Philosophieren über Krypto-Kuhmist

Bevor ich zur erstaunlichen Popularität mit „Philosophie“ etikettierter Medienangebote und Events wie der phil.cologne komme, zunächst eine Klarstellung: Philosoph ist keine Berufsbezeichnung. Philosoph – also „Freund der Weisheit“ – ist ein Ehrentitel, den man sich immer wieder aufs Neue verdienen muss. Dazu gehört definitiv mehr, als dass eine Talkshow-Redaktion oder ein Youtube-Content-Produzent seinen Namen zusammen mit dem Wort „Philosoph“ auf die Bauchbinde schreibt, die eingeblendet wird, wenn er ins Bild kommt.

Dennoch ignorieren Talkshow-Redaktionen, Buchverlage und Kuratoren hochstilisierter Veranstaltungen wie der phil.cologne gerne sowohl das spätestens seit Schopenhauers Zeiten bekannte Faktum, dass man von Beruf zwar Philosophielehrer oder Philosophieprofessorin sein kann, dies aber etwas völlig anderes ist*, als auch die noch viel ältere Erkenntnis, dass man seinen Philosophenstatus durch ein paar unbedachte Äußerungen oder Dummschwätzereien jederzeit wieder verlieren kann.

* „Wenige Philosophen sind Professoren der Philosophie gewesen, und noch weniger Professoren der Philosophie Philosophen.

In der Tat steht dem Selbstdenker diese Bestellung zum Universitätsprofessor mehr im Wege als jede andere.“

Artur Schopenhauer

Der alte Spott passt heute auf öffentlich dozierende Menschen mit und ohne Lehrstuhl. Persönlichkeiten wie Peter Sloterdijk, Richard David Precht, Svenja Flaßpöhler oder gar Gunnar Kaiser als Philosoph:innen zu bezeichnen, hatte daher immer schon den Hautgoût des Prätentiösen. Diese teils Bücher schreibenden, teils Keynotes speakenden, teils vor irgendwelchen Kameras hockenden Personen sind zwar immer für ein paar eloquente Sätze gut, wandeln aber sehr gerne auf dem Grat, von dem es steil hinab geht in die Si-tacuisses-Schlucht. Der spätrömische Sinnspruch „si tacuisses philosophus mansisses“ bedeutet nämlich nichts anderes als „hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben“. Will sagen: „…wärst Du weiterhin mit der Behauptung durchgekommen, ein solcher zu sein“.

Damit zum phil.cologne, einem kölschen „Festival“, dessen schräger, vermutlich von einer jecken Marketingfirma ersonnener Name eigentlich schon alle Bildungsbürger:innen abschrecken sollte, da das adressierte Publikum ja nicht die Fründe und Fründinnen der klüngeligen Domstadt sind, sondern die des elaborierten Diskurses, so dass höchstens phil.talk ein hinnehmbarer Titel gewesen wäre. (Dass Philosophie eine Sache ist, derer man auf Festivals frönt, wäre durchaus einer eigenen Betrachtung wert. Nur so viel: Man stelle sich Aristoteles, Platon, Descartes, Hegel, Kant oder Popper vor, wie sie als Stars mit prechtiger Mähne auf einer Festivalbühne das Mikrofon ergreifen.)

In diesem Sommer setzte sich also der Lektor, Journalist und selbsternannte Philosoph Wolfram Eilenberger ins Rampenlicht und philosophierte in seiner Eigenschaft als Mitglied der Festivalleitung mit seinem ebenfalls Philosophie studiert habenden Kulturjournalistenkollegen Ijoma Mangold sowie dem Ex-Parteipiraten und Berufsnerd René Pickhardt über: Bitcoin. Ja, richtig gelesen. Im Jahr 2022. Fast 14 Jahre, nachdem der ganze Krypto-Kuhmist angefangen hat. „Philosophieren über Krypto-Kuhmist“ weiterlesen

NZZ liegt bei Blockchain daneben

Über eine ganz besondere „Revolution des Denkens“ lässt sich der Autor Milosz Matuschek in der heutigen „Neuen Zürcher Zeitung“ aus. Auslöser dieses Umsturzes sollen jene „Vordenker, Programmierer und Unternehmer“ sein, die uns „die“ Blockchain beschert haben, also die Datenbank-Technik der Bitcoin-Welt. Leider offenbart der Verfasser – als studierter Jurist nicht vom Fach – ein nicht allzu tiefes Verständnis der Materie.

So inspirierte ihn die von den Propagandisten vorgeblicher Krypto-„Währungen“ in die Medien gepresste Informationsflut zu der rhetorischen Frage:

Kann das, was für die Technologie gilt, nicht auch für soziale Systeme gelten, für die politische Teilhabe, das Wirtschafts- und Geldsystem und letztlich die Funktionsweise von Gesellschaften insgesamt?

Sprich: Matuschek traut „der“ Blockchain-Technik eine disruptive gesellschaftliche Kraft zu. Ihren Charme sieht er in der „weitgehenden Neutralisierung von Mittelsmännern und Gatekeepern“. Das liest sich so, als seien Vermittler etwas Unnützes und Hinderliches – „NZZ liegt bei Blockchain daneben“ weiterlesen