Im Wirtschaftsteil der Süddeutschen stand am Freitag (19. August) mal wieder ein fetter Fünfspalter aus der IT-Branche, dessen Informationsgehalt von seiner Oberflächlichkeit mühelos weit übertroffen wird. Man könnte auch sagen: Wozu mühsam Fakten ergründen, wenn man das Blatt mit schnoddrigen Vereinfachungen und archivloser Huschiwuschi-Recherche viel schneller vollkriegt? Es ging um Hewlett-Packard (HP).
„Der weltweit größte Computerhersteller verabschiedet sich vom Computer.“
Fakt ist: HP spaltet die Sparte, die PCs und Notebooks herstellt, ab. Computer sind aber auch die Server, die nicht ausgegliedert werden. Nicht einmal von den PCs verabschiedet sich HP im Moment. Dazu fehlt im Moment ein Käufer. Von einer Einstellung der Aktivitäten ist aber vorerst ebenfalls keine Rede. Korrekt wäre also allenfalls: „Der weltweit größte Computerhersteller würde sich gerne so schnell wie möglich vom PC verabschieden.“ Und zwar deshalb, weil er kein schlüssiges Marketingkonzept mehr dafür hat und auch keine Produkte mit USP. Doch was behauptet die SZ so pauschal wie absurd?
Notebooks werden immer besser und beliebter. Kommt das Aus für stationäre Rechner im Büro?
Reisende mit mobilen Computern hat die Security-Truppe des Münchner Flughafens „Franz Josef Strauß“ ganz besonders auf dem Kieker. Während auf anderen deutschen Flughäfen das Handgepäck einfach geröntgt wird, müssen Reisende mit Rechner in München in eine extra Schleuse, ihr Gerät auspacken und auf eine Waage legen. Entspricht das Gewicht des Laptops oder Notebooks nicht dem offiziellen Sollwert, darf die kleine graue Kiste nicht an Bord – es könnte Sprengstoff drin sein.
Doch die amtlichen Aufpasser verlieren beim Wiegen zusehends den Überblick. Fast täglich kommen neue Modelle von DIN-A4-großen Notebooks, kleineren Sub-Notebooks und winzigen Palmtops auf den Markt, immer öfter blättern die Kontrolleure vergeblich in ihrer Liste. Notgedrungen, doch mit sichtlich schlechtem Dienstgewissen, lassen sie in solchen Fällen den Fluggast durch – und notieren fürs nächste Mal Typ und Gewicht der Rechenmaschine.
Die Ausstattungsvielfalt der neuesten Geräte läßt sich bald nur noch mit Hilfe einer umfangreichen Datenbank übersehen: Aus einem wachsenden Sortiment von Basismodellen, Zusatzspeichern, Modems und Reserveakkus kann inzwischen jeder Käufer seinen individuellen Mobilcomputer zusammenstellen ebenso unverwechselbar wie sein Auto. Die Extras, die dank eines weltweiten Standards mit dem Bandwurmkürzel PCMCIA (Personal Computer Memory Card International Association) auf fast alle Fabrikate und Modelle passen, sind ein zentrales Thema auf der diesjährigen Cebit.
Mit enormer Dynamik preschen die Tragbaren aus ihrer Marktnische hervor und machen den stationären Personalcomputern immer stärkere Konkurrenz. „Wir haben 1993 bei Notebooks europaweit etwa 35 Prozent zugelegt“, freut sich Werner Sülzer, der als Geschäftsführer der Deutschen Olivetti GmbH in Frankfurt unter anderem die Ladenkette Escom mit leistungsfähigen Leichtgewichten beliefert. Der US-Hersteller Apple, der dieses Marktsegment erst sehr spät entdeckte, macht inzwischen Milliardenumsätze mit seinen Powerbooks; im November war die erste Million der nicht ganz billigen Geräte verkauft. Auch andere führende Hersteller wie IBM, Compaq, Toshiba oder Hewlett-Packard liefern einander ein packendes Wettrennen um das jeweils leichteste, leistungsstärkste und preiswerteste Modell.
Der kompakte Notebook-PC entwickelt sich dabei zur treibenden Kraft der ganzen Hardwarebranche. Die Halbleiterhersteller sehen sich gezwungen, Prozessoren zu entwickeln, die immer weniger Strom verbrauchen und den Akku weniger schnell leeren. Ausgerüstet mit einem intelligenten Energiemanagement reicht eine Akkuladung inzwischen schon für bis zu zehn Stunden Betriebszeit.
Ähnliches gilt für die Entwicklung flacher Bildschirme, deren bedeutendstes Marktsegment im Bereich mobiler Computer liegt. Auch die Speicherproduzenten wurden zu Höchstleistungen getrieben. So glänzt das 1,8 Kilogramm leichte Sub-Notebook des japanischen Herstellers Toshiba mit einer Festplatte, auf die 120 Megabyte passen, mehr als viele Personalcomputer in Büros zu bieten haben. Apples neueste Version, die nur 100 Gramm schwerer ist, trumpft mit stolzen 200 Megabyte auf. Den Rekord hält Toshiba mit einem halben Gigabyte – mit diesem Volumen mußte vor zehn Jahren noch so manches Firmenrechenzentrum auskommen.
Die Mikrofestplatte hat dabei lediglich einen Durchmesser von 6,3 Zentimetern, ist zwei Zentimeter dick und wiegt ganze 220 Gramm. Alte Argumente fUr den Einsatz stationärer Rechner fallen derweil reihenweise der technischen Weiterentwicklung zum Opfer: Notebooks sind zunehmend grafik- und netzwerkfähig, Funktionen, die bisher Personalcomputern vorbehalten waren.
Um sich angesichts des hohen Ausstattungsniveaus selbst billiger Notebooks noch von der Konkurrenz abzuheben, investieren viele Hersteller jetzt in die Wettbewerbsfaktoren Ergonomie, Komfort und Robustheit. Der japanische Hersteller NEC machte voriges Jahr den Anfang mit einem intelligenten Verschlußriegel, der bequem mit einer Hand geöffnet werden kann, so daß der Laptop zum Aufmachen nicht abgelegt werden muß. In den Labors von AT&T wirft der Forscher Suresh Goyal immer wieder mutwillig nagelneue Computer auf den Fußboden, um das ideale Material für stabile Notebookgehäuse zu finden. Toshiba setzt auf Lithium-Batterien mit extralanger Betriebsdauer und eine Verschlüsselungskarte, ohne die der Rechner sich totstellt. Apple schließlich erfand für seine Duo-Zwitter die Powerlatch-Technik, die das Notebook solange im Dock festklammert, bis alle Dateien gesichert sind.
Kein Wunder, daß die Nachfrage nach Notebooks immer mehr anschwillt. Der Besitz der tragbaren Geräte ist längst kein Luxus oder Statussymbol mehr: Nach Einschätzung von Hans-Jörg Bullinger, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts rur Arbeitswirtschaft und Organisation (lAO) in Stuttgart, ist „mobiles Computing eine der wichtigsten Herausforderungen für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in den späten neunziger Jahren“.
Schon heute müssen sich die Unternehmen überlegen, wie sie künftig die Flexibilität nutzen wollen, die ihnen die mobilen elektronischen Gehilfen erlauben. „Fundamentale Änderungen der Arbeitsgewohnheiten“ seien dringend geboten, fordert Professor Ludwig Nastansky von der Universität-Gesamthochschule Paderborn: „Die vorhandenen Infrastrukturen können die neue, preisgünstige Technologie noch gar nicht verkraften“, so der Wirtschaftsinformatiker vom Institut für Kommunikation, Organisation und Planung. Mit anderen Worten: Die Anschaffung von Notebooks für den Außendienst zwingt dazu, den Innendienst entsprechend zu modernisieren.
So sind es vorerst die jungen Unternehmen, die die Vorteile der mobilen Datenverarbeitung konsequent ausnutzen. Als die Hamburger Verlagsgruppe Hoffmann & Campe vor einem Jahr ein Redaktionssystem für ihre neue Zeitung „Die Woche“ anschaffen mußte, verzichtete sie weitestgehend auf stationäre Computer. Statt dessen benutzen die Mitarbeiter sogenannte Duo-Modelle von Apple: Diese Zwitter bestehen aus einem Notebook und einer sogenannten Docking Station, die das Gerät am Büroarbeitsplatz bei Bedarf mit einem großen Bildschirm, einer normalen Tastatur, dem Stromnetz und dem redaktionellen Datennetz koppelt.
Dieser Hybridlösung, die in ähnlicher Form auch von Herstellern wie Zenith Data, Toshiba und Compaq propagiert wird, gehört die Zukunft. Denn damit sparen sich die Redakteure der „Woche“ die umständliche und zeitraubende doppelte Datenhaltung – das größte Ärgernis all jener, die im Büro einen stationären Computer und unterwegs ein Notebook benutzen.
Nur die Münchner Flughafenwache ist noch nicht auf den Dreh gekommen. Statt mühsam lange Listen zu führen, könnte sie die Gewichtsdaten sämtlicher Notebook-Komponenten elektronisch abspeichern. Am besten auf einem Notebook.
Ulf J. Froitzheim
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