DFJV: Verbandsimitat aus der Retorte

aus: BJVreport 4/2009

Aktiengesellschaft baut perfekte Kulisse im Look eines Journalistenverbandes

 

Als es vor drei Jahren darum ging, wer künftig offiziell Presseausweise ausgeben darf, riefen zwei Außenseiter-Vereine, deren Chefs niemand kannte, lauthals „wir!“: der Deutsche Presseverband (DPV) und der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV). Die Folge war zwar keine amtliche Weihe ihrer Plastikkärtchen, sondern die komplette Deregulierung des „Markts“ für Presseausweise. Geschadet hat diese Abwertung des einstmals exklusiven Dokuments den ins Geschäft drängenden Kaufleuten nicht, die Nachfrage nach den vermeintlichen Türöffnern und Rabatthelfern floriert. 

Über den Hamburger DPV berichtete der BJVreport in Heft 3/2009. Hier folgt die nicht minder irritierende Erfolgsgeschichte seiner Berliner Rivalin, einer Aktiengesellschaft.

So kann man sich irren. Axel Milberg ein Schauspieler? Der Krimimann hat als Kultur-Fachjournalist einen „deutschen Presseausweis“, begehrt damit freien Eintritt in Wien und weint sich in Thorsten Ottos Mikro aus, weil sein Geschnorre nicht auf Gegenliebe stößt. Bayern3 Die Euro-Liberale Silvana Koch-Mehrin und die Hausfrauenrevolutionärin Marie-Theres Kroetz-Relin entpuppen sich als Politik-Fachjournalistinnen, Ex-Pfanni-Konsul Otto „Otec“ Eckart als Wirtschafts-Fachjournalist. Ballermann-Vermarkterin Annette Engelhardt kapriziert sich im Fachjournalisten-Textportal auf Justiz-, Kultur- und IT-Themen.

Fachjournalismus, Fachrichtung Tourismus-PR

Schlagerproduzentin Claudia Kohde-Kilsch offeriert dort Centrecourt-Memoiren; dafür hat sie sogar eine Fachjournalisten-Fernschule absolviert. „DFJV: Verbandsimitat aus der Retorte“ weiterlesen

Bravo, BDZV: Gratiskultur abschaffen!

Erst Springer, VDZ und New York Times, jetzt Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger: Die Medienmanager und -unternehmer haben nach 15 Jahren eingesehen, dass das damals mit dem Verschenken geistigen Eigentums via Internet nicht wirklich die allertollste Geschäftsidee war. Die tagesaktuelle Erkenntnis:

„Die Onlinewerbung allein wird nicht ausreichen, publizistische Qualität im Internet zu finanzieren.“

Das war zwar eigentlich schon von Anfang an klar. Aber auf Journalisten hört ja ein Verlagskaufmann nicht so gern, die verstehen ja als tumbe Idealisten und brotlose Künstler nix vom Geldverdienen (sonst wären sie ja Kaufleute geworden).

Jetzt aber wird das, was Journalisten intuitiv wussten, zu Allgemeinwissen. Rekapitulieren wir mal die Fakten, die die Herren Chefs hätten kennen können, sollen, müssen:

Interessante journalistische Berichte waren vor dem Online-Boom das einzige Vehikel, das im Huckepackverfahren Werbeanzeigen zu den Rezipienten transportieren konnte. Das Ganze funktionierte prima, weil  lokale Oligo- und Monopole den Markt beherrschten. Mehr als zwei Zeitungsverlage in einem Verbreitungsgebiet gab es fast nirgends im Lande. Die Markteintrittsbarrieren, die einen Verleger an der Expansion in Nachbarregionen hinderten – eine Lokalredaktion und einen dito Vertrieb aufzubauen, ist personalintensiv, also teuer – schützten ihn gleichzeitig vor Angreifern, die ein ansonsten weitgehend identisches Produkt anzubieten hatten: den dpa-strotzenden Mantelteil.

Und wem gehört die dpa, deren redaktioneller Output heute eine ganz zentrale Rolle bei der Misere spielt? Den Verlegern. Die Agentur arbeitet nach dem Prinzip der Genossenschaft. War es also schlau, der dpa zu erlauben, die von ihrer Belegschaft zusammengetragenen Nachrichten auch Dritten zu verkaufen, die sie überregional kostenlos zugänglich machen? War es klug, den in der Printwelt naturgemäß vorhandenen Schutzzaun des Lokalen umzureißen und sich in einen Wettbewerb mit allen anderen Verbandskollegen zu stürzen, mit denen man sich doch jahrzehntelang via Gebietsschutz so schön die Pfründen geteilt hatte? Kaufmännisch gesehen war es kurzsichtig.

Doch die Gratiszeitung kam – nicht auf Papier, nur online. Plötzlich war der Wettbewerb da, den Politiker, Zeitungswissenschaftler und Journalistengewerkschaften immer angemahnt hatten, weil es galt, die „Pressekonzentration“ zu stoppen und eine Springerisierung der Tagespresse zu verhindern. Da hatten sich aber schon längt die Lokalmonopole breitgemacht, die stets beschworene publizistische Meinungsvielfalt endete meist an der Landkreisgrenze. Plötzlich wurde offenbar, dass die Nachrichtenmedien im Web keinen USP hatten, weder für Leser noch für Inserenten. Eigentlich eine alte Geschichte, die man von Kartoffeln, Schweinebäuchen und Speicherchips kennt: Wird ein Gut masshaft in vergleichbarer Qualität verfügbar, sprechen die Ökonomen von einer „Commodity“. Nur dass man News als Commodity jetzt „Content“ nannte. Zu deutsch: Füllmenge.

Hat hier jemand „geistiges Eigentum“ gerufen, „Intellectual Property“?

Jawohl, die Sprecher des Verlegerlagers. Okay, sie nennen es anders, sie beklagen die von ihnen selbst erst ermöglichte „Gratiskultur“ und den in ihr üblichen „Content-Klau“, den sie mittels eines „umfassenden“ Leistungsschutzrechts nicht verhindern können, aber wenigstens eindämmen wollen.

Es ist die alte „Haltet-den-Dieb“-Masche: Den Löwenanteil dessen, was die fraglichen Online-Seiten füllt, haben sich die nach Leistungsschutz Rufenden billig unter den Nagel gerissen – nämlich Agenturmaterial, PR-Texte oder Werke von freien Mitarbeitern, die per Knebelvertrag alle Verwertungsrechte abtreten mussten. Dieselben Juristen und Verlegerfunktionäre, die immer noch die im Urheberrechtsgesetz von 2002 (!) vorgeschriebenen Einigungen mit den Autoren über „angemessene“ Vergütung verschleppen, jammern lautstark darüber, dass sie an der  bloßen Weiterverbreitung nicht angemessen verdienen. Das nennt man Chuzpe.

Laut Kress lobte Verleger-Repräsentant Wolff anlässlich der Verkündung seines Klagelieds die deutschen Verleger – sie machten „die besten Zeitungen der Welt“. Es wäre vielleicht mal an der Zeit, daran zu erinnern, dass es immer noch Journalisten sind, die die Zeitungen machen. Der Job der Verleger ist es, sich (im beiderseitigen Interesse und auch dem der Gesellschaft) zur Abwechslung endlich mal Geschäftsmodelle auszudenken, die im Online-Zeitalter wirklich funktionieren – und etwas nachhaltiger sind als das, was heute branchenüblich ist

Der Ruf nach einem „umfassenden“ Leistungsschutzrecht offenbart jedenfalls nur eines: tiefe Ratlosigkeit.

Don Eulenspiegel spielt den FAZke auf Egotrip

Präscriptum: Dieser Text über einen ganz speziellen alten „Freund“ von mir gammelte versehentlich einige Monate im so genannten „privaten“ Bereich von WordPress, also der Warteschleife, weil ich noch ein paar nette Links einbauen wollte. Dann haben sich die DInge so entwickelt, dass wir beide so manches sehr, sehr ähnlich sehen: Wiederholt habe ich mich dabei ertappt, ihm mehr oder weniger heimlich zu applaudieren, weil er einiges sehr gut auf den Punkt gebracht hat.

Ich habe also überlegt, ob das ein Grund ist, interessierten Mitbürgern den Text vorzuenthalten – und mich jetzt entschieden, ihn online zu stellen. Warum? Erstens habe ich mit dem Kollegen das Elefantengedächtnis gemein, so dass ich nicht vergesse, was er sich alles aus Rainer reiner Bosheit schon alles geleistet hat an unkollegialen Ausfällen. Da kann er auch mal eine Brise Gegenwind vertragen. Zweitens finde ich das Phänomen, dass die Frankfurter Allgemeine den „Don“ für sich arbeiten lässt und er für sie arbeitet, nach wie vor ebenso amüsant wie die Tatsache, dass sogar Personen, die über ihn berichtet haben, seinen (Vor-?) Urteilen über Kollegen etablierter Medien Nahrung gegeben haben. (Nachgetragen am 27.2.2010)

Was haben Brüno, Borat und Don Alphonso Porcamadonna gemeinsam? Alle drei sind Kunstfiguren, deren Schöpfer dermaßen in ihren Rollen aufgehen, dass die reale Persona dahinter nahezu verblasst. Allerdings beschränkt sich der Wirkungskreis des Don Alphonso auf den deutschsprachigen Teil des Weltweitwebs. Er wird auch nicht von Sasha Baron Cohen gemimt, sondern von einem Menschen, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den schnöden Allerweltsnamen „Rainer Meyer“ trägt. (Restzweifel bleiben, denn wenn Rainer M. schlecht drauf ist, mosert Alphonso schon mal rum, es gehe niemanden etwas an, ob sein reales Alter ego nun Meier oder Mayr heiße. Meyer mit Üpsilon ist jedoch eine überaus plausible Version.)

Dafür hat „der Don“ den beiden Cohen-Eulenspiegeln eines voraus: „Don Eulenspiegel spielt den FAZke auf Egotrip“ weiterlesen

Neuartige Yellowpress-Anzeigegeräte

Eine witzige Idee zum Thema Paid Content entwickelt Perlentaucher-Leser(in)  klinkhart in einem Kommentar zu Anja Seeligers Meinungsstück „Die vierte Gewalt ist jetzt im Netz“ :

„Vielleicht erklären wir ja demnächst Computer zu „neumodischen Yellowpress Anzeigegeräten“ die wir einer Presse-GEZ zu melden haben. Mein Vorschlag: Jeder Seitenbetreiber stellt Herrn Burda und den öffentlich rechtlichen für jeden eigenen Beitrag eine Rechnung, da sie ja theorethisch in der Lage sind den Artikel zu lesen. Bitte Mahnung und Mahnbescheid nicht vergessen.“

Ein Zeitungsverleger will klüger werden

Schaden macht klug, und darum werden jetzt auch Tageszeitungsverleger klüger. Oder sie tun wenigstens so. In einem Gastbeitrag für carta.info legt der als knallharter Kaufmann gefürchtete Geschäftsführer des Nordkuriers,  Lutz Schumacher, dar, warum es für ihn dumm ist, sich für schlauer zu halten als seine Leser.

Zu originelleren seiner Thesen gehört die Forderung an sich selbst und seinesgleichen, Mittel für Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Die derzeitige Qualitätsdebatte hält der Mann aus dem Nordosten für verlogen, Begriffe wie „tiefgründige Analyse“, „ausgewogene Hintergrundberichterstattung“, „gesellschaftspolitische Aufgabe“ und „für die Demokratie unverzichtbar" empfindet er als hohle Phrasen. Es gehe darum, Zeitungen zu machen, die für die Leser attraktiv seien; dies könnten die Macher derzeit aber gar nicht richtig einschätzen. Indes: Schumacher ist immer noch in der Zielgruppendenke verhaftet, die allein schon semantisch den Leser degradiert – zum Objekt einer Jagd auf zahlende Kunden. So dient der Abonnent dem Verlag, nicht umgekehrt.

Aus dieser altväterlichen Denke resultieren dann Zitate wie "wir müssen viel mehr Geld und Zeit in eine wirklich gute Marktforschung stecken" oder "genaue Leserforschung und Geomarketing werden immer wichtiger". Vielleicht müssten ja nur die Redakteure mit den Bürgern reden, am besten nicht nur webzwonullig, sondern sogar live im Richtigen Leben 1.0 – und siehe da, auch darüber hat sich Schumacher schon einen Kopf gemacht: "Wir müssen die Leser durch leibhaftige Vorort-Präsenz, etwa Sprechstunden in Cafés, Rundreisen etc., aber auch durch Mikroblogs und als Plattform für lokale Gemeinschaften (Communities) einbeziehen." Wenn aber das Interesse des Lesers für ihn alles ist, warum fordert der Mann dann: "Wir müssen verstärkt selbst die Themen setzen, über die dann gesprochen wird"? Ist das nicht auch altes Denken? Der bevormundende Schlaumeier-AllesBesserWisser-Journalismus, der doch die jüngeren, internet-affinen – ähem – Zielgruppen bekanntlich so anödet?

Letztlich bleibt von Schumachers halbgaren Thesen im Gehirn hängen, dass Journalismus in seiner heutigen Form zu teuer ist: "Wirtschaftlich arbeiten heißt in der Zukunft, bei einem weiterhin sehr hohen Personalkostenanteil den Journalisten vernünftige Rahmenbedingungen für unabhängiges  und dennoch zielgruppenorientiertes Arbeiten zu bieten und sie zu motivieren – etwa indem man sie am Erfolg partizipieren lässt." Aber woran soll denn, bitteschön, die Erfolgsbeteiligung gemessen werden? Per Readerscan? Je nach Anzeigenschaltung im Ressort? "Die alten Zeitungstarife", wettert der Verlagschef, "sind … undifferenzierte, gleichmacherische Auslaufmodelle, die unter ehrgeizigen Redakteuren nur Frust erzeugen und die innerbetriebliche Solidarität auflösen." Interessante Idee: Kollegiale Solidarität stärken, indem man den Ehrgeizlingen mehr bezahlt als denen, die einfach nur einen guten Job für die Leser machen möchten und zufrieden sind, ein Berufsleben lang Lokalredakteur zu sein. (Nicht, dass ich das für eine erstrebenswerte Lebensplanung hielte, aber ich kenne und schätze ein paar Kollegen, die genau darin ihre Berufung sehen.)

Aber seien wir nicht unfair: Wenn ein Verleger mal nicht zuerst an die Inserenten denkt, sondern an die Leser, sollten wir das loben. Den Rest lernt er mit etwas Glück auch noch.