengrad wie Lüchow.

ULF J . FROITZHEIM

ALTERNATIVE BROWSER:

Was die Exoten können

Opera 3.51

Die Urversion dieses Programms wurde 1994 bei der norwegischen Telefongesellschaft Telenor für interne Zwecke entwickelt; Ende 1995 verließen die Autoren Jon von Tetzchner und Geir Ivarsøy das Unternehmen und gründeten ein Unternehmen zur Vermarktung von Opera. Die erste Shareware kam Ende 1996 auf den Markt. Allein über die Adresse www.download.com des amerikanischen Providers Cnet – dort gibt es Links zu sämtlichen lieferbaren Browsern – wurden binnen sechs Wochen 600.000 Kopien der aktuellen Version abgerufen. Besonderheiten: Im Gegensatz zu den gängigen Browsern wurde Opera nicht aus vorgefertigten Programmelernen – ten zusammengebaut, sondern von Grund auf neu entwickelt. Alles, was die Erfinder für entbehrlich hielten, ließen sie weg; darum sind E-Mails nur mit separatem Mailprogramm zu empfangen (beziehungsweise über einen WWW-Mail-Dienst wie Hotmail, GMX oder T-Online Webmail). Dafür ist Opera so kompakt, dass die Kernkomponenten auf eine einzige Diskette passen und auch alte Computer mit kleinem Arbeitsspeicher problemlos damit zurechtkommen. Opera gilt als schnellster Browser und kann mehrere Internetseiten neben- und übereinander darstellen; mit einer Zoomfunktion läßt sich jedes Fenster auf bis zu 2000 Prozent vergrößern oder auf 20 Prozent verkleinern. Alle Funktionen können zudem per Tastatur ausgewählt werden.

Bezug: Internet (www.operasoftware.com oder www.nta.opera.no), 30 Tage kostenloser Test (Vollversion), Voll-Lizenz 35 US-Dollar

Staroffice 5.0

Vor zwei Jahren hat der Hamburger Softwarehersteller Stardivision einen Browser in sein Allround-Büropaket Staroffice eingebaut, um einen nahtlosen Übergang zwischen Textverarbeitung und Onlinekommunikation zu schaffen. Besonderheiten: Auch wenn es die Entwickler um Firmenchef Marco Börries anders sehen, ist die eingebaute Web-Software kein Ersatz für einen vollwertigen Browser, nur eine praktische Ergänzung. Staroffice taugt, wenn man kurz mal etwas im Internet nachschauen will, ohne eigens ein zweites Programm zu starten, oder wenn der Text einer Webpage in ein eigenes Dokument kopiert werden solL Wer tiefer ins Netz eintauchen will, stößt sich aber bald an der gewöhnungsbedürftigen Handhabung – das All-in-one-Konzept erweist sich als Kompromiss. Wer mit elektronischer Post schon gearbeitet hat, tut sich außerdem schwer mit dem integrierten Mailprogramm.

Bezug: CD-ROM im PC-Handel; kostenlos aus dem Internet (www.stardivision.de)

Neoplanet 2.0

Der auf jedem Windows-PC vorinstallierte Microsoft Explorer gilt bei eingefleischten Multimediafreaks als halbe Sache. Die geistigen Eltern von Neoplanet wollten daraus eine ganze machen. Darum darf man den Explorer nicht deinstallieren,wenn man auf Neoplanet umsteigen will: Ohne dessen Funktionen im Hintergrund läuft der Browser nicht. Besonderheiten: Neoplanet ist vollgestopft mit sogenannten Channels – also Special-Interest-Informationskanälen, die von Medienunternehmen gespeist werden. Damit findet man viele aktuelle Informationen auch schon ohne Visite auf einer Portalseite wie Netcenter oder Yahoo. Aus Deutschland dabei ist der Berliner „Tagesspiegel“, aus Großbritannien die „Financial Times“. Grafisch wirkt Neoplanet leicht überfrachtet, und sonderlich schnell ist das Programm auch nicht.

Bezug: kostenlos aus dem Internet (www.neoplanet.com)

Hot Java

Mit der Programmiersprache Java gelang dem Computerhersteller Sun Microsystems ein großer Coup. Der Versuch, einen passenden Browser zu vermarkten, ging daneben: Hot Java gilt bei Web-Kennern als kalter Kaffee, denn die Seiten bauen sich sehr langsam auf. Besonderheiten: Hot Java paßt gut zu Intranets.

Bezug: kostenlos aus dem Internet (www.sun.com/software)

Arachne 1.48

In Osteuropa ist noch sehr viel Hardware installiert, die nur unter dem Uraltbetriebssystem MS-DOS läuft. Für diese Klientel hat die tschechische Firma xChaos Software einen extrem kompakten Browser entwickelt. Die Software arbeitet sehr ressourcensparend Besonderheiten: Das Programm kommt ohne Windows aus und kann trotzdem alles, worauf es im Internet ankommt.

Bezug: Internet (http://xch.arachne.cz), 30 Tage kostenloser Test, Voll-Lizenz 30 US-Dollar (26 Euro)

Lynx 2.8

An manchen Universitäten und Instituten müssen sich Studenten und Wissenschaftler noch mit antiquierter Hardware herumschlagen, beispielsweise mit Terminals, die keine grafischen Darstellungen zulassen. Für diese akademische Zielgruppe hat die University of Kansas den Lynx-Browser entwickelt. Besonderheiten: Lynx ist relativ winzig (0,5 Megabyte) und extrem schnell, kann aber ausschließlich Text wiedergeben. Wer die bunten Bilder im World Wide Web sowieso nur störend findet, kann sich Lynx auch auf einen Windows-PC laden und dann turboschnell online lesen.

Bezug: kostenlos aus dem Internet (www.lynx.com).

Mosaic 2.7

Der allererste Browser und Urahn von Netscape Navigator und Internet Explorer. Weil das National Center for Supercomputing Applications (NCSA) die Weiterentwicklung von Mosaic eingestellt hat, gilt dieser Browser inzwischen als hoffnungslos veraltet.

Bezug: kostenlos aus dem Internet: www.ncsa.uiuc.edu

UJF

In Serie abrufen

Suchmaschinen bekommen Konkurrenz. Künftig soll selbstlernende Software Surfern den Weg weisen.

WIRTSCHAFTSWOCHE 10/1999

Alexa ist anhänglich. Hat man sie erst einmal auf seinem Computer installiert, wird man sie nicht mehr los. Jedenfalls nicht als normaler Computernutzer. Ruft man eine beliebige Web-Seite auf, ist Alexa sofort zur Stelle und macht ungefragt mehr oder weniger nützliche Vorschläge für den nächsten Surftrip – und ein bisschen Werbung. Freilich reicht ihre Künstliche Intelligenz bis dato nicht so weit, dass sie es bemerken würde, wann sie mit ihren Einblendungen lästig wird. Alexa ist eine Software, die Internetsurfern helfen soll, Informationen zu finden.

Doch nicht jeder ist davon begeistert. „Wie deinstalliert man dieses Miststück?“ poltert ein anonymer Surfer auf der Feedback-Web-Seite der Firma Alexa Internet. Ein Mensch namens Joe schimpft dortselbst: „Ich hasse es! Es hat sich automatisch auf meinem Computer installiert, und ich wollte es gar nicht.“ Bei manchen Leuten scheint sich das Programm sogar völlig unbemerkt auf die Festplatte geschlichen zu haben – etwa bei jener ahnungslosen Dame, die sich den E-Mail-Spitznamen „A. Louise C.“ gegeben hat: „Ich habe keinen Schimmer, was diese Alexa ist. Warum ist sie in meinem PC?“

Schuld an dem Ärger ist einer, der es eigentlich nur gut gemeint hat: Brewster Kahle, 39, aus San Francisco, eine international anerkannte Koryphäe auf dem Gebiet des sogenannten Information Retrieval, dem gezielten Finden von Informationen im Internet. Seit über zehn Jahren versucht der Absolvent des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Computern beizubringen, aus unüberschaubaren Datenbergen wertvolle Informationen herauszusieben.

Genau das ist auch der Anspruch, den Kahles Unternehmen Alexa Internet erhebt – nur daß die kostenlos aus dem Netz abrufbare Software Alexa 3.0, die sich bei Joe, Louise und dem Anonymus im Microsoft Internet Explorer festgekrallt hat, nach Einschätzung der US-Fachzeitschrift „PC Magazine“ ihren Zweck „bei weitem nicht perfekt“ erfüllt. Jedenfalls noch nicht.

Das ist für eine Menge Menschen, die in der Internetbranche ihr Geld verdienen, eine beruhigende Nachricht. Wäre Alexa ein völlig ausgereiftes Produkt, könnten die Betreiber sämtlicher Suchmaschinen – von Altavista über Netcenter und Web.de bis Yahoo – sofort ihre Läden zusperren.

Die grundlegende Idee von Kahle und seinem Kompagnon Bruce Gilliat ist so bestechend wie simpel: Der Zentralrechner in San Francisco registriert die digitalen Spuren, die Hunderttausende von Alexa-Nutzern bei ihrem Weg durchs Web hinterlassen, und destilliert aus diesen Daten die häufigsten – und damit vermutlich sinnvollsten – Querbeziehungen zwischen den unterschiedlichsten Seiten.

Je mehr Menschen Alexa auf ihrem Computer haben, desto mehr Daten können ausgewertet werden, und um so zuverlässiger funktioniert nach Kahles Theorie auch das System: Wie ein virtueller Organismus sammelt die Gesamtheit der Netznutzer kollektive Erfahrungen, die jedem einzelnen die Orientierung im Datendschungel erleichtern sollen. Die Rolle der Suchmaschinen würde sich darauf reduzieren, den Einstiegspunkt für die Reise zu finden.

In der Praxis hängt die Trefferquote von Alexa allerdings sehr davon ab, zu welchem Themengebiet man gerade Informationen sucht und wie sehr man in die Tiefe gehen will. So meckert ein gewisser Ted Knudson über die „blödesten Links, die ich je gesehen habe“, während offensichtliche Internetnovizen Alexa oft über den grünen Klee loben. Tatsächlich ist schwer nachvollziehbar, wieso ein direkter Weg von einem amerikanischen Softwarekatalog schnurstracks zum Fahrplan der Deutschen Bahn AG führt. Außerdem offenbart die Software systematische Schwächen. So tendiert Alexa dazu, Rückkopplungsschleifen zu bilden, die Fehler verstärken: Ist ein unsinniger Link, wie er in Suchmaschinen alle Tage vorkommt, erst einmal in der Software fest etabliert, führt er immer mehr Leute in die Irre; diese Irrwege wiederum interpretiert der Zentralrechner automatisch als Bestätigung dafür, dass es einen logischen Zusammenhang zwischen den Adressen gibt. Außerdem ist das System keineswegs missbrauchssicher: Kleinere Unternehmen können sich leicht an einen bekannten Konkurrenten anhängen, indem sie immer wieder von dessen Website aus ihre eigene anwählen – so lange, bis Alexa dies registriert und einen Link einrichtet.

Dann wird jeder, der die Homepage des großen Unternehmens aufruft, automatisch auch mit der des kleinen verbunden. Alexa entscheidet nicht nur darüber, wohin die bisher gut eine Million Surfer geleitet werden, die sich die Software auf den Rechner geladen haben. Im millionenfach verbreiteten Netscape-Browser Communicator 4.5 sind Alexas Verkupplungskünste sogar serienmäßig abrufbar – als „Verwandte Objekte“.

Vor allem aber ist das kalifornische Unternehmen die bestsortierte Auskunftei, was Informationen über Firmen-Websites angeht: Seit fast drei Jahren durchkämmen Kahles Leute per Suchroboter immer und immer wieder das gesamte World Wide Web (WWW) – und speichern alles, was sie finden. Dieses „Internet Archive“ (siehe Kasten) soll zwar eigentlich der Allgemeinheit dienen; Kahle will das WWW der Jahrtausendwende für die Nachwelt erhalten, damit die Kulturhistoriker künftiger Generationen unsere Epoche nachvollziehen können. Das Archiv wirft aber gleichzeitig viele statistische Daten ab, die kommerziellen Wert haben. Man kann daraus eine Menge erfahren: Wie gut ist die Website meines Konkurrenten besucht? Wie schnell ist sein Server? Wer verbirgt sich wirklich hinter einer Seite? Welcher Dienstleister hat welche Kunden?

Die Transparenz, die Kahle damit schafft, geht manchem Betroffenen denn auch zu weit. „Ich war baff, dass ihr Burschen die Nerven habt, meine private Adresse und Telefonnummer für jedermann offen anzuzeigen“, entrüstet sich ein gewisser Joe – und droht mit einer Klage. Kolumnisten der amerikanischen Fachpresse stoßen ins gleiche Horn: Alexa sei anmaßend, lautet der Tenor, nicht zuletzt, weil der eingesetzte Datenstaubsauger nicht einmal vor den Diskussionsforen im Internet halt macht. Und was dort steht, ist nach den Regeln der sogenannten Netiquette nicht für Außenstehende gedacht.

Wer sich von der Aufregung der Fachleute bisher nicht hat anstecken lassen, sind die aufs Internet spezialisierten Wall-Street-Analysten. Sie scheinen Kahle nicht zuzutrauen, daß er seine Ziele wirklich realisieren kann. In den Aktienkursen von Yahoo & Co. haben seine Aktivitäten nicht einmal eine kleine Delle hinterlassen.

ULF J. FROITZHEIM

WEB-ARCHIV

Dummes Zeug für die Ewigkeit

Alle sechs Wochen saust der große Datenstaubsauger von Brewster Kahle durch das ganze World Wide Web. Der Chef des Softwarehauses Alexa Internet hat es sich in den Kopf gesetzt, ein möglichst vollständiges Abbild der gegenwärtigen Netzinhalte zu konservieren.

Schon mehr als zwölf Terabytes (12000000000000 Bytes) hat er bereits in seiner robotergesteuerten Magnetbanddatenbank gespeichert: wissenschaftliche Arbeiten ebenso wie Homepages von
Unternehmen, Pin-up-Fotos von Pamela Anderson und Pornobilder.
Nutzen läßt sich das Alexa-Know-how durch einen gleichnamigen Zusatz zur Internetsteuersoftware (Browser). Er erzeugt bei der Fehlermeldung „Error 404 – File not found“ das Wörtchen „Archive“, wenn die verschollene Seite in Kahles Archiv zu finden ist.

Bei Inhalten, die selten aktualisiert werden, ist die Chance groß, fündig zu werden. Kostenpflichtige Zeitungsarchive hingegen sind damit nicht zu ersetzen, denn auch aktuelle Medien werden nicht öfter gescannt. Damit vermeidet Kahle größere Streitereien ums Urheberrecht, denn er zahlt für die Speicherung fremder Texte keine Tantiemen.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht der selbsternannte Archivar dennoch: Datenschützer sind empört, daß damit jedes Wort, das jemand irgendwann online geäußert hat, mit großer Wahrscheinlichkeit auf Dauer dokumentiert wird. So gibt es bereits Arbeitgeber, die sich via Internet informieren, was ein Jobbewerber schon so alles von sich gegeben hat. Das Internetarchiv ist erbarmungslos: Dummes Zeug, das einmal darin gelandet ist, läßt sich nicht mehr löschen.

UJF

TELEFONKARTEN: Kriminell billig

Nepp oder Schnäppchen? Das Angebot an international nutzbaren Karten wird immer bunter.

WIRTSCHAFTSWOCHE 23/1998

Der neue Trend roch so sehr nach leichtem Geld, daß sich John „Junior“ Gotti, Sproß des berüchtigten New Yorker Mafiaclans Gambino, nicht zurückhalten konnte. Der 34jährige Nachwuchspate – seinen einst mächtigen Vater hat das FBI vor ein paar Jahren aus dem Verkehr gezogen – engagierte sich in der Telekommunikation. Genauer gesagt: im Vertrieb von Guthabenkarten, mit denen man von jedem beliebigen Telefon bargeldlos zum Discounttarif im In- und Ausland anrufen kann.

Diese „Prepaid Cards“ – zu Preisen ab zehn Dollar erhältlich an der Tankstelle, am Zeitungsstand oder im Supermarkt – haben sich in den USA binnen kürzester Zeit zum absoluten Renner bei Immigranten und zum Geheimtip unter europäischen Touristen entwickelt. Ihre Tarife liegen meist deutlich unter denen der klassischen Calling Cards von AT&T, MCI oder der Deutschen Telekom, bei denen der Kunde Rechnungen mit Einzelverbindungsnachweis bekommt, und drastisch unter den horrenden Gebühren der öffentlichen Münztelefone oder gar der Hotels (siehe Kasten). Erst 1992 eingeführt, bescheren die Papp- oder Plastikkärtchen der Branche bereits Milliardenumsätze und stattliche Gewinnmargen.

Gotti Junior bekommt von den Penunzen allerdings nichts mehr ab. Die Staatsanwaltschaft hat der Diversifikation des Unterweltunternehmers in die lukrative Wachstumsbranche ein Ende gesetzt. Zusammen mit 39 mutmaßlichen Komplizen landete Gotti im Januar hinter Gittern. Eine der zahlreichen Anschuldigungen lautet, er habe Telefongesellschaften und auch Käufer seiner Telefonkarten um Millionenbeträge geprellt. Der Vorwurf: Die Telefonkarten waren wertlos, weil von den Telefongesellschaften zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits gesperrt. Sie wollten nicht mehr länger auf die von Gotti versprochenen Verkaufserlöse warten.

So schnell kann’s gehen: Noch im vorigen Frühjahr hatte das New Yorker Szeneblatt „Village Voice“ dem Ehrenmann grimmig bescheinigt, seine mit dem Bild der Freiheitsstatue verzierte Liberty Tel Card „scheine tatsächlich zu funktionieren“ und gehöre bei Inlandsgesprächen zu den günstigeren Angeboten.

Die Stillegung des Gotti-Sohnes bedeutet auf keinen Fall Entwarnung für Geschäftsreisende und Touristen. Auf dem liberalisierten Markt tummelt sich zwar alles, was in der Telekommunikation Rang und Namen hat; was weder Rang noch Namen hat, allerdings erst recht. In amerikanischen Medien ist von bis zu 500 Anbietern die Rede sinnlos, da einen bestimmten zu suchen, wenn man gerade telefonieren muß.

Diese Unübersichtlichkeit gibt Betrügern reichlich Gelegenheit, ihr Talent und ihre Kreativität auszuleben. Ihre bevorzugten Opfer sind Ausländer – die wollen ein Schnäppchen machen, haben aber kaum einen Überblick, wer zu den seriösen Anbietern zählt. „Das Wachstum dieser lukrativen Branche“, klagt Bill Clintons oberste Verbraucherschützerin Jodie Bernstein, „macht es den Geschäftemachern allzu leicht, Zehntausende von Karten zu verkaufen und dann einfach zu verschwinden.“

Die Prepaid Calling Cards sind nicht von ungefähr zum beliebten Betätigungsfeld der Ganoven geworden: Im Gegensatz zum in Europa vorherrschenden Verfahren wird das Gebührenguthaben nicht auf einem Chip oder Magnetstreifen gespeichert, sondern im Zentralcomputer einer Telefongesellschaft, deren Name in der Regel gar nicht auf der Karte steht. Der Rechner prüft nur die Bonität des Zwischenhändlers und bucht die verbrauchten Gesprächsminuten von dessen Guthaben ab. Der Endkunde besitzt weder einen Beleg, noch kann er den Restwert erkennen. Hinzu kommt, daß jeder, der die elfstellige Zugangsnummer erspäht hat, auch ohne Karte den gesamten Betrag abtelefonieren kann.

Das macht das Argumentieren fast unmöglich, wenn die Roboterstimme plötzlich behauptet, das Guthaben sei verbraucht, obwohl die Karte neu ist. Solche Fälle kommen immer wieder vor, aber nur selten gelingt den Ordnungshütern ein Coup wie im Fall des indischstämmigen Geschäftsmannes Rajesh Kalra, den Jodie Bernstein von der Federal Trade Commission kürzlich vor Gericht in die Knie zwang. Der Inhaber dreier Calling-Card-Firmen mit tönenden Namen wie Trans American Systems Inc. hatte indische Einwanderer mit Dumpingtarifen dazu verführt, Karten zum Stückpreis von 100 Dollar per Post zu bestellen. Die eingesandten Schecks wurden rasch eingelöst, doch die Karten ließen auf sich warten. Wer die Lieferung anmahnte, den hielten die Call-Center-Mitarbeiter mit Ausflüchten hin. Bei vielen der tatsächlich ausgelieferten Karten verringerte sich wie von Geisterhand das Guthaben, auch wenn niemand telefoniert hatte. Kalra kam zwar mit einer Geldbuße davon, weil sich der kriminelle Vorsatz nicht beweisen ließ. Bevor er sich wieder in der Branche betätigen darf, muß er aber eine Million Dollar als Sicherheit hinterlegen.

Der Imageschaden, den die Goldgräber und Raubritter den seriösen Kartenanbietern zufügen, scheint sich dennoch in Grenzen zu halten. Deren Lobbyorganisation International Telecard Association in Washington rechnet damit, daß sich der Umsatz von 2,4 Milliarden Dollar im vorigen Jahr bis 2001 verdoppelt. Die Prognose ist nicht unrealistisch, denn die großen Supermarkt- und Drugstoreketten haben entdeckt, daß sie mit den Prepaids gute Geschäfte machen können. Branchengrößen wie MCI/Worldcom, Sprint und Smartalk gewähren den Händlern großzügige Gewinnspannen. Zudem eigne sich die Karten als Werbeträger. Künftig sollen Stammkunden der Märkte sogar Gratistelefonminuten als Naturalrabatt erhalten. Der letzte Schrei sind Calling Cards, die erst bei Bezahlung freigeschaltet werden: Wenn die Scannerkasse die Seriennummer auf der Packung erfasst, wird automatisch per Datenleitung der Zentralrechner der Telefonfirma informiert. Die Sicherheitsmaßnahmen und der Marketingaufwand sind allerdings preistreibend. Mit den zu Markenartikeln aufgewerteten Kärtchen telefoniert man zwar durchweg günstiger als mit Münzen, von denen man kaum so viele besorgen kann, daß es für einen Anruf nach Deutschland reicht.

Billiger als mit der aus Deutschland mitgebrachten Otelo-, Telepassport- oder T-Card kommt man aber nicht in jedem Fall davon – ein Preisvergleich, gerade bei Auslandsgesprächen, lohnt sich. USA-Profis fahren deshalb zweigleisig: Wenn ihnen ein Amerikaner eine günstige Prepaid-Karte empfehlen kann, schlagen sie zu – vor allem, wenn sie wissen, daß sie innerhalb der Vereinigten Staaten viele Inlandsgespräche führen müssen. Zur Sicherheit haben sie die konventionelle Calling Card ihrer deutschen Telefongesellschaft dabei.

ULF J. FROITZHEIM

KOSTENSENKUNG: Die Qual der Wahl

Mit der richtigen Telefonkarte lassen sich die Telefonkosten auf Reisen erheblich drücken.

Chipkarten

Vorteile: Das Guthaben ist auf der Karte gespeichert und damit überprüfbar. In vielen Ländern gibt es keine billigere Art zu telefonieren.

Nachteile: Man braucht für jedes Land eine eigene Karte (Ausnahme: Deutschland/Holland). Ärgerlich: nicht vertelefonierte Restguthaben.

Calling Cards

Der Nutzer wählt eine gebührenfreie Rufnummer an, identifiziert sich durch Eingabe seines Kartencodes sowie einer Geheimzahl und erhält dann eine freie Leitung. Die Gesprächskosten werden später vom Girokonto abgebucht. Auch Anbieter wie Otelo, Telepassport und Viag haben Calling Cards im Sortiment. Die Deutsche Telekom hat mit der T-Card einen Zwitter auf den Markt gebracht: Der eingebaute Chip ermöglicht zusätzlich die Benutzung deutscher Kartentelefone.

Vorteile: Mit diesen Karten kann man in einer Vielzahl von Ländern nahezu jedes Telefon bargeldlos nutzen. Der Kunde bekommt monatlich eine Rechnung mit Einzelverbindungsnachweis. Die meisten Karten sind zumindest gegenüber den teuren Telefongesprächen aus Hotelzimmern recht günstig.

Nachteile: Pro Verbindung wird meist eine Grundgebühr fällig (Telekom: 90 Pfennig). Viele Hotels berechnen eine sogenannte Service Charge für die Anwahl von 800er- und 0130er-Nummern. In den USA sind Beträge bis zu einem Dollar üblich, in München beispielsweise reichen die Kosten von null (Maritim) bis fünf Mark (Bayerischer Hof). In einigen europäischen Ländern (zum Beispiel in Österreich) muß man an öffentlichen Fernsprechern eine Münze einwerfen, bevor man die Zugangsnummer anrufen kann. Vor dem eigentlichen Anruf muß man sehr lange Zahlenkolonnen eintippen, es sei denn, man nutzt einen programmierbaren Tonwahlhandsender (bei Otelo und Telekom als Zubehör erhältlich). Gespräche zwischen Drittländern sind extrem teuer: Wer eine amerikanische Karte innerhalb Deutschlands oder eine deutsche innerhalb der USA einsetzt, zahlt das Doppelte des Tarifs für die Verbindung Deutschland-USA. Eine Kostenfalle sind auch die Taktzeiten: Die Telekom berechnet angefangene Minuten, Telepassport schaltet nach 30 Sekunden auf ein 6-Sekunden-Intervall, Otelo rechnet nach der ersten Minute sekundengenau ab.

Prepaid Cards

Seit 1992 gibt es in den USA vorausbezahlte Calling Cards ohne Chip. Das Konzept der Prepaid Card haben mittlerweile auch die Telekom (T-Card Holiday) und andere europäische Anbieter kopiert.

Vorteile: Die Gebühren sind meist günstig. Man braucht sich nirgends anzumelden und hinterläßt keine Datenspuren. Vor allem für Telefonate innerhalb der USA die mit Abstand preiswerteste Lösung.

Nachteile: Gerade bei billigen US-Karten tummeln sich sehr viele schwarze Schafe auf dem Markt. Ohne Empfehlung eines Ortskundigen sollte man von unbekannten Marken die Finger lassen. Bei den als seriös geltenden Anbietern steigen die Preise. Manche Firmen – wie die an der Ostküste weitverbreitete Phone Time Inc. – verlangen neuerdings eine Grundgebühr, weil die Betreiber derTelefonzellen in Washington eine Benutzungsgebühr von 28,4 Cent pro Anwahl einer „gebührenfreien “ Nummer durchgesetzt haben.

Call Back

Der Anbieter ruft zurück und schaltet dem Telefonierer eine Leitung frei. Die Call-Back-Dienstleister erlauben ihren Kunden, auf Reisen den Rückruf auf einen anderen Apparat umzuleiten.

Vorteile: Die Call-Back-Tarife sind in aller Regel die billigste Art, im Ausland zu telefonieren.

Nachteile: Der Anruf bei der Call-Back-Firma zum Umprogrammieren der Nummer ist meist gebührenpflichtig. In Hotels funktioniert Call-Back nur dann, wenn die Zimmer per Direktdurchwahl erreichbar sind. Sonst kann der Concierge auf Ihre Rechnung telefonieren.

UJF

Multimediale Briefe: Salto postale

Elektronische Briefträger greifen den Zustelldienst der Post an. Jetzt reagiert sie mit modernen Mitteln.

WIRTSCHAFTSWOCHE NR.13/1998

Was wirklich wichtig ist, schicken Amerikaner nicht mit der Post. Sechs Milliarden Dollar weniger als noch vor fünf Jahren, klagt Generalpostmeister Marvin Runyon, geben Geschäftskunden für First Class Mail aus, weil sie immer mehr Briefe durch Faxe und E-Mails ersetzen. Der 35prozentige Umsatzeinbruch zeigt deutlich: Die schnellen und vor allem billigen elektronischen Postboten haben den klassischen Briefträger längst eingeholt. Der moderne Zustelldienst der Telefongesellschaften gräbt der „Snail mail“, der Schneckenpost, das Wasser ab.

Der Deutschen Post AG droht über kurz oder lang ähnliche Unbill. Trotz massiver Investitionen in hochautomatisierte Verteilzentren ist sie immer noch langsam. Das Ziel, fast alle Standardbriefe einen Tag nach Einlieferung (postintern: E+1) zuzustellen, erreicht die Post nur durch einen Trick: Sie leert viele Briefkästen bereits Stunden vor Büro- und Geschäftsschluß. Auf dem Land, wo der gelbe Wagen nur einmal täglich vorfährt, ist eine Leerung um 11 Uhr nicht ungewöhnlich; danach gilt E+2.

Für immer mehr Deutsche heißt deshalb die wahre Post inzwischen Telekom, T-Online, Compuserve oder AOL. Nach Faxgeräten sind mittlerweile auch Modems Massenware. Fast jeder zweite Online-Nutzer, ermittelte die Fachzeitschrift „PC Welt“, schreibt lieber E-Mails als Briefe. Wer die komfortable Technik erst einmal nutzt, gewöhnt sich schnell daran. Binnen eines Jahres, ermittelte das Fachblatt in einer Umfrage unter 500 Lesern, sei der Anteil der E-Mail-Fans von 19 auf 46 Prozent gestiegen.

Für dramatisch hält Postmanager Frantisek Bumba den Trend zur Papierlosigkeit noch nicht: „Nur sechs Prozent der E-Mails verdrängen den Brief.“ Tatenlos zusehen will der Geschäftsführer der Postcom, einer virtuellen Tochterfirma der Post AG, allerdings auch nicht, wenn sich Telefonfirmen ein Scheibchen nach dem anderen vom Briefgeschäft abschneiden. Nach der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“ rüstet Bumba zum Gegenschlag, schnürt neue Dienstleistungspakete, in denen Papier und Elektronik einander ergänzen. „Sie liefern ein, wie Sie wollen“, erklärt Bumba die simple Firmenphilosophie der künftigen Multimediapost, „und wir stellen zu, wie es der Empfänger haben will.“ Und das heißt: auf Wunsch sogar von Anfang bis Ende ohne ein einziges Blatt Papier.

Die ersten Gehversuche auf dem telekommunikativen Terrain hat die Postcom souverän hinter sich gebracht. E-Post, ein 1994 nach finnischem Vorbild eingeführter Dienst, floriert. Über 150 Firmen, Verbände und Behörden ließen sich bereits überzeugen, keine Postkörbe und -säcke mehr anzuliefern, sondern Datenträger oder Online-Input. Zu Papier gebracht werden die Schriftstücke – etwa Kontoauszüge der Ford-Bank, Beitragsbescheide der Handwerkskammer Düsseldorf oder Auslandskrankenscheine der Barmer Ersatzkasse – erst wenige Stunden vor der Zustellung in der Nähe des Empfängers. In sechs Städten, nach logistischen Kriterien ausgewählt, hat die Postcom regelrechte Brieffabriken eingerichtet: Fertigungsstraßen aus Computern, Hochleistungsdruckern, Falz- und Kuvertiermaschinen. Selbst siebenstellige Auflagen sind für diesen Verbund kein Problem.

Ein geschäftlicher Volltreffer, wie es scheint: Auf 165 Millionen Sendungen steigerte Postcom 1997 den Ausstoß – ein Plus von satten 120 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kein Wunder bei untemehmerischen Rahmenbedingungen, von denen andere nur träumen können. Mit durchschnittlich 1,1 Millionen Briefen pro Auftraggeber im Jahr 1997 ist E-Post ein reines Großkundengeschäft, die Verwaltungskosten bleiben überschaubar.

Das Restmonopol der Post garantiert bis Ende 2002, daß sich jeder Wettbewerber ins eigene Fleisch schneidet, wenn er die dezentrale Briefproduktion der E-Post kopiert; das Modell, den Monopolisten wie beim Telefon nur für die letzte Meile zu nutzen, funktioniert hier nicht, weil es beim Porto keinen Ortstarif gibt. Discounter aus dem Ausland sind keine Alternative mehr, seit der Postvorstand rigoros jeden Remailing-Versuch als Verstoß gegen internationale Postabkommen vor Gericht bringt.

In diesem rundum geschützten Umfeld hat Bumba große Pläne. „Im Grunde“, läßt sich der Geschäftsführer anläßlich der Cebit zitieren, „ist jede per EDV erzeugte Korrespondenz ein Fall für uns.“ Bei knapp 20 Milliarden Briefen, die deutsche Postboten jährlich austragen, beziffert er das Potential für die sogenannten hybriden Postsendungen auf 1,5 Milliarden Sendungen pro Jahr.

Dieser Zahl will Bumba nicht nur durch einen Ausbau des „klassischen“, vier Jahre alten E-Post-Dienstes näherkommen. Der promovierte Volkswirt und langjährige Managementberater (Spezialität: Logistik) hält Lösungen für ein Problem parat, unter dem viele Unternehmen leiden: die Vielfalt inkompatibler Kommunikationsformen. Wo heute Brief, Fax, E-Mail, Lotus-Notes-Nachrichten und Electronic Data Interchange (EDI) aufeinandertreffen, sollen Software und Services von Postcom alle Medienbrüche kitten. Die Post mausert sich zum Outsourcing-Partner, der den kompletten externen Schriftverkehr seiner Mandanten managt – vom Kurzbrief, den der Außendienstler via Laptop und Handy in die postalische Pipeline schickt, bis zur Archivierung der gesammelten Korrespondenz
auf CD-ROMs.

Manchmal genügt schon eine simple Internethomepage, um seinen Kunden einen großen Dienst zu erweisen – vielen Mittelständlern beispielsweise. Viele fühlen sich von den großen Industrie- und Handelsunternehmen unter Druck gesetzt, Routinekorrespondenz wie Auftragsbestätigungen oder Rechnungen papierlos nach der internationalen Edifact-Norm abzuwickeln. „Wer nicht mitmacht, dem wird bei der nächsten Rechnung eine Pauschale fürs Papierhandling abgezogen“, weiß Postcom-Produktmanager Peter Müller. Die Alternative zur Investition in neue Software heißt Web-2-EDI. Auf der Postcom-Website können die Zulieferer ihre Rechnungen online in ein Klartextformular eintippen; die Post formatiert die Daten Edifact-konform um und leitet sie elektronisch an den Empfänger weiter.

Das Verfahren funktioniert auch in Gegenrichtung. Der Auftraggeber kann seine Bestellung im Edifact-Standard an die Postcom schicken, die sie umgehend als Brief oder Fernkopie zustellt. Demnächst wollen die Bonner ein Verfahren testen, mit dem sogar hartnäckige Papierfanatiker Anschluß an die Zukunft bekommen. Normale Auftragsblätter werden gescannt und der Informationsgehalt mittels künstlicher Intelligenz in ein digitales Dokument übersetzt.

Vielleicht werden solche Verrenkungen bald gar nicht mehr nötig sein. Bumba und seine Mitarbeiter grasen derzeit den Markt nach Vertriebs- und Softwarepartnern ab. Diese sollen die Nachfrage der vielen potentiellen Kleinkunden bündeln, deren direkte Betreuung der Postzentrale zu aufwendig ist. Wenn die Marktforscher recht haben, gibt es für sie reichlich zu tun: Der Postcom-Kundenstamm soll in den nächsten Jahren von 150 auf 50.000 Firmen anwachsen. Noch bevor das Monopol fällt, will die E-Post nach Stückzahl und Umsatz die Milliardengrenze durchbrechen.

Bis dahin Monopolgewinne abzusahnen, liegt Bumba nach eigenem Bekunden fern: „Wir wollen preislich so tief über dem Boden fliegen, daß keiner mehr auf die Idee kommt, uns zu unterfliegen.“ Gewinn wird der Salto postale dennoch bringen, glaubt nicht nur Bumba. Runyon, der Sanierer des U.S. Postal Service, ist von dem europäischen Geschäftsmodell so angetan, daß er überlegt, es zu importieren.

ULF J. FROITZHEIM