Traditionell gestaltete Gebäude sind nicht mehr gefragt. Neue Konzepte mit üppigen Gemeinschaftsräumen fördern die Kommunikation und sparen dennoch Platz.
Wir kennen es alle: langer Korridor in der Mitte, links und rechts Einzel- oder Doppelzimmer. „Die Büros von heute sind meist von gestern“, so der Münchner Architekt Wolfram Fuchs, „hierarchisch, unbeweglich, unwirtschaftlich.“ Der Teilhaber der Congena Gesellschaft für Planung, Training und Organisation GmbH in München trifft meist auf überforderte Makler, wenn er für Klienten maßgeschneiderte Büroräume anmieten will. Nicht vertraut mit innovativen Ideen – etwa dem skandinavischen Kombibüro, bei dem großzügige Gemeinschaftsflächen von kleinen, raumhoch verglasten Einzelzellen umgeben sind – böten die Vermittler „teilweise wahllos“ ungeeignete Objekte an. Hätten sie endlich kapiert, was gewünscht wird, müßten sie mangels Masse meist passen.
Dieter Lorenz, Professor für Arbeitswissenschaft und Betriebslehre an der Fachhochschule Gießen, findet die gängigen Bürozellengebäude schlicht kommunikationsfeindlich. Sie böten „kaum eine Chance, neue Konzepte zu realisieren“.
Immer mehr Unternehmen sehen das offenbar ähnlich. Bauen sie neu, versuchen sie, ihre Gebäude als Katalysatoren für den betriebsinternen Gedankenaustausch zu gestalten. Seit die Kommunikationswissenschaft festgestellt hat, daß einem die besten Einfälle kaum im stillen Kämmerlein kommen, sondern eher beim Dialog mit anderen, gilt der Plausch unter Kollegen nicht mehr als vertane Arbeitszeit. Im Gegenteil, er wird sogar gefördert – durch einladende Sitzgruppen oder Espressobars. „Kommunikation“, definiert der Münchner Architekt Gunter Henn das neue Zauberwort der Baumeister, „ist der Austausch von Informationen, von denen man vorher nicht wußte, daß es sie gibt.“
Um dieses Potential zu erschließen, inszenierte Henn schon 1990 im Forschungs- und Ingenieurzentrum der BMW AG einen „geistigen Materialfluß“: Die an der Autoentwicklung beteiligten Arbeitsgruppen wurden so über das Gebäude verteilt, daß gerade diejenigen sich besonders oft über den Weg laufen, die sonst zu wenig miteinander reden. Wo er den Hebel ansetzen muß, ermittelt Henn anhand von Kommunikationszählungen, die per Computer visualisiert werden. Das Exempel BMW macht Schule: Inzwischen läuft eine Kommunikationszählung bei der Volkswagen AG in Wolfsburg.
Während die Unternehmen bereits umdenken, betonieren Deutschlands Baulöwen unbeirrt am Bedarf vorbei – ein Phänomen, das der Praktiker Fuchs auf Betriebsblindheit zurückführt: „Jahrzehntelang konnten die bauen, was sie wollten, die Makler brauchten nur das knappe Angebot zu verteilen.“ So manche der phantasielos hochgezogenen Büroburgen wird daher wohl bald zur Investitionsruine werden, denn auch als Mieter werden die Unternehmen wählerischer. Immer öfter stellen sie Ansprüche, die ein Objekt nach Baumuster 08/15 nicht erfüllen kann. Als das Freiburger Medizintechnikunternehmen PPG Hellige vor drei Jahren seinen Plan umsetzen wollte, zehn Geschäftsstellen als Kombibüros einzurichten, bekamen die Vermieter den Zuschlag, die bereit waren, ihre Baupläne zu ändern oder bereits bestehende Räume entsprechend umzubauen. Solche Arbeiten können die Mieteinnahmen von mehreren Jahren verschlingen: Experten veranschlagen für neue Zwischenwände und Installationen bis zu 1000 Mark pro Quadratmeter.
Die wohl gefährlichste Entwicklung für Immobilieninvestoren liegt allerdings darin, daß viele Finanzvorstände sündhaft teure Innenstadtquadratmeter nicht mehr hinnehmen wollen. Als besonders unproduktive Flächen haben die Kostenrechner die endlosen Flure konventioneller Bürohäuser entlarvt, auf denen aus Brandschutzgründen nicht einmal ein Fotokopierer stehen darf. Auch die geringe zeitliche Nutzung der Schreibstuben ist den Sparkommissaren ein Dorn im Auge – übers Jahr gerechnet, ist der Bürostuhl selbst bei reinen Innendienstjobs zu mehr als 80 Prozent der Zeit unbesetzt. Damit steigt zwangsläufig das Interesse an Alternativen: Fast alle neuen Raumnutzungskonzepte haben einen geringeren Platzbedarf als die konventionelle Lösung.
Flächenökonomie war auch die Triebfeder für den Umbau eines Gebäudes, das zuvor an IBM vermietet war. Derzeit wird es von Josef Schörghubers KG Bayerische Hausbau GmbH & Co. in München mit einem neuen Innenleben versehen, weil der neue Mieter die vorhandene Struktur mit Mittelkorridoren und Zellenbüros nicht akzeptierte. Er wünschte Kombibüros, bei denen großzügige Gemeinschaftsflächen von kleinen, verglasten Einzelabteilen umgeben sind, in die sich zurückziehen kann, wer konzentriert arbeiten muß. Bei der ursprünglichen Raumaufteilung hätte der neue Mieter pro Arbeitsplatz 24,1 Bruttoquadratmeter verbraucht. Nach dem Umbau genügen 19,2 Quadratmeter pro Kopf.
Nicht nur die Kaufleute freuen sich, auch die Belegschaft profitiert. Trotz der dichteren Belegung erhalten zwei von drei Beschäftigten ein Einzelbüro – ein größerer Anteil als früher.
Der besondere Reiz des verglasten Kombiabteils besteht in seiner Transparenz zur zentralen Gemeinschaftsfläche hin. Selbst wenn die Tür zu ist – was nach Aussagen von Kombibüro-Insassen nur selten vorkommt – , ist niemand isoliert. Außerdem dringt durch die Scheiben angenehmes Tageslicht in den Innenbereich. Womit dieser Zwischenraum gefüllt wird, bleibt der Phantasie des Managements überlassen, sofern es nur Kollegen zusammenführt: mit gemütlichen Sitzgruppen, Handbibliotheken, Konferenztischen, Bistros oder Poststationen mit Fax und Drucker. Manche Mitarbeiter schätzen den großen Durchblick jedoch nicht. „Die haben Angst, ständig überwacht zu werden“, weiß Fuchs.
Doch der Wandel der Bürolandschaft ist nicht aufzuhalten. Während das in Skandinavien schon seit vielen Jahren bekannte Kombibüro in Deutschland erst jetzt allmählich angenommen wird, sind die Schweden schon wieder einen Schritt weiter: Im Stockholmer Distrikt Sundbyberg testen die Elektronikfirmen Ericsson Radio Systems und Digital Equipment ein sogenanntes Lean Office, bei dem die Mitarbeiter keinen eigenen Schreibtisch mehr haben, sondern nur noch einen persönlichen Container. Wie im Hotel wird bei Bedarf ein Raum gebucht. Das reduziert den Flächenbedarf von Abteilungen, deren Mitarbeiter viel unterwegs sind, glatt um die Hälfte.
Ulf J. Froitzheim
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