Computerhandel: Wettbewerb im Preisboxen

Beim Kampf um Marktanteile kennen die PC-Produzenten keine Tabus mehr. Mit jedem sich bietenden Vertriebsweg wird experimentiert. Die Kunden haben die Qual.

Top Business 3/1994

Es war immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Jetzt nicht mehr. Zumindest für den, der einen Computer will. Denn die klassische Luxusmarke Apple gibt sich überhaupt nicht mehr elitär.

Schuld daran ist Michael H. Spindler. Seit der bullige Berliner (Spitzname: „Diesel“) im Sommer 1993 John Sculley als Apple-Chef abgelöst hat, zählt nur noch Masse. Macintosh-Modelle gehören seit Monaten zum Sortiment der Billigkette Escom Office, sind bald in Filialen des Metro-Ablegers Media Markt/Saturn-Hansa erhältlich und werden sogar im neuen Quelle-Katalog angepriesen.

Nicht nur das Apple-Management sagt der Exklusivität adieu. Hardware von Compaq oder IBM steht neuerdings fast überall im Regal, wo es Computer gibt – auch bei Vobis, Saturn-Hansa und Allkauf. „Wir können dem Kunden nicht vorschreiben, wo er unsere Produkte kaufen soll“, erklärt Peter Scholtes, Marketingleiter des IBM-Geschäftsbereichs Personal Systems (PS) in Stuttgart, „wir müssen da sein, wo die Leute uns wollen.“ Deshalb legte der EDV-Riese im vergangenen Herbst eigens für die deutschen Media-Märkte die Baureihe PS/1000 auf. Und Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer zielt mit dem „Presario“-Label auf preisbewußte Käuferschichten und hohe Stückzahlen.

Das Chaos auf dem PC-Markt könnte größer nicht sein als im Vorfeld der CeBIT 1994: Während die Discounter mit hausgemachten Designer- und Premium-Marken ihre Rendite zu steigern versuchen, fluten traditionelle Computerproduzenten alle erreichbaren Absatzkanäle gleichzeitig. Aus Angst, weitere Marktanteile an die No-Names zu verlieren, liefern sie gar Ware für schrille Lockvogelangebote.

IBM-Flop mit Billig-Sbop

Bei den brachialen Schaukämpfen, Monat für Monat über eine Sintflut von Zeitungsbeilagen ausgetragen, halten sich die Preis-Boxer jedoch mit verbalen K.o.-Schlägen auffallend zurück. Keiner der Rivalen weiß, welchen Gegner er eines Tages als Verbündeten brauchen wird. So läßt sich Deutschlands PC-König Theo Lieven, Chef der Vobis Microcomputer AG in Würselen bei Aachen, um nichts in der Welt zu Spott über IBM hinreißen.

Auch nicht über den Pilotladen „Ambra – Computers 4 U“, mit dem ihn IBM-Topmanager Erwin Staudt 1993 herausgefordert hatte. „Wir werden bei den Preisen mitziehen“, drohte Staudt damals vor Branchengrößen auf der Konferenz PC trends ’94, „bis keiner am Markt mehr Lust hat, diese Spinnereien mitzumachen.“ Indes: Der als No-Name getarnte IBM-Shop – provozierend nah am Aachener Vobis-Stammhaus gelegen – fand so wenig Kunden, daß der Konzern den Aufbau einer deutschen Ambra-Kette kleinlaut von der Tagesordnung strich.

Theo Lievens diplomatische Zurückhaltung (“Da kann ich nix zu sagen“) könnte sich bald als klug erweisen. Werner Senger, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes Büro- und Informationssysteme e. V. (BVB) in Bad Homburg, sieht nämlich angesichts dahinschmelzender Preisvorteile bereits die „Gefahr für die No-Names, daß der Konsument wieder ein Markengerät nimmt“ – was für Mitgliedsfirmen des BVB (wie IBM) eine erfreuliche Entwicklung wäre.

Lieven, der dieses „Worst-Case“-Szenario sehr ernst nimmt, hat dafür längst Notfallpläne auf der Festplatte. Deshalb finden Vobis-Kunden heute schon in allen Filialen eine kleine Auswahl gängiger Compaq-Modelle.

In den „Superstores“ der Kette in Berlin und Bielefeld sowie am Firmensitz in Würselen ist die Auswahl an Markencomputern reichhaltiger: Sie umfaßt neben Macintosh-Varianten von Apple und Notebooks von Toshiba sogar Geräte des texanischen Herstellers Dell, der sein angestammtes Direktmarketing damit um die Einzelhandelsschiene ergänzt.

Verkehrte Welt: Während Dell-Chef Nick Pike so die Stagnation im Versandgeschäft wettmachen will, experimentiert die Konkurrenz mit eigenen Mail-Order-Abteilungen. Ob IBM oder Vobis, Escom oder Digital Equipment – die Bestellung über Telefon, Fax oder Bildschirmtext soll zusätzliche Stückzahlen bringen, ohne große Kosten zu verursachen.

Ob dieser Vertriebsweg jemals mehr wird als ein Mitnahmegeschäft – bei Vobis und Escom jeweils deutlich unter fünf Prozent vom Umsatz -, wissen auch Insider nicht. Die deutsche IBM zumindest erwartet einiges von ihrer neuen Direktvertriebs-Tochter im hessischen Nieder-Roden: Dort regiert Kevin Moore, ein Mann mit Dell-Erfahrung.

“Es gibt kaum Hersteller, die eine Vertriebsform aussparen“, mokiert sich Fritz Jagoda, Geschäftsführer der Eschborner Unternehmensberatung Diebold Deutschland GmbH. BVB-Vize Senger hingegen verteidigt den mehrgleisigen Vertrieb mit Marktzwängen: „Den richtigen Weg gibt es nicht.“ In einer Befragungsaktion will sein Verband jetzt erstmals ermitteln, welcher Vertriebsweg welchen Kundenkreis am besten anspricht.

Wenige PC-Manager gestehen ihre Unsicherheit offen ein wie Werner Sülzer. Der Chef der deutschen Olivetti-Tochter in Frankfurt hält es für „sehr schwierig, das Verbraucherverhalten zu antizipieren“. Zu seinem Distributionsmix gehört auch Escom, doch auf keinen Fall will er auf jene Vertriebspartner verzichten, die den PC-Markt in den 80er Jahren aufgebaut haben: „Ich sehe momentan bei einigen Herstellern den fast manischen Drang, die Fachhändler, die man früher umworben hat, zu vergrätzen.“

Womöglich ein Fehler. Denn auf praxisgerechte Komplettlösungen, bei denen Software, Hardware, Zubehör und Kommunikation fertig gebündelt sind, verstehen sich die Discounter nicht. In vielen Billig-Shops bedienen Aushilfen, die nicht einmal bei gängiger Standardsoftware firm sind.

Fachhandels-Potentiale

Deshalb gibt Richard Seibt, Leiter der PC-Software-Sparte der deutschen IBM, dem Fachhandel eine Chance: „Der Weg geht zu qualifizierter Beratung.“ Allerdings gegen faire Bezahlung. Gerade Kunden, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, so Seibt, sind jedoch gern bereit, diesen Service zu honorieren.

Stimmt die Prognose, dann liegt die Einkaufskooperative Comteam GmbH & Co. KG, Lilienthal, voll im Trend. Die meisten der 124 Mitglieder haben genau diesen Weg eingeschlagen: Ihre Stärken heißen Vernetzung und Software, die Hardware kommt meist aus deutschen Montagefabriken wie Actebis oder Aquarius. „Eine IBM- oder Compaq-Autorisierung“, so Comteam-Geschäftsführer Karl-Ulrich Schönemeyer, „hat kaum einer.“ Dieser Schönheitsfehler ist bald keiner mehr: Die IBM beliefert neuerdings die Großhändler Computer 2000 und Merisel, mit denen Comteam Rahmenverträge hat.

Und schon gehen die Discounter in die Gegenoffensive. Escom-Chef Manfred Schmitt will auf der CeBIT ein „Partnerkonzept“ promoten, das ihm auch Zugang zum ländlichen Raum verschaffen soll. „Wir wenden uns an Softwarefirmen, die preisaggressive Hardwarelieferanten suchen“, erklärt der Heppenheimer Unternehmer, „im Lauf des Jahres wollen wir auf 300 Escom-Partner kommen.“ Auch Theo Lieven werden ähnliche Ambitionen nachgesagt.

No-Name-Profite in der Provinz, Marken-Ramsch in der Großstadt. In der PC-Branche gilt vollends das Toyota-Motto: Nichts ist unmöglich.

Ulf J. Froitzheim

Zwitter im Dock

Notebooks werden immer besser und beliebter. Kommt das Aus für stationäre Rechner im Büro?

Reisende mit mobilen Computern hat die Security-Truppe des Münchner Flughafens „Franz Josef Strauß“ ganz besonders auf dem Kieker. Während auf anderen deutschen Flughäfen das Handgepäck einfach geröntgt wird, müssen Reisende mit Rechner in München in eine extra Schleuse, ihr Gerät auspacken und auf eine Waage legen. Entspricht das Gewicht des Laptops oder Notebooks nicht dem offiziellen Sollwert, darf die kleine graue Kiste nicht an Bord – es könnte Sprengstoff drin sein.

WirtschaftsWoche Nr. 10/1994

Doch die amtlichen Aufpasser verlieren beim Wiegen zusehends den Überblick. Fast täglich kommen neue Modelle von DIN-A4-großen Notebooks, kleineren Sub-Notebooks und winzigen Palmtops auf den Markt, immer öfter blättern die Kontrolleure vergeblich in ihrer Liste. Notgedrungen, doch mit sichtlich schlechtem Dienstgewissen, lassen sie in solchen Fällen den Fluggast durch – und notieren fürs nächste Mal Typ und Gewicht der Rechenmaschine.

Die Ausstattungsvielfalt der neuesten Geräte läßt sich bald nur noch mit Hilfe einer umfangreichen Datenbank übersehen: Aus einem wachsenden Sortiment von Basismodellen, Zusatzspeichern, Modems und Reserveakkus kann inzwischen jeder Käufer seinen individuellen Mobilcomputer zusammenstellen ebenso unverwechselbar wie sein Auto. Die Extras, die dank eines weltweiten Standards mit dem Bandwurmkürzel PCMCIA (Personal Computer Memory Card International Association) auf fast alle Fabrikate und Modelle passen, sind ein zentrales Thema auf der diesjährigen Cebit.

Mit enormer Dynamik preschen die Tragbaren aus ihrer Marktnische hervor und machen den stationären Personalcomputern immer stärkere Konkurrenz. „Wir haben 1993 bei Notebooks europaweit etwa 35 Prozent zugelegt“, freut sich Werner Sülzer, der als Geschäftsführer der Deutschen Olivetti GmbH in Frankfurt unter anderem die Ladenkette Escom mit leistungsfähigen Leichtgewichten beliefert. Der US-Hersteller Apple, der dieses Marktsegment erst sehr spät entdeckte, macht inzwischen Milliardenumsätze mit seinen Powerbooks; im November war die erste Million der nicht ganz billigen Geräte verkauft. Auch andere führende Hersteller wie IBM, Compaq, Toshiba oder Hewlett-Packard liefern einander ein packendes Wettrennen um das jeweils leichteste, leistungsstärkste und preiswerteste Modell.

Der kompakte Notebook-PC entwickelt sich dabei zur treibenden Kraft der ganzen Hardwarebranche. Die Halbleiterhersteller sehen sich gezwungen, Prozessoren zu entwickeln, die immer weniger Strom verbrauchen und den Akku weniger schnell leeren. Ausgerüstet mit einem intelligenten Energiemanagement reicht eine Akkuladung inzwischen schon für bis zu zehn Stunden Betriebszeit.

Ähnliches gilt für die Entwicklung flacher Bildschirme, deren bedeutendstes Marktsegment im Bereich mobiler Computer liegt. Auch die Speicherproduzenten wurden zu Höchstleistungen getrieben. So glänzt das 1,8 Kilogramm leichte Sub-Notebook des japanischen Herstellers Toshiba mit einer Festplatte, auf die 120 Megabyte passen, mehr als viele Personalcomputer in Büros zu bieten haben. Apples neueste Version, die nur 100 Gramm schwerer ist, trumpft mit stolzen 200 Megabyte auf. Den Rekord hält Toshiba mit einem halben Gigabyte – mit diesem Volumen mußte vor zehn Jahren noch so manches Firmenrechenzentrum auskommen.

Die Mikrofestplatte hat dabei lediglich einen Durchmesser von 6,3 Zentimetern, ist zwei Zentimeter dick und wiegt ganze 220 Gramm. Alte Argumente fUr den Einsatz stationärer Rechner fallen derweil reihenweise der technischen Weiterentwicklung zum Opfer: Notebooks sind zunehmend grafik- und netzwerkfähig, Funktionen, die bisher Personalcomputern vorbehalten waren.

Um sich angesichts des hohen Ausstattungsniveaus selbst billiger Notebooks noch von der Konkurrenz abzuheben, investieren viele Hersteller jetzt in die Wettbewerbsfaktoren Ergonomie, Komfort und Robustheit. Der japanische Hersteller NEC machte voriges Jahr den Anfang mit einem intelligenten Verschlußriegel, der bequem mit einer Hand geöffnet werden kann, so daß der Laptop zum Aufmachen nicht abgelegt werden muß. In den Labors von AT&T wirft der Forscher Suresh Goyal immer wieder mutwillig nagelneue Computer auf den Fußboden, um das ideale Material für stabile Notebookgehäuse zu finden. Toshiba setzt auf Lithium-Batterien mit extralanger Betriebsdauer und eine Verschlüsselungskarte, ohne die der Rechner sich totstellt. Apple schließlich erfand für seine Duo-Zwitter die Powerlatch-Technik, die das Notebook solange im Dock festklammert, bis alle Dateien gesichert sind.

Kein Wunder, daß die Nachfrage nach Notebooks immer mehr anschwillt. Der Besitz der tragbaren Geräte ist längst kein Luxus oder Statussymbol mehr: Nach Einschätzung von Hans-Jörg Bullinger, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts rur Arbeitswirtschaft und Organisation (lAO) in Stuttgart, ist „mobiles Computing eine der wichtigsten Herausforderungen für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in den späten neunziger Jahren“.

Schon heute müssen sich die Unternehmen überlegen, wie sie künftig die Flexibilität nutzen wollen, die ihnen die mobilen elektronischen Gehilfen erlauben. „Fundamentale Änderungen der Arbeitsgewohnheiten“ seien dringend geboten, fordert Professor Ludwig Nastansky von der Universität-Gesamthochschule Paderborn: „Die vorhandenen Infrastrukturen können die neue, preisgünstige Technologie noch gar nicht verkraften“, so der Wirtschaftsinformatiker vom Institut für Kommunikation, Organisation und Planung. Mit anderen Worten: Die Anschaffung von Notebooks für den Außendienst zwingt dazu, den Innendienst entsprechend zu modernisieren.

So sind es vorerst die jungen Unternehmen, die die Vorteile der mobilen Datenverarbeitung konsequent ausnutzen. Als die Hamburger Verlagsgruppe Hoffmann & Campe vor einem Jahr ein Redaktionssystem für ihre neue Zeitung „Die Woche“ anschaffen mußte, verzichtete sie weitestgehend auf stationäre Computer. Statt dessen benutzen die Mitarbeiter sogenannte Duo-Modelle von Apple: Diese Zwitter bestehen aus einem Notebook und einer sogenannten Docking Station, die das Gerät am Büroarbeitsplatz bei Bedarf mit einem großen Bildschirm, einer normalen Tastatur, dem Stromnetz und dem redaktionellen Datennetz koppelt.

Dieser Hybridlösung, die in ähnlicher Form auch von Herstellern wie Zenith Data, Toshiba und Compaq propagiert wird, gehört die Zukunft. Denn damit sparen sich die Redakteure der „Woche“ die umständliche und zeitraubende doppelte Datenhaltung – das größte Ärgernis all jener, die im Büro einen stationären Computer und unterwegs ein Notebook benutzen.

Nur die Münchner Flughafenwache ist noch nicht auf den Dreh gekommen. Statt mühsam lange Listen zu führen, könnte sie die Gewichtsdaten sämtlicher Notebook-Komponenten elektronisch abspeichern. Am besten auf einem Notebook.

Ulf J. Froitzheim

Warum ein Apple-Chef „Diesel“ hieß

Michael Spindler: Dynamischer Diesel

Portrait aus der Reihe "Macher, die Sie kennen sollten"

highTech 1/1991


Sich ihn zum Gegner zu machen, erforderte schon immer eine gehörige Portion Courage. Dazu die Bereitschaft, seine Karriere gegebenenfalls ab sofort außerhalb des Unternehmens fortzusetzen. Wo er auftaucht, gibt es keine Kompromisse. Bulldozer nennen sie ihn – teils respektvoll, teils hämisch – weil er im Zweifelsfall die Opposition schlichtweg niederwalzt. Freunde dürfen »Diesel« zu ihm sagen.

Freunde? Böse Zungen aus dem Umfeld der Apple Computer Inc. halten es für schlichtweg unglaublich, dass dieser Mann überhaupt Freunde hat. „Warum ein Apple-Chef „Diesel“ hieß“ weiterlesen