Auch Feuilleton kann verständlich sein

In der Achtzigern brauchte ein Kabarettist nur einen beliebigen Text aus dem Feuilleton der Süddeutschen mit der gebührenden Theatralik in der Stimme vorzulesen, schon lag das Publikum sich kringelnd unter den Tischen. Die Texte waren damals berühmt dafür, dass ihre Autoren besonderen Ehrgeiz darauf verwandten, die intellektuellen Fähigkeiten der Leserschaft über Gebühr zu strapazieren. Das Geschwurbel war eine bühnenfertige Parodie seiner selbst.

Unter den Chefredakteuren Kilz und Kister wurde unverständliches Geschwalle auch im Kulturteil zur bedrohten Textart. Wer sucht, findet aber auch heute noch Exemplare wie dieses, das einer Rezension des neuen Buchs der Axolotl-Plagiaristin Helene Hegemann entnommen ist (SZ vom 23. August, Seite 13):

„Dass Meisterwerke zuweilen darauf angewiesen sind, grell oder gegen Tabus zu arbeiten, ist das eine – in „Jage zwei Tiger“ offenbart sich vor allem die Verachtung vor einem Begriff von Kindheit als schützenswert.“

Ich habe den Satz fünf mal gelesen, und ich könnte ihn noch zwanzig mal lesen. Hut ab, Frau Lorch, Sie haben mich besiegt, Sie sind klüger und sprachmächtiger als ich dummer Leser! Ich kapituliere von Ihrer Genialität. Ich habe nämlich nicht den Hauch einer Ahnung, was Sie damit sagen wollen. Das nenne ich eine elitäre Schreibe.

’s Täschli und die Redak-Toren

Nennt die Schweizer Journaille die Affäre um die Zürcher Boutique, in der Oprah Winfrey ihren Pretty-Woman-Moment erlebte, wirklich „Täschligate“? Das ist dann dumm, zu dumm jedenfalls, als dass der stern (von gestern) dies hätte nachplappern müssen.

Erstens: Watergate war der Name eines Hotels, das Tatort einer politisch motivierten Straftat war. Geht es hier um ein Hotel oder eine Straftat? Nein.

Zweitens: Hatte die Straftat etwas mit Wasser zu tun? Nein, wenn man davon absieht, dass das Hotel wohl Zimmer hatte, von denen aus man den Potomac River sehen konnte.

Drittens: Hat Gate – also Pforte, Schleuse oder einfach Tor – mehr mit der Straftat zu tun als das Wasser? Wieder nein.

Viertens: Kandidiert Oprah Winfrey für das Amt der amerikanischen Präsidentin und gehört die Trois-Pommes-Boutique Barack Obama? Auch das nicht, jedenfalls nach allem, was man als Nicht-NSA-Mitarbeiter weiß.

Das einzige, um was es hier geht, ist eine Verkäuferin, die sich wohl krass daneben benommen hat (dass ihre selbstbekundeten Erinnerungen, die denen von Mrs. Winfrey widersprechen, Schutzbehauptungen sind, ist zumindest plausibel, denn die Prominente hätte keinen Grund, so etwas zu erfinden).

Darum sei heute und für alle Zukunft konstatiert: An irgendein Wort „gate“ als Suffix anzuhängen, um besagtes Wort in einen Skandalkontext zu stellen, ist nicht witzig, sondern bescheuert. Ein Journalist, der „Gate“ so verwendet, ist selber einer: ein Tor. Er handelt redak-töricht.

P.S.: Gerade lese ich bei Techdirt in einem Leserkommentar „Prismgate“. Es ist eine Sucht. Addictiongate.

SZ mit Verkleinerungslupe

Geniale Innovation bei sueddeutsche.de: Man klickt auf die Lupe und kann sich das Bild in klein ansehen. Chapeau!

Verkleinerungsglas

Hommage an Funke-Qualitätszeitung anno 1979

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber es müsste die Neue Ruhr Zeitung (NRZ) gewesen sein. Die WAZ hatte, wenn ich mich recht entsinne, ein anderes Layout.

Papst

Man sagt ja nicht Böing 787, gell, Handelsblatt?

Die Rechtschreibspezialisten aus Dusseldörf haben wieder zugeschlagen. Schreib wie du sprichst. Man sagt Bo-ing, nicht Bö-ing. Na also.

BoingBoing