Schneller surfen. Während der Auftragsstau der Telekom bei den T-DSL-Internet-Anschlüssen schmilzt, rüsten sich Rivalen für den Wettbewerb.
Die Kohl-Methode funktioniert: Ron Sommer hat sein Internet-Problem einfach ausgesessen. Als der Telekom-Chef 1999 die Zukunft seines Unternehmens als Online-Anbieter auf die neue ADSL-Technik (Asymmetric Digital Subscriber Line) verwettete, kämpfte er noch mit dem Rücken zur Wand. Schnellere, preiswertere Anschlüsse drohten die Vielsurfer vom rosa Riesen wegzulocken: Internet aus der Stromsteckdose, aus dem Fernsehkabel, aus der Luft – selbstverständlich zum Pauschaltarif. Die Erfahrungen der ersten ADSL-Nutzer waren wenig ermutigend: Kinderkrankheiten des Systems, das Daten mit zwölffacher ISDN-Geschwindigkeit durch normale Telefonleitungen presst, und überforderte Service-Hotlines provozierten Hohn und Spott. Als die Telekom die Technik endlich im Griff hatte, unterschätzte sie massiv die Nachfrage und musste hunderttausende von Interessenten stets aufs Neue vertrösten.
Mittlerweile ist die Kritik leise geworden. Nur einzelne Strom- und TV-Kabelnetze transportieren Daten, die Möchtegern-Betreiber Funk-gestützter Ortsnetze sind fast alle pleite, der Web-Zugang per Satellit ist Zukunftsthema geblieben. Allein ADSL – besser bekannt unter der Telekom-Hausmarke T-DSL – floriert. Die erste Million Aufträge hatte die Telekom im Sommer abgearbeitet, etwa 200.000 Kunden stehen noch auf der Warteliste.
Das Quasi-Monopol der Telekom beim Breitband-Internet beginnt allerdings zu wackeln. Mit juristischen Winkelzügen war es Sommer und seinem Netz-Vorstand Gerd Tenzer lange gelungen, die Innovation nahezu exklusiv anzubieten. Inzwischen ist die Rechtslage geklärt. In Zukunft müssen Internet- Provider, die einem Kunden ADSL liefern wollen, dafür weder einen kompletten, teuren Telefonanschluss bei der Telekom mieten noch als Wiederverkäufer von T-DSL auftreten. Beim so genannten Line-Sharing dürfen sie gegen niedrigere Gebühren mit eigener Technik Daten über die vorhandene Leitung des Kunden übertragen.
Schon heute ist längst nicht überall, wo T-DSL draufsteht, der Telekom-eigene Online-Dienst drin. Mangels besserer Alternativen nutzen sogar die erbitterten T-Online-Rivalen AOL und Tiscali bislang die Infrastruktur des Marktführers (siehe Tabelle Seite 148). Die Grundgebühr für Telefon und schnellen Datentransfer zahlt der Kunde an die Telekom. Sie stellt das ADSL-Modem und den so genannten Splitter bereit, der die Telefongespräche von den auf demselben Draht übertragenen Computerdaten trennt. Nur die eigentliche Online-Pauschale kassieren AOL und Co.
Diese unfreiwillige Kooperation der Firmen hilft schon jetzt, beim schnellen Internet-Zugang zu sparen. Wer nie mehr als 100 Stunden im Monat online ist, kann bei 1 & 1 eine abgespeckte Flatrate abonnieren. Der Internet-Zugang mit 768 Kilobit pro Sekunde kostet mitsamt der Grundgebühr fürs ISDN-Telefon (Telekom) 95 Mark – 19 Mark gespart gegenüber der T-Online-Flatrate ohne Zeitbegrenzung. Wer aber „always on“ sein will, zahlt damit 300 Mark zu viel. Wohl überlegt sollte auch die Entscheidung für einen Tarif mit limitierter Datenmenge sein. Trotz kleiner Grundgebühr kann der Shareware- oder Musik-Download teuer werden: Bei sieben Pfennig Zuschlag je Megabyte kostet eine Online-Minute bis zu 40 Pfennig. Zum Vergleich: 1&1 berechnet für jede Zusatzminute 0,9 Pfennig. Wer nur gelegentlich online geht und dennoch nicht auf Speed verzichten will, kann dagegen T-DSL mit einem ausschließlich nach Minuten abgerechneten Tarif verbinden.
Das Marketing der Online-Branche zielt allerdings auf die Power-Surfer ab, für die eine risikolose Flatrate das Wichtigste ist. In vielen Städten buhlen Konzerne wie Arcor und Mobilcom sowie City-Carrier (meist Töchter von Stadtwerken) um die Gunst der Web-Freaks. So lässt der Hamburger Lokalmatador Hansenet mit einem Zwei-Megabit- Anschluss zum 768-Kilobit-Preis die Telekom alt aussehen.
Selbst die Kundschaft im ländlichen Raum, für die ADSL aus technischen Gründen heute nicht in Frage kommt – die Übertragungsrate nimmt mit der Entfernung von der Vermittlungsstelle ab – kann hoffen, bald versorgt zu werden. So kursieren im Internet Gerüchte über geheime Tests der Telekom mit DSL-Light, einer Variante mit nur 256 Kilobit, aber deutlich größerem Radius. Damit wäre ein fast flächendeckendes High-Speed-Web möglich: Für die meisten Online-Anwendungen reicht die vierfache ISDN-Geschwindigkeit völlig aus.
Sollte daraus nichts werden, haben Landbewohner immer noch eine Chance: Die Mobilcom-Tochter Freenet und der italienische Provider Tiscali haben angekündigt, deutsche Surfer per Satellit ans WWW anzubinden. Auch die Telekom beschäftigt sich mit dem Thema. Eine billige Lösung wird dies jedoch kaum: Die Empfangsausrüstung soll bis zu 2000 Mark kosten.
Erschienen in BIZZ 10/2001.
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