BJV: Chance für einen Neustart

Der Bayerische Journalisten-Verband steht am Scheideweg: weiter Richtung Abgrund mit dem bisherigen Vorsitzenden oder Kurswechsel mit einem neuen? Die finale Antwort auf diese Frage hat der Amtsinhaber jetzt selbst geliefert – mit einer beispiellosen Wahlkampf-Entgleisung via Rundmail. Eine Zehnjahresbilanz zur Einordnung.

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„Ich kann meine Gegenkandidaten nur nochmals auffordern, sich zu überlegen, ob der harte Schnitt sinnig ist, weil es mit meiner Person halt nicht bei jeder/jedem so funktioniert und man auch inhaltlich mal auseinandergeht.“

Michael Busch, 1. Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbandes, möchte lieber konkurrenzlos sein (beziehungsweise Konkurrenz los sein).

Wer keine Zeit, keine Lust oder kein Geld hat, nach Nürnberg zu reisen, kann auch online über die Entlastung des Vorstands und den neuen Etat mitentscheiden und danach bei der Vorstandswahl mitbestimmen.

Vor ein paar Tagen bekam ich überraschend eine wundersame Mail von einem Mann, den ich seit 20 Jahren kenne, dem ich aber seit Längerem sehr gerne aus dem Weg gehe, um meine Nerven zu schonen. Das funktioniert nicht immer, denn dieser Michael Busch ist seit nunmehr zehn Jahren Landesvorsitzender meines Berufsverbandes, des DJV, und da muss man gelegentliche Begegnungen in Kauf nehmen, etwa auf dem Bayerischen Journalistentag. So heißt unsere Mitgliederversammlung. Auch dieses Jahr würde ich wirklich gerne wieder daran teilnehmen, am 17. Juni in Nürnberg – natürlich nicht, um mich beim Pflicht-TOP „Bericht des Vorsitzenden“ zu langweilen, sondern um die Bewerbungsrede seines Gegenkandidaten Harald Stocker anzuhören und so etwas wie Aufbruchsstimmung zu inhalieren.

Doch wie es beinahe schon schlechte Tradition geworden ist beim BJV, findet die Vorstandswahl gleichzeitig mit der Mitgliederversammlung der Verwertungsgesellschaft Wort statt, einer Organisation, die jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an uns Urheber ausschüttet und deshalb vielen Kolleginnen und Kollegen lieb und teuer ist. Eine solche Terminkollision gab es 2003, als ich als einziges DJV-Mitglied in den Verwaltungsrat der VG Wort gewählt wurde. Sie wiederholte sich 2011 bei meiner zweiten Wiederwahl; fast zur selben Stunde stieg Busch in Neumarkt in den Geschäftsführenden Vorstand des BJV auf. 2016 hätte ich gerne in Regensburg den 70. Geburtstag des BJV mitgefeiert; statt dessen schlug ich mich in Berlin mit Zeitgenossen herum, die versuchten, die VG Wort von innen zu sprengen. Auch als Harald Stocker am 25. Mai 2019 bei seiner ersten Kandidatur gegen Michael Busch diesem knapp unterlag, glänzte ich – damals Beisitzer im BJV-Landesvorstand und potenzieller Stocker-Wähler – durch Abwesenheit, wie immer unfreiwillig. Denn die BJV-Führungsspitze hatte mit frappierender Treffsicherheit den Wahl-Journalistentag, der ursprünglich für Ende März geplant war, um gute zwei Monate verschoben – exakt auf den seit langem bekannten Tag meiner Verabschiedung aus dem Verwaltungsrat. Das hatte durchaus sein Gutes, denn so wurde mir die Entscheidung abgenommen, ob ich meinem Sitzfleisch wirklich noch einmal zwei Jahre lang unproduktive Vorstandssitzungen unter Leitung von Busch zumuten sollte. Wer nicht da ist, wird bekanntlich für nichts Wichtiges (wieder-) gewählt.

Wie gesagt, ist es den Geschäftsführenden bei ihrer hochprofessionellen Terminplanung heuer zum fünften Mal binnen 20 Jahren gelungen zu übersehen, dass sich am selben Tag die Mitglieder der VG Wort versammeln (und einen neuen Verwaltungsrat wählen). Da ich der Urheberrechtskommission des DJV angehöre, ist das ein absoluter Pflichttermin für mich. Und da es sehr ungehörig wäre, wenn ich im Saal mit Headset hockte, um auf einer hybriden Parallelveranstaltung meiner Gewerkschaft tele-mitzudiskutieren, habe ich hier vorab aufgeschrieben, was ich eigentlich in Nürnberg zu sagen hätte. Nämlich, dass wir einem Vorsitzenden mit der Bilanz eines Michael Busch nach zehn zähen Jahren nicht erlauben sollten, bis 2025 mit unserem Karren auf die Wand zuzubrettern.

Ihr wollt sicher wissen, warum ich das so sehe, gell? Unter den Screenshots geht’s weiter.

Auf der BJV-Website ist der Hinweis auf den Bayerischen Journalistentag 2023 gut versteckt. Man muss scrollen. Dass Wahlen stattfinden, fehlt im Teaser. Unter „Termine“ wird so etwas Unwichtiges wie die Jahreshauptversammlung unseres Vereins am 17. Juni schon mal vergessen. Warum auch schlafende Hunde wecken? Reicht doch, wenn die Funktionäre davon wissen.

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Foulspiel gegen DEN GEGENKANDIDATEN

Just zu Beginn des Pfingstwochenendes entdeckte ich die besagte Mail von Michael Busch in meiner Mailbox. Sie begann mit „Liebe Kolleginnen und Kollegen“ und kam mit verdeckter Empfängerliste von seinem Privataccount. Offensichtlich war es ein Versehen, dass er die Nachricht auch mir geschickt hatte. Es handelte sich um einen unverblümten Versuch, den lieben Kolleginnen und Kollegen auszureden, ihn abzuwählen. Perfide war dies auch, immerhin hat der Gegenkandidat keine Chance zur Erwiderung an denselben Adressatenkreis.

Ein paar Tage zuvor hatte Kollege Stocker seine Kandidatur offiziell angekündigt und damit bei diversen Gremienmitgliedern für ein erleichtertes Aufatmen gesorgt.

Auch mich stimmt diese Nachricht optimistisch.

Zum einen täte es gut, wieder jemanden im Führerstand zu wissen, der nicht alles durch die weißblau getönte Mia-san-mia-Brille sieht, sondern das große Ganze im Blick hat: den DJV, von dem wir nur ein Teil sind. Harald sitzt seit 2021 im Bundesvorstand. Nur wenn unser Bundesverband stark ist, können wir es sein. Berufseinsteigern kann man bei der Mitgliederwerbung eh nicht mehr begreiflich machen, warum ein DJV-Landesverband partout nicht DJV heißen will und weshalb wir uns auch optisch mit einer ganz anderen Schrift und einer – zugegebenermaßen schönen – Komplementärfarbe vom DJV-Orange absetzen.

Dass beides eigentlich das Gleiche ist, sieht man doch auf den ersten Blick, oder?

Das hatte vor 35 Jahren gute Gründe. Heute müssen wir ernsthaft darüber reden, ob wir im Verband wirklich die Rolle der CSU oder des FC Bayern spielen möchten.

Zum anderen muss das sinnlose a) Verpulvern und b) Bunkern von Beitragsgeldern aufhören. Wir müssen unser Geld wieder in Aktivitäten investieren, von denen die Mitglieder etwas haben. Dazu gehört meines Erachtens auch, die bayerische Knausrigkeit abzulegen und wieder mehr Verantwortung im Bund zu übernehmen.

KAPITULATION VOR DER BAUSTELLE

Wer meint, ich ginge zu weit, sollte sich die Zeit nehmen, weiterzulesen oder mal das Manuskript der Rede des Vorsitzenden vom vorigen Jahr zu studieren. Wer sich daran erinnert, dass das Motto des Verfassers „Ehrenamt macht Spaß“ lautet, sei allerdings vor übertriebenen Erwartungen gewarnt: Es gibt vergnüglichere Lektüre. Aber beim Lesen wird klarer als beim Zuhören, was alles nicht getan worden ist. Die Rede war bereits ein Eingeständnis der Überforderung, die unter Selbstlob verborgene Kapitulationserklärung von einem, dem die Aufgabe längst über den Kopf gewachsen ist. Das Schlüsselwort hieß „Baustellen“. Die älteste davon, der unzeitgemäße Webauftritt des BJV, befindet sich seit 2011 im Zustand chronischer Prokrastination. Mitgliederwerbung, Mitgliederbindung, Marketing, Networking? Kein Konzept, außer Notizen eines Brainstormings, die seit fünf Jahren in der Schublade schlummern. Es geht nichts voran. Dabei hat der BJV viel mehr Geld auf der Hohen Kante, als er braucht. Das nahezu unverzinste Vermögen in Millionenhöhe gammelt einfach nur auf ein paar Konten herum. Gleichzeitig fließen Unsummen in vermeidbare Fixkosten und ein Prestigeprojekt, das sich längst überlebt hat. Es heißt Pressefoto Bayern, verschlingt jedes Jahr Zigtausende, bringt aber nur den Bildjournalisten etwas, die einen Preis gewinnen.

DJV-PRIMUS IM Sonnenhof

Blicken wir also mal zurück auf die vergangenen zehn Jahre. Damals gönnte sich mein Berufsverband eine repräsentative neue Geschäftsstelle im Sunyard, einem frisch energiespar-optimierten Büroblock in Giesing. Den Zenit bei der Mitgliederentwicklung hatten wir zwar überschritten und waren auch ein Stückchen vom Hochplateau der späten Nullerjahre abgestiegen. Der demografische Wandel – Boomer, die in Rente gehen – hatte aber noch keine Wucht. Mit immer noch 8200 Mitgliedern stand der bayerische Landesverband als stabiler Primus im DJV da. Die weitläufige Büroetage vermittelte schon optisch den Eindruck, es mit einer selbstbewussten Organisation zu tun zu haben, die sich einen starken Auftritt leisten kann und Zukunft hat.

Der Umzug vom Bahnhofsviertel an die Sankt-Martin-Straße ging zeitlich einher mit einem Generationswechsel an der Spitze – ein Ereignis, das in Organisationen normalerweise für Aufbruchsstimmung sorgt. Am 11. Mai 2013 wurde der 42-jährige Busch zum Nachfolger des 65-jährigen Wolfgang Stöckel gewählt. Dieser hatte 21 Jahre lang nicht alles richtig, aber wenig falsch gemacht. Stöckel war nicht autoritär, hatte aber Autorität. Macher ließ er machen, manchen Nichtsmacher aber gewähren. Bis 2011 unterstützt von der langjährigen Geschäftsführerin Frauke Ancker, hielt er in Bayern den Laden zusammen und pflegte geschickt die Beziehungen zu anderen DJV-Landesverbänden. Stöckel stand nicht für Konfrontation, sondern für Ausgleich und Diplomatie. Dieser Stil brachte es zwar mit sich, dass unterschwellige Konflikte nicht immer gelöst, sondern manchmal nur von der Tagesordnung geschoben wurden. Das Moderatorhafte war rückblickend betrachtet aber im Sinne eines Vereins, der die Interessen recht unterschiedlicher Berufsgruppen und Individualisten bündeln und austarieren muss. Wir Journalisten sind halt schon eine ganz illustre Spezies.

G.B.T.Z.R.: VORSTAND AM KIPPPUNKT

Die Messlatte für den Nachfolger, der als Stellvertreter zwei Jahre Zeit zum Warmlaufen gehabt hatte, lag also durchaus hoch, zumal im Hintergrund keine Frauke Ancker mehr als Lotsin bereitstand. Leider gaben schon die Umstände von Buschs Wahl einen Vorgeschmack auf die Fehlentwicklungen, die bald folgen und irgendwann eskalieren sollten. Am größten Bezirksverband (Oberbayern) und der größten Fachgruppe (den Freien) vorbei war hinter den Kulissen nicht nur ausgekungelt worden, dass der Tageszeitungsredakteur aus Erlangen den Ersten Vorsitzenden beerbt. Diese Personalpolitik ist in Gewerkschaften nicht ungewöhnlich, eine frühzeitige Festlegung auf eine Person ohne Sondierung bei anderen geeigneten Kandidat:innen aber unklug.

Auch für den Posten der Nr. 1 unter den beiden Zweiten Vorsitzenden – die Positionen sind nur auf dem geduldigen Papier der Satzung gleichberechtigt – wurde eine Tageszeitungsredakteurin ausgeguckt. Der einzige Kandidat für den Schatzmeisterposten: Tageszeitungsredakteur. Der designierte Schriftführer arbeitete zwar als freier Journalist, aber nur, weil zuvor sein Arbeitgeber dichtgemacht hatte (als sich ihm später die Gelegenheit bot, bei einer Regionalzeitung anzuheuern, ergriff er sie). Allein der Posten der zweiten Stellvertreterin des Vorsitzenden wurde für eine Kollegin vom Rundfunk reserviert.

Für das Führungsgremium wurde jedoch niemand angefragt oder zur Kandidatur ermutigt, der aus eigenem Antrieb freiberuflich tätig war (statt der Not gehorchend). Auch kein Onliner. Keine Pressesprecherin. Kein Bildjournalist. Keine Magazinredakteurin. Die „Ära Busch“, wenn wir das so nennen wollen, begann mit einer verhängnisvollen Schieflage. Der Kipppunkt war für alle in Sichtweite. Die Kandidat:innen für den Geschäftsführenden Vorstand repräsentierten weder die Vielfalt unseres Berufsstandes und noch die regionalen Schwerpunkte. Nur eine einzige Kollegin – die BR-Redakteurin – kam aus der Medienmetropole München. Die kleine und weiter schrumpfende FG Tageszeitungen dominierte die Verbandspitze mit zuerst 60, später 80 Prozent, was ich mit der Bemerkung kritisierte, wir seien meines Wissens nicht die GBTZR, die Gewerkschaft Bayerischer Tageszeitungsredakteure, sondern immer noch der Bayerische Journalisten-Verband.

WAHL IM ENTLEGENSTEN ZIPFEL BAYERNS

Mit dem Machtwechsel ging ein unguter Wandel des Verbandsklimas einher. Diese Entwicklung hatte sich bereits vor der Wahl von 2013 abgezeichnet. Die Vorsitzenden der Fachgruppe Freie und des Bezirksverbands Oberbayern, die über die drohende Dominanz einer straff organisierten Minderheit über die überwältigende Mehrheit der Mitglieder empört waren, monierten aus gutem Grund auch den Ort der Wahl: Für die Mitgliederversammlung war eine Stadt ausgesucht worden, die näher an Frankfurt am Main liegt als an irgendeiner bayerischen Stadt. Richtig, Aschaffenburg. 30 Minuten bis zur hessischen Bankenmetropole, anderthalb Stunden bis Würzburg. Der Tagungsort war eine Provokation, ein Affront, denn es ging ja um etwas an diesem Tag: um eine Verjüngung des engsten Führungsteams und damit um die künftige Gestaltungsmacht bei Richtungsentscheidungen. Nur wenn man wirklich das Ziel hat, dass möglichst wenige Mitglieder sich den Weg antun und dabei mitreden, geht man an einen derart ablegenen Ort. (Am Ende sollten gerade einmal 80 von über 8000 Mitgliedern kommen. Weniger als ein Prozent.)

Ich war über das abgekartete Spiel und das Foul mit der Location genauso entsetzt wie die Vorsitzenden von Freien und Oberbayern (auf deren Posten im Landesvorstand ich in meiner langen Funktionärskarriere selbst schon einige Jahre zugebracht hatte). Ein Hinterzimmerdeal kam noch erschwerend hinzu: Eigens zu dem Zweck, dass sich der/die vorgesehene Vorsitzende genug Zeit für seine/ihre Aufgaben nehmen kann, hatte man die Satzung so geändert, dass ihm/ihr der Verdienstausfall angemessen ersetzt wird. Während freien Journalist:innen für ihre ehrenamtlichen Aktivitäten maximal 125 Euro Kompensation am Tag zustanden, wurde für den/die Erste/n Vorsitzende/n glatt das Doppelte budgetiert – für ein Pensum von einem Tag pro Woche standen 1000 Euro im Monat bereit. Es war damals allerdings so, dass das Redakteursgehalt weiterlaufen sollte und der BJV den Ausfall dem Arbeitgeber erstattet. Zu allem Übel war dieser Arbeitgeber noch nicht einmal ein tariftreues Mitglied im Verlegerverband. Die Lex Busch war eine Konstruktion mit Gschmäckle.

KEINE ANTENNE FÜR DIE FREIEN

Angesichts dieser eines demokratischen Vereins unwürdigen Kungeleien erklärte ich mich bereit, als Kandidat der Freien und der Oberbayern für den Vorsitz zu kandidieren – wissend, dass ich in Aschaffenburg auf eine überlegene Hausmacht von vor allem fränkischen Tageszeitungsredakteur:innen treffen würde. Ich war nicht so dumm, mir Chancen auszurechnen. Es ging mir um das Signal, dass wir genauso sehr ein Verband von Freien sind wie eine Gewerkschaft von Angestellten – und dass wir Freien nicht die armen Hungerleider sind, die sich von paternalistischen Redaktionsmitgliedern bevormunden lassen, sondern ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dieses Signal war mir auch deshalb wichtig, weil sich inzwischen ein Berufsverband namens Freischreiber gegründet hatte. Dieser warb uns Mitglieder ab, die vom als reine Redakteursgewerkschaft empfundenen DJV enttäuscht waren, und versprach ihnen eine neue Heimat zu geben. Wer in dieser Wettbewerbssituation den Freien das Gefühl gab, zweitrangig zu sein, riskierte einen Einbruch der Mitgliederzahl.

Nun war aber klar, dass nicht viele Freie, Junge, weit weg Wohnende kommen würden, wenn sie dafür bereits am Vorabend anreisen oder ein teures ICE-Ticket kaufen müssen. Mit dem Bayernticket rechtzeitig in Aschaffenburg zu sein, war für Mitglieder aus Südbayern nämlich definitiv nicht möglich. Meine Mitstreiter und ich setzten deshalb alle Hebel in Bewegung, um einen alten Brauch wiederzuleben, der im BJV jahrzehntelang Usus gewesen war: den Bus zur Mitgliederversammlung. Als ich jung war, sponsorte immer der Pressesprecher von MAN diese Fahrten von München in die Provinz. Damit waren wir Oberbayern scheinbar privilegiert, doch die anderen Bezirksverbände verfügten damals über eigene Geldtöpfe, aus denen sie ihren Mitgliedern die Reise bezuschussen oder bezahlen konnten. Es galt das Prinzip: Wenn Mitglieder teilnehmen möchten, soll es an den Kosten nicht scheitern. Waren Übernachtungen nötig, richteten ortsansässige Mitglieder sogar kostenlos ihre Gästezimmer für junge Kolleg:innen her, die kein Geld fürs Hotel hatten.

Von diesem solidarischen, kollegialen Umgang miteinander, den ich als Journalistikstudent und Berufsanfänger sehr zu schätzen wusste, war im Jahr der Busch-Wahl nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Der Landesvorstand lehnte den expliziten Antrag aus Oberbayern ab, einen Bus zu chartern. Wir protestierten, bis uns in Aussicht gestellt wurde, dass doch ein Bus ab München fährt – mit Halt in Augsburg. Um ihn nehmen zu können, hätte man allerdings schon in der Nacht auf Samstag vor dem Hauptbahnhof biwakieren müssen, denn so früh am Morgen fuhren noch keine Busse und Bahnen. Offizieller Grund für die nächtliche Abfahrt: Die Fahrt dauert zu lange, um durchzufahren, der Fahrer muss seine Pausenzeit einhalten. Deshalb meldete sich fast niemand an, der Bus fuhr nicht.

„PUTSCH“ VS. GELENKTE DEMOKRATIE

Aus diesem Grund war bei dieser so wichtigen Wahl keine Chancengleichheit gewährleistet. Dem (inzwischen verstorbenen) Vorsitzenden der FG Tageszeitungen, einem leidenschaftlichen Unterstützer des Kandidaten Busch, reichte es aber nicht einmal, gegen den Bus zu votieren. Er verstieg sich in einer breit gestreuten E-Mail zu einer politisch absurden Äußerung und einer unfassbaren Kollegenbeleidigung: Wir planten einen „Putsch“ und wollten dazu „Stimmvieh“ nach Unterfranken karren. Noch bevor die Wahl Buschs überhaupt stattfand, waren die Diskurskultur und das Demokratieverständnis unter gewissen BJV-Funktionären auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Die Bewerbung eines Mitglieds um den Vereinsvorsitz kann kein Putsch sein, und freie Journalist:innen durch den Vergleich mit Nutztieren herabzuwürdigen, war eklatant verbandsschädigend. Wer glaubt, der zornige Kollege sei daraufhin von seiner Fachgruppe entrüstet zum Rücktritt gedrängt oder bei nächster Gelegenheit wegen Mobbings abgewählt worden, irrt. Die Reaktionen bewegten sich zwischen betretenem Schweigen und Applaus. Spätestens in dem Moment hätte Michael Busch Führungsstärke zeigen können, indem er seinen eifrigsten Wahlhelfer ohne Wenn und Aber und in scharfem Ton zurechtgewiesen hätte. Den Mut, hörbar auf den Tisch zu hauen, brachte er aber nicht auf.

Ich habe mich trotz allem nicht von der (Zähl-) Kandidatur abbringen lassen. Ich kandidierte gegen Michael Busch, obwohl nur er eine Hausmacht hatte mitbringen können. Mein eigentliches Ziel war, am Abend als stellvertretender Vorsitzender den Saal zu verlassen – weil ich die Mehrheit der Regionalzeitungsfraktion und auch Busch selbst für fair und kollegial genug hielt, mich nicht komplett niederzustimmen. Ein Irrtum. Aufgrund einer unlogischen Satzungsbestimmung werden die beiden Zweiten Vorsitzenden (übrigens bis heute) in getrennten Wahlgängen gewählt, und das erlaubt Tricksereien. Als erste Stellvertreterin wurde eben nicht die Rundfunkkollegin ins Rennen geschickt (von der alle wussten, dass ich sie wählen würde), sondern die Tageszeitungskollegin, gegen die ich gerne bei der dritten Wahlrunde angetreten wäre. Diese hätte ja immer noch als Schriftführerin in den Geschäftsführenden Vorstand einziehen können. Dank dieser Regie war die Sache aber gelaufen: Wenn schon der Chef ein Mann ist, wählen unsere Mitglieder zuverlässig als nächstes eine Frau. Damit war ich auf nicht nette, aber clevere Weise mattgesetzt. So funktionieren Machtspiele.

Gewerkschaft vor dem Arbeitsgericht  

Für mich war nach dem einen Versuch die Sache erledigt. Ich konzentrierte mich auf die VG Wort. 2017 hatte Buschs zweitgewählte Stellvertreterin die Nase so voll, dass sie ernsthaft über eine Gegenkandidatur nachdachte. Angesichts eines eskalierenden Konflikts zwischen Busch und der Geschäftsführerin gab sie allerdings den Plan auf und verließ den BJV unmittelbar vor dem Journalistentag. Kurz danach schasste Busch die Geschäftsführerin. Statt die Personalangelegenheit diskret zu regeln, stellte er einen Text online, der von denen, die ihn gelesen haben, als rufschädigend verstanden wurde. Nach einer Intervention aus dem Bundesverband löschte er ihn binnen Stunden – und erklärte die Kommunikation zur Chefsache. Kein Vorstandsmitglied dürfe sich äußern. Er selbst hielt sich aber auch bedeckt. Daraufhin schossen Gerüchte und Spekulationen ins Kraut. Bald traten weitere Funktionär:innen zurück oder verließen den BJV ganz. Busch ließ es darauf ankommen, dass die Ex-Geschäftsführerin vors Arbeitsgericht zieht – und ging am Ende baden. Die Vorwürfe waren nicht haltbar.

Buschs Führungsstil brachte ihm bei der nächsten Wahl 2019 die erste Gegenkandidatur von Harald Stocker ein; dem Herausforderer fehlten nur wenige Stimmen. Bei der chaotisch verlaufenen Online-Vorstandswahl im September 2021 trat Schatzmeisterin Stefanie Heckel gegen ihn an, nachdem Busch einen Gegenkandidaten gegen sie aufgestellt hatte. Auch sie fuhr ein achtbares Ergebnis ein. Seine Hausmacht war groß genug, um seinen Posten zu retten, aber es ist ihm nie gelungen, auf seine Kritiker einzugehen oder zu hören. Viele Ehrenamtliche haben resigniert. Besonders erschütternd war die Quote der Mandatsträger, die auf der hybriden Mitgliederversammlung 2022 fehlte: Von 65 amtierenden Aktiven registrierten sich nur 33 im digitalen Abstimmungssystem. Anwesend waren zudem elf ehemalige Aktive, fünf Mitglieder aus dem Kreis der Delegierten zum DJV-Verbandstag – und gerade einmal neun (!) einfache Mitglieder ohne Ehrenamt. Was eigentlich eine Mitgliederversammlung sein sollte, entpuppte sich voriges Jahr als Funktionärstreffen, an dem fast die Hälfte der Gewählten kein Interesse hatte.

Welchen Anteil Buschs Verhalten an der geringen Motivation einstmals engagierter Kolleginnen und Kollegen hatte, darüber kann man nur spekulieren. Sein Talent, gute Leute einschließlich Ehrenmitgliedern bis hinauf zum Ehrenvorsitzenden vor den Kopf zu stoßen, hat er jedenfalls schon öfters unter Beweis gestellt.

Vielleicht gelingt es einem neuen Vorstand, einige unserer Karteileichen zu reanimieren.

SCHWUNG FÜR DIE TEUFELSSPIRALE  

Während interne Querelen um sich griffen, erodierte die Mitgliederbasis weiter. Die Entwicklung beginnt bereits 2012 nach einer kräftigen Beitragserhöhung. Der neue Vorstand weiß ihr in den folgenden Jahren aber wenig entgegenzusetzen. In Buschs erstem Jahr schrumpft die Zahl der Mitglieder um 219. 2014 sind es 237, 2015 bis 2018 jeweils unter 200, 2019 aber nach einer kräftigen Beitragserhöhung mehr als 300. Seit 2020 liegt der jährliche Schwund konstant über der 200er Marke. Seit Michael Busch den BJV führt, sind uns deutlich über 2000 Mitglieder abhanden gekommen, mehr als ein Viertel. Noch bis 2018 stiegen aber die Fixkosten ständig an – auf über eine Million Euro nur für Personal und Miete.

Wenn man immer mehr ausgibt, obwohl man von immer weniger Mitgliedern Beiträge kassieren kann, steigt natürlich die Kostenbelastung pro verbleibendes Mitglied. Auf eine solche Entwicklung kann ein Vorstand auf dreierlei Weise reagieren: a) Er spart Fixkosten ein, b) er macht den Verein attraktiver für neue Beitragszahler, um den Schwund zu kompensieren oder c) erhöht einfach die Beiträge und ignoriert die Gefahr, damit der Teufelsspirale noch mehr Schwung zu geben. Busch & Co. setzen auf c), schlagen Warnungen in den Wind und vertreiben tatsächlich erneut Hunderte Mitglieder. 2019 und verstärkt 2020 sinken endlich die Personalkosten, allerdings sehen die Zahlen aufgrund von Sondereinflüssen wie Krankenstand und Kündigungen seitens Mitarbeiterinnen besser aus als geplant.

Tatsächlich kam die Geschäftsstelle nach der Entlassung der Geschäftsführerin lange nicht zur Ruhe. Die erste erfahrene Justiziarin kündigte 2018, die drei anderen 2019 – und zwar eine nach der anderen zum Bayerischen Rundfunk, dem größten Arbeitgeber, mit dem wir uns als Gewerkschaft regelmäßig streiten. Die Nachfolgerin der ersten ging 2020 in den Erziehungsurlaub und kam nicht zurück. 2017 hatte bereits die damalige Anwaltsgehilfin gekündigt, ihre Nachfolgerin ging 2018, und ob es zwischen ihr und der derzeitigen eine oder zwei waren, weiß ich nicht mehr. 2018 wurde eine Buchhalterin entlassen, die andere kündigte. Deren Nachfolgerin ging 2020. Ein Jahr später verabschiedete sich sogar die langjährige Leiterin des Sekretariats, Ulrike Türck. Wer als Mitglied heute in der Geschäftsstelle anruft, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit jemanden am Telefon, der ihn nicht kennt und den er nicht kennt. Wer vier Jahre an Bord ist, gehört in dieser Belegschaft schon zum Urgestein.

ANGESTOSSENES BEDARFSPLANERSTELLUNGSPROJEKT 

Wie wenig kostenbewusst dieser Vorstand arbeitet, lässt sich daran erkennen, dass der BJV sich anno 2023 noch immer die riesige Geschäftsstelle an der Sankt-Martin-Straße leistet, obwohl der 10-Jahres-Mietvertrag kürzlich ausgelaufen ist. Michael Busch hatte dieses Thema sogar schon auf der Mitgliederversammlung am 2. Juli vorigen Jahres selbst angesprochen. Es war ein zentraler Punkt in seinem Eingeständnis, der BJV habe diverse „Baustellen“ offen. Seither war reichlich Zeit, sich etwas Passenderes, Günstigeres zu suchen. Aber Busch verhält sich immer noch, als hätte er alle Zeit der Welt. Als er sich knapp elf Monate später mit der mittlerweile vierten Gegenkandidatur konfrontiert sieht, verschickt er die eingangs erwähnte Rundmail. Darin schreibt er über „bereits angestoßene Projekte, die es weiterzuführen gilt“, darunter die „Suche nach neuen Räumlichkeiten für die Geschäftsstelle“, in die nebem dem Geschäftsführer er selbst und der Schatzmeister „intensiv eingebunden seien“. Sie stünden „vor der Erstellung eines Bedarfsplanes“. Im Klartext sagt diese PR-Prosa: Bis dato ist noch nichts passiert. Überhaupt nichts. Die Baustelle liegt, wie andere auch, brach. Der BJV erinnert an eine Autobahn, auf der kilometerweit Fahrspuren gesperrt sind, obwohl noch niemand dort arbeitet.

Dabei geht es um richtig viel Geld, Geld der Mitglieder, das völlig sinnlos verprasst wird. Mit Nebenkosten sind fürs laufende Jahr rund 190.000 Euro veranschlagt – 40.000 Euro mehr, als im Jahr nach dem Einzug ausgegeben wurden. Das liegt teilweise daran, dass wir eine Indexmiete bezahlen. Aber vor allem ist die Etage für die Bedürfnisse eines Vereins mit 6000 Mitgliedern, die kaum noch persönlich aufkreuzen, aberwitzig überdimensioniert. Satte 1,6 Millionen Euro brutto hat der BJV seit 2013 in diese Geschäftsstelle gesteckt. Damals konnten wir uns so einen Luxus noch erlauben, weil wir viele waren. Heute nicht mehr.

60 QUADRATMETER PRO ARBEITSPLATZ?

Die Größe der Immobilie unterschätzen selbst frühere Vorstandsmitglieder massiv. Sind es 300 Quadratmeter? Weit gefehlt. Das kann schon deshalb nicht sein, weil wir pro Quadratmeter gewiss keine 50 Euro Monatsmiete (all inclusive) bezahlen. Anhand eines Sunyard-Grundrisses, den ein Makler bei immowelt.de eingestellt hat, und der Skala in Google Maps lässt sich der von uns gemietete Trakt der Etage recht gut schätzen. Es können nicht viel weniger als 700 Quadratmeter sein. Das entspräche einer Warmmiete plus Nebenkosten von ungefähr 20 Euro. Dass diese Annahme realistisch ist, belegt das Online-Inserat des besagten Maklers. Er bietet derzeit eine freie Bürofläche im Haus für 22 Euro je Quadratmeter an.

Für neun Beschäftigte, die Corona-bedingt für die Arbeit im Homeoffice ausgestattet wurden und deshalb nie alle gleichzeitig anwesend sein müssen, braucht man wirklich keine 700 Quadratmeter. Zieht man den großen Konferenz- und den kleineren Besprechungsraum ab (die die meiste Zeit leerstehen) sowie Toiletten, Abstellkammern und Teeküche, entfallen auf jede Arbeitskraft an die 60 Quadratmeter. Für den eigentlichen Arbeitsplatz genügen aber 12 bis 15 Quadratmeter. Verdoppelt man den Platzbedarf, weil man ja auch Freiflächen, einen Server- und einen Pausenraum braucht, kämen wir mit 300 Quadratmetern hin.

IM SELBEN HAUS WÄRE ETWAS PASSENDES FREI

Die derzeit im Sunyard provisionsfrei angebotene Fläche hat 374 Quadratmeter (siehe Beitragsbild ganz oben). Rein rechnerisch wäre damit also sogar Platz für einen ähnlich großen Konferenz- und Seminarraum wie jetzt. Kosten würde sie uns somit 8228 Euro im Monat oder unter 100.000 Euro im Jahr. Wir bräuchten nicht einmal einen Möbelwagen für den Umzug. Interessantes Detail: Zum Objekt gehören zwölf Tiefgaragenplätze (die zusammen noch mal einen knappen Tausender im Monat kosten). Da der Sunyard direkt neben einem S-Bahnhof steht, dürfte der Bauherr damit kalkuliert haben, dass eine Fläche, die gut halb so groß ist wie unsere jetzige, für weit mehr als ein Dutzend Beschäftigte reicht.

Selbst wenn es einen triftigen Grund gäbe, weiterhin mit Flächen zu aasen, die ja auch zu heizen oder klimatisieren sind, könnten wir viel Geld sparen: In der näheren Umgebung steht eine Büroetage leer, die nicht kleiner ist als die jetzige Geschäftsstelle. Sie wird für rund den halben Quadratmeterpreis angeboten. Per Umzug könnten wir sofort für alle Mitglieder den Monatsbeitrag um einen Euro senken (oder einen Fitnessraum oder Tanzsaal einrichten). Ich würde aber wetten, es lassen sich Büros finden, die gleichzeitig kleiner UND billiger sind, wenn man nur mal endlich sucht.

BÜSCHE SIND AUF DIESER WELT EINFACH UNERSETZLICH

Leider ist Michael Busch, wie er qua Rundmail wissen ließ, ein äußerst vielbeschäftigter Mensch. Er sitzt im Medienrat der BLM, in dessen Medienkompetenzausschuss und einem „Vorsitzendenausschuss“ sowie in der Stiftung Medienpädagogik. Er gehört dem Landesschulelternbeirat, dem Vorstand des Mediencampus Bayern und dem Verwaltungsrat der Akademie der Bayerischen Presse an. Einmal im Jahr hält er an irgendeiner Uni oder Modeakademie einen Vortrag, ist Juror bei den vom BJV vergebenen Preisen, hat die Verantwortung für den BJVreport an sich gezogen (unter Stöckel war dafür einer der Stellvertreter zuständig), ist Gründungsmitglied irgendeines Nachhaltigkeitspakts und-und-und-usw-etece-pepe. Hinzu kommen die Verpflichtungen im DJV, klar.

Nicht zuletzt brüstet er sich damit, er sei „dauerhafter Ehrengast in der Runde der bayerischen Chefredakteure, organisiert durch den Zeitungsverlegerverband“. Bildungslücke: Ich wusste nicht einmal, dass es so eine Runde gibt. Was er nicht erwähnt, sind seine Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr Erlangen-Dechsendorf und seine Medienschulungen für Einsatzkräfte, die neben dem Bergen und Löschen gerne auch mal Fotos knipsen, die dann kostenlos an sparsame Redaktionen gehen. Vielleicht hat Michael diese Aktivitäten, die bei unseren Bildjournalisten überhaupt nicht gut angekommen sind – Interessenkonflikt und so – ja inzwischen eingestellt.

„Satte 1250 Stunden im Jahr, davon 870 als reines Ehrenamt“ koste ihn der BJV-Vorsitz, warnt der Mann mit dem Motto „Ehrenamt macht Spaß“ seinen Herausforderer vor zuviel Spaß. Die restlichen 420 Stunden bezahlt ihm der BJV mit 12.000 Euro im Jahr, also mit einem bescheidenen Stundensatz von 28,57 Euro. Die Rechnung, die er uns aufmacht, ist allerdings nicht nachvollziehbar: Den Arbeitstag pro Woche, den der BJV übernimmt, setzt er mit „7,3 Stunden“ (also 7:18 Stunden) an, und von solchen Tagen braucht man 57,53 Stück, um auf 420 Stunden zu kommen. Soviele Wochen hat bei mir kein Jahr. Von den 24 Stunden, die er jede Woche dem Verband opfern will, gehe die Hälfte für die 7,3-Stunden-Tage drauf (wohl wegen der Fahrerei von Dechsendorf nach Giesing, die in Zeiten von Telearbeit und Zoom-Konferenzen eigentlich oft vermeidbar sein dürfte). Die anderen 12 Stunden schlüsselt er in sechs mal zwei Stunden auf, um dann wieder zu behaupten, dass er die Samstage und Sonntage gar nicht berücksichtigt habe. Vielleicht haben seine Wochen ja die berühmten „acht Tage“. Die monatliche Pauschalentschädigung plus Sitzungsgelder, die ihm die Tätigkeit im Medienrat einbringt, erwähnt er übrigens nicht. Die stören wohl das Narrativ.

WELCHER ÜBERGANG IST VERNÜNFTIG – UND FÜR WEN?

Die Kernbotschaft seines Schreibens ist jedoch, dass er unbedingt noch ein letztes Mal gewählt werden will und ein „Übergang“ zu einem Nachfolger seiner Ansicht nach nur dann „vernünftig“ ist, wenn dieser (wie einst er selbst) vorher zwei Jahre als Stellvertreter im Geschäftsführenden Vorstand des BJV gesessen hat. Der Witz ist, dass sein Herausforderer Harald Stocker bereits Mitglied im Bundesvorstand des DJV ist und gewiss keinen Michael Busch benötigt, um sich bei ihm abzuschauen, wie vernünftige Vorstandsarbeit funktioniert (oder besser: nicht funktioniert).

Ich habe Michael den Rat gegeben, in Sinne eines vernünftigen Übergangs auf eine erneute Kandidatur für das Ehrenamt, vor dem er andere so dringlich warnt, zu verzichten.

Aber auf mich hat er noch nie gehört.

Hier noch ein paar Kostproben Busch-O-Ton: 

„Bitte nicht falsch verstehen: Ich will niemanden Angst machen, es wird selbstverständlich keinen Vorsitzenden auf Lebenszeit wegen dieser Anzahl an Aufgaben geben. Aber es soll nochmals aufzeigen, dass ein vernünftiger Übergang sinnvoll ist.“

„Ich hätte mir ein bisschen weniger Spannung gewünscht, nachdem ich vor zwei Jahren bereits angesagt habe, dass ich 2023 letztmalig kandidieren werde. Ich habe damals den Wunsch geäußert, den ich an dieser Stelle gerne wiederhole, dass eine potenzielle Nachfolgerin/ein potenzieller Nachfolger hoffentlich 2023 auf die Stellvertretung im Geschäftsführenden Vorstand kandidiert, um nicht zuletzt eine vernünftige Übergabe zu initiieren.“

Ich möchte nicht gegen die Kandidatur sprechen, das ist definitiv ein demokratisches Grundrecht – natürlich auch bei uns im Verband -, ob es aber wirklich Klug (sic!) im Sinne des Verbandes ist, möchte ich an dieser Stelle bezweifeln.“

„Ich kann meine (sic!) Gegenkandidaten nur nochmals auffordern, sich zu überlegen, ob der harte Schnitt sinnig ist, weil es mit meiner Person halt nicht bei jeder/jedem so funktioniert und man auch inhaltlich mal auseinandergeht. Oder ob es sinnvoller ist, einen vernünftigen Übergang innerhalb der nächsten zwei Jahre zu gestalten. Und das ohne Beschädigung aller dort aktiv beteiligten Personen – und viel wichtiger: ohne Beschädigung des BJV und gar den Verlust der jahrelangen, intensiven und der Sache gewidmeten Arbeit.“

„Ich wünsche zunächst einmal schöne Pfingsten und entsprechende Erholung.“

 

Graichens Fall oder: Trumps deutsche Vettern

Die Welt steht am Abgrund, aber einflussreiche Akteure aus Parteien und Medien benehmen sich, als lebten sie auf einem anderen, einem sicheren und fernen Planeten – und verplempern wertvolle Zeit mit anachronistischen Machtspielen.

Niemand mag Vetternwirtschaft – außer, er ist selbst einer der Vettern. So könnte man das, was auf der politischen Bühne gerade gespielt wird, auf den Punkt bringen und breite Zustimmung ernten. Eine solche Aussage funktioniert universell. Sie lässt sich schön auf Akteure jeglicher Herkunft projizieren. So entsteht der Eindruck, es seien alle gleich erbärmlich und charakterschwach, die Grünen nicht besser als die Schwarzen. Diese Art der politischen Auseinandersetzung schadet nicht nur den Angegriffenen, sondern dem Vertrauen in die demokratischen Institutionen insgesamt. Aber es relativiert die Schandtaten der Skrupellosen oder lenkt von ihnen ab.

Die Gefährlichkeit des Vorwurfs der Vetternwirtschaft liegt in seiner Pauschalität, im Negieren des jeweiligen Falls, in der mutwilligen Maßstabslosigkeit, die zu rhetorischer Maßlosigkeit führt. Die Behauptung kommt mit vorgetäuschter Objektivität daher, wie ein Faktum, das für sich stehen kann, ohne dass die Öffentlichkeit den Kontext kennen müsste oder den Zweck der Attacke und die (mangelnde) Seriosität ihrer Urheber. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft gehört zum klassischen Handwerkszeug von Spin-Doktoren, Kampagnenjournalisten und Desinformationsprofis. Und leider kennen sich Menschen, die sich schon oft und zu Recht damit konfrontiert sahen, am besten mit den Spielregeln aus. Sie haben mehr Übung. Merke: Wann immer jemand „haltet den Dieb!“ ruft, sollte man skeptisch werden. Angemessen unfein gesagt: Der Furz ist meist dem entwichen, der mit vorwurfsvoller Miene die Nase rümpft.

Was in Berlin derzeit abgeht, stinkt wirklich zum Himmel. Die Klimakatastrophe schreitet voran, mit Dürren und Hochwasser in Südeuropa, in einigen unserer Hauptanbaugebiete für Obst und Gemüse, mit schmelzenden Alpengletschern und absehbarer Trinkwasser-Rationierung in bisher nicht betroffenen Gebieten. Aber was machen die eigentliche und die regierungsinterne Opposition? Sie tun alles, um Robert Habeck wie einen Filzokraten erscheinen zu lassen, und nötigen ihn zu kontraproduktiven Personalentscheidungen.

Deshalb gehört der wohfeile Nepotismus-Vorwurf einmal grundsätzlich dekonstruiert. Hierzu ein Rant im FAQ-Format:

Was ist Vetternwirtschaft überhaupt?

Vettern- oder Freunderlwirtschaft ist ein Euphemismus für eine Spielart von Korruption, die der persönlichen Bereicherung und/oder dem Machterhalt dient. Der ein öffentliches Amt bekleidende Vetternwirt schiebt seinen Cousins und Cousinen, Kindern, Geschwistern, Amigos oder Lebenspartner:innen gut bezahlte Posten oder Aufträge zu oder engagiert sie als Strohleute, um öffentliches Geld abzuzweigen oder Kritiker ruhigzustellen. Das Spektrum der Taten reicht vom profanen Wahlgeschenk bis zu Kickback-Geschäften, die sich bei Staatsoberhäuptern oder Regierungschefs gerne darin äußern, dass nahe Angehörige in den Besitz von Firmenanteilen, Immobilien oder maritimen Mobilien kommen, die selbst Mitglieder royaler Dynastien vor Neid erblassen lassen. Umgekehrt gilt: Wer nichts abgreift, nicht in die eigene Tasche oder die der Seinen wirtschaftet und der Allgemeinheit auch keinen Schaden zufügt, für den passt das Wort nicht. „Graichens Fall oder: Trumps deutsche Vettern“ weiterlesen

Fachkräftemangel trifft VG Wort (2)

Wer (1) hinter eine Headline schreibt, muss auch eine (2) liefern. Hier ist sie – mein Versuch, die Gremlins der VG Wort an ihre Aufgabe und Verantwortung zu erinnern. Denn die Organisation steht kurz vor einem gefährlichen Vakuum im Management.

Gremlins nannte Günther Jauch einst die Gremien-Mitglieder der ARD. Ich habe Spaß an solchen in der bayerischen Politik-Folklore „Derblecken“ genannten Sottisen, vor allem dann, wenn sie einen wahren Kern enthalten. Was das zweitoberste Gremium der VG Wort angeht, kann ich mir anmaßen, so zu reden, schließlich kenne ich nicht nur die meisten Protagonisten, sondern gehörte lange genug selbst diesem Verwaltungsrat an (von 2003 bis 2019). 

In Teil (1) dieser Blog-Episode hatte ich schon versucht deutlich zu machen, weshalb (nicht nur) wir Autor:innen (sondern auch die Verlegerseite) gute Kandidat:innen für die anstehende VR-Wahl am 17. Juni brauchen. Nicht so deutlich habe ich dabei gemacht, wie enttäuscht ich von der Performance dieses Zirkels in jüngster Zeit bin. Zu gerne würde ich die Sitzungsprotokolle von 2022 und vielleicht auch von 2021 lesen, um mir einen Reim darauf machen zu können, was da in der Unteren Weidenstraße und an den Zoom-Bildschirmen passiert ist. Denn jetzt, zum Jahreswechsel, klafft an einer ziemlich exponierten Stelle des Verwaltungsapparats ein Loch, eine nicht zu erwartende Vakanz, ein Vakuum. Es existiert nur deshalb, weil das Aufsichtsgremium, der Verwaltungsrat, offensichtlich verlernt hat, mit Meinungsunterschieden vernünftig umzugehen – und weil nicht genug seiner Mitglieder die Konsequenzen ihrer Entscheidungen oder besser Nicht-Entscheidung überblickt haben. Mir fehlt da strategischer Weitblick und Kompromissfähigkeit bei Leuten, die ich bisher sehr respektiert habe.

Die Lücke, die ich meine, ist der gleichzeitige Abgang eines der beiden Geschäftsführer und einer wichtigen Fach- und Führungskraft, „Fachkräftemangel trifft VG Wort (2)“ weiterlesen

Fachkräftemangel trifft VG Wort (1)

Urheber, die sich als Verwaltungsratsmitglieder in der Verwertungsgesellschaft Wort engagieren, werden ab sofort fair für die Zeit entschädigt, die sie in Sitzungen verbringen. Die Gremienarbeit attraktiver zu machen, war dringend geboten: Die VG Wort braucht kräftige Impulse für ihre Aufholjagd ins Digitale.

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Wer die Entwicklung der VG Wort im 21. Jahrhundert mitverfolgt hatte und nun die Unterlagen zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am vorigen Samstag studierte, dürfte sich verwundert die Augen gerieben haben: Bei den Anträgen von Mitgliedern stand mein Name neben dem des Kollegen Oliver Eberhardt, der sich bei den Freischreibern ums Urheberrecht kümmert. Wir haben gemeinsam durchgesetzt, dass die finanzielle Entschädigung für die Ehrenamtlichen kräftig aufgestockt wird (siehe unten).

Wenn das Anliegen stimmt, geht’s auch ohne Fraktionsdisziplin: Antrag von 70 VG-Wort-Mitgliedern vom 10.12.2022

Nein, ich bin immer noch meinem DJV treu, ich bin nicht übergelaufen. Es ist im Gegenteil so, dass sich bei dem Freiberufler-Verband, der noch vor sechs Jahren in der VG Wort zu Recht als großes Schreckgespenst galt und hier im Blog mehrfach Thema war, einiges getan hat. Damals drängten sich beim Freischreiber e.V. ein paar Kolleg:innen darum, das Thema zu besetzen, die nie verstanden haben, wie das Urheberrecht im Allgemeinen und die VG Wort im Besonderen funktioniert. Sie wussten alles besser und knallten uns Funktionären wildeste Anschuldigungen um die Ohren. Oliver hingegen hat das getan, was gute Journalisten tun: Er hat zugehört und sich schlau gemacht. „Fachkräftemangel trifft VG Wort (1)“ weiterlesen

Uns geht’s wohl zu gut – immer noch

Wer ein privates Fest in einer Gaststätte besucht, ist entweder Teil des Problems oder weiß nicht, an wem er mehr verzweifeln soll: an den Gastronomen oder den anderen Gästen. Ein Rant über unseren Umgang mit Essen und Trinken.

Das Wort „Lebensmittelverschwendung“ wird man im Jahr 2022 schon mal gehört haben. Du oder Sie auch, oder? An einem Teil der Menschen, denen ich am Wochenende zum ersten und vorläufig letzten Mal begegnet bin, muss es aber vorbeigerauscht sein, ohne irgendwelche Reaktionen im Gehirn zu hinterlassen.

Es war die Hochzeitsfeier eines guten Freundes, nicht mehr der allerjüngste Bräutigam, aber bedeutend jünger als ich. Er arbeitet in einem weltbekannten Schweizer Unternehmen in der Finanzkommunikation, seine Frau ist Kardiologin. Die beiden können es sich also leisten, in gediegenem Rahmen zu feiern. Da Freunde und Familie überwiegend im süddeutschen Raum und der Schweiz zu Hause sind, hatte sich das Brautpaar ein Hotel am Bodensee ausgesucht. Und damit jeder Gast (m/w/d) mit der Beköstigung zufrieden ist, hatte das Brautpaar auf der Antwortkarte zur Einladung abgefragt, ob die Eingeladenen unter Allergien oder Unverträglichkeiten leiden oder ob sie ein vegetarisches Gericht wünschen.

Tja, und dann landeten doch mehrere feinste Rumpsteaks im Müll. „Uns geht’s wohl zu gut – immer noch“ weiterlesen