Ich habe SO einen Hals… Nein, erzählt mir nichts mehr von bürgerschaftlichem Engagement oder christlicher Nächstenliebe! Das Thema, über das wir reden müssen, heißt Ignoranz und Bürokratismus. Ignoranter Bürokratismus, bürokratistische Ignorantokratie… egal.
Also: Heute früh berichtet Bayern2 in der Radiowelt, dass die großartige, wohlhabende Landeshauptstadt München es nicht geschafft hat, die jetzt noch eintreffenden Flüchtlinge besser unterzubringen als in Sommerlager-Zelten am Kapuzinerhölzl – und dass es dort nur dünne Bettdecken vom Katastrophenschutz gebe und es an Kissen mangele. Dem könnte ich zumindest für ein paar Menschen abhelfen, denn bei uns lagern noch einige toll erhaltene Federbetten und Kopfkissen aus einer Haushaltsauflösung.
Aber ich kann die Sachen nicht spenden. Ich werde sie nicht los.
1. Versuch, Anruf bei der Stadt München. Die Telefonistin verbindet mich nach längerer Stöberei im Intranet mit dem Anrufbeantworter einer Dienststelle, die – wie sich herausstellt – in Wirklichkeit für Spenden durch Firmen zuständig ist.
2. Versuch, Anruf beim BR. Die zuständige Kirchenfunk-Redaktion notiert eine Rückrufbitte, denn der Redakteur ist nicht da.
3. Versuch, da der Redakteur nicht zurückruft: Erneuter Anruf bei der LH München, Abt. Buchbinderei Wanninger. Am Ende lande ich bei einem freundlichen Herrn, der mir erklärt, er verstehe es auch nicht, warum das alles so schwierig ist, aber es komme immer wieder vor, dass man Spenden nicht loswerde, weil wegen irgendwelcher Vorschriften die Annahme verweigert werde. Also hat es keinen Sinn, einfach auf Verdacht hinzufahren und das Bettzeug persönlich zu übergeben. Der nette Herr verhilft mir aber zur Telefonnummer der Helfer in der Bayern-Kaserne, die aus den Nähten platzt und deshalb schon Hunderte Menschen ins Zeltlager weiterschicken musste.
4. Versuch: In der Kaserne freut man sich über das Hilfsangebot, kann es aber nicht annehmen, sondern verweist mich an ein Sozialkaufhaus namens Diakonia.
5. Versuch: Bei Diakonia geht nur der Anrufbeantworter dran, weil alle Leitungen besetzt seien, und verweist auf die Homepage. Wahrscheinlich wimmeln sie gerade andere Möchtegern-Nächstenliebende ab. Denn…
6. Versuch: …auf der Homepage steht, dass Diakonia bestimmte Artikel nicht annehme, darunter „Wassersprundelgeräte“ (Was ist Sprundelwasser? Etwas für den Napf des Pundels?) und Decken. Außerdem endet die Spendenannahme freitags um 16 Uhr, eine Stunde vor Ladenschluss des Sozialkaufhauses. Wir leben in Deutschland, Home of Heiligfeierabend und Sankt Wochenende. Nur um es mal festzuhalten: Selbst erschöpfte Flüchtlinge gehen nicht um fünf Uhr nachmittags in Bett, und selbst wenn, würden sie sich danach immer noch über ein Kopfkissen und ein weiches Federbett freuen.
7. Versuch: Erneuter Anruf beim Kirchenfunk des BR. Ich bekomme nicht den Redakteur an die Strippe, aber die Redaktionsassistentin weiß immerhin, dass die Reporter am Thema dranbleiben. Es wird also bestimmt wieder einen Bericht darüber geben, dass die Zustände im Flüchtlingslager nicht schön sind, vielleicht auch, dass es Bürgern schwer gemacht wird, den Menschen zu helfen. Schön, dass wir darüber geredet haben werden. Aber eigentlich ist helfen seliger denn quasseln.
Vermutlich besteht die Gefahr, jemand wie ich könnte Hausstaubmilben einschleppen, die bei einem der Flüchtlingskinder eine Allergie auslösen. Das geht gar nicht. Sie sich erkälten zu lassen, geht.
(Ein kleiner Teil des Irrsinns: Die Behandlungskosten trägt dann gewiss der Steuerzahler.)
Nachtrag 11.10.2014:
Gestern abend brachte Elke Puskeppeleit, die sich beim Gemeindeverein der Evangelischen Pauluskirche Kaufering um Asylbewerber kümmert und daher mit so etwas auskennt, Licht in die Sache. Es gebe tatsächlich Vorschriften, denen zufolge gebrauchte Bettdecken aus hygienischen Gründen nicht ausgegeben werden dürfen. Begründet wird das offenbar mit einem Masernausbruch, denen es mal in einer Gemeinschaftsunterkunft gab.
Mir geht das nicht in den Kopf.
Erstens: Keine Ahnung, wie oft ich schon in Hotels, Pensionen, Schlafwagen und Jugendherbergen geschlafen habe, jedenfalls beschränkten sich die hygienischen Vorsorgemaßnahmen stets auf frische Bettbezüge.
Zweitens: Bei Masern handelt es sich um eine Tröpfcheninfektion. Die Quelle, die belegt, dass sich solche Krankheiten auch über Bettzeug (das in diesem Fall sogar Monate oder Jahre in einem pulvertrockenen Schrank lag) verbreiten können, würde ich gerne mal sehen.
Drittens: Masern und andere ähnliche ansteckende Krankheiten sind meldepflichtig. Wenn denn wirklich eine Gefahr von Bettzeug ausginge, das die Infizierten benutzt haben, würde eine Behörde, deren Beamte fürs Denken bezahlt würden (ich spreche natürlich im Irrealis), dafür sorgen, dass dieses Bettzeug sofort desinfiziert wird und niemand es jahrelang auf dem Dachboden lagern kann.
Fazit: Des oanzige, wos wirkli zählt auf dera Welt (um es mit Hans-Jürgen Buchner aus Haindling zu sagen), is – nein, nicht wie bei Paula das Geld – sondern das Abschieben von Verantwortung und Haftbarkeit. Die Befindlichkeit einer Amtsperson, die fürchtet, in einem hypothetischen Fall für den Ausbruch einer Infektion gerade stehen zu müssen, hat Vorrang vor pragmatischer Hilfe für Menschen.