Die Rache der Kundenkarte

Punktesammeln wird immer komplizierter. Höchste Zeit für eine Anti-Rabattfallen-App!

Es lässt sich nicht leugnen, wie sehr der technische Fortschritt seit meiner prädigitalen Jugend unser aller Leben verbessert hat. Die Prilblumenära hatte aber auch ihren Reiz. Nach Schulschluss zog es mich in ein kleines Kaufhaus. An der Stirnseite eines Regals waren Taschenrechner montiert, an denen wir Jungs unbehelligt herumspielen konnten: 2451,105 x 3 = (Moment, Gerät umdrehen!) SIE‘ESEL. Für ein Modell mit Wurzel und Speicher langte das Taschengeld nicht.

 

Zum Glück gab es im Supermarkt noch Rabattmarken, die analogen Urahnen heutiger Kundenbindungsprogramme. Ich hatte einen Deal mit meiner Oma: Ging ich für sie einkaufen, durfte ich die Marken behalten. Nach 50 Mark Umsatz war die Sammelkarte voll; die Kassiererin gab mir einsfuffzich in bar. So finanzierte ich meine frühen Hightech-Investments. „Die Rache der Kundenkarte“ weiterlesen

In Memoriam Dieter Eckbauer

Ecki1996Habe ich ihm je gesagt, wieviel ich von ihm hielt? Nein, natürlich nicht. Einem Dieter Eckbauer seine Wertschätzung zu zeigen, war allenfalls indirekt möglich, sei es durch die Art mit ihm zu reden, sei es indem man Dritten gegenüber durchblicken ließ, dass man seine Meinung teilte oder von ihm einiges gelernt hatte (was diese Dritten ihm dann vielleicht steckten). Ihm im direkten Gespräch platterdings Recht zu geben, hätte bedeutet, sich selbst zum Jasager zu degradieren, der sich anbiedern will und in Wahrheit nichts verstanden hat. Wer den Respekt des Meisters wollte, musste ihm geradezu widersprechen – was nicht ganz einfach war, wenn man mit ihm kompatibel war. Wer mit ihm nicht kompatibel war, hatte es allerdings noch viel schwerer mit ihm. Aber er war auch nie ein Mensch, der es anderen leicht machen wollte.

Lob über Bande, Anerkennung auf Umwegen: So war Dieter Eckbauer, mein Chef von 1984 bis 1989. War er nicht zufrieden, konnte er es direkt sagen, auch brutal direkt. Fand er meine Arbeit gut, erfuhr ich das bestenfalls von anderen. Eher merkte ich es daran, dass er mir Freiräume und Freiheiten gab, mich an längerer Leine führte, bestimmte Aufgaben mir anvertraute. Die Dosis an Motivationspillen, die man bei ihm ergattern konnte, reichte nie, um davon übermütig zu werden. Von daher hätte er, der Wiener Berliner oder Berliner Wiener mit Wohnsitz München, eigentlich Schwabe sein müssen: Nicht geschimpft ist im Ländle bekanntlich genug gelobt. Das maximale Kompliment entfuhr ihm in den frühen Neunzigern, als ich längst als Freiberufler tätig war. Eckbauer echauffierte sich furchtbar vor Kollegen über mich, weil ich es gewagt hatte, für das Konkurrenzblatt Computerzeitung zu schreiben, deren Chefredaktion ein anderer Ex-CW-Redakteur übernommen hatte, Gerhard Schmid. Exklusivität erwartete Eckbauer nur von Autoren, die ihm nicht egal waren. Auch Schmids Wechsel zur CZ – einem bis dahin unbedeutenden Blatt, dessen Verleger ausgerechnet Eckbauers früheren Vize Manfred Hasenbeck als Berater engagiert hatte – empfand er als Affront.

Heute kann und will ich Dieter Eckbauer loben. Das ist fair, weil er es verdient hat, und zugleich unfair, denn er kann sich nicht mehr dagegen wehren. „In Memoriam Dieter Eckbauer“ weiterlesen

Schlüssel fürs Postfach

Niemand würde Geschäftsgeheimnisse auf Postkarten schreiben. Im Email-Verkehr geschieht genau das. Damit kein Unbefugter in Ihren Nachrichten schnüffeln kann, müssen Sie sie verschlüsseln. Wie das geht, hängt davon ab, welche Software Ihre Adressaten nutzen. Passend zum Programm brauchen Sie dann noch Sicherheitsschlüssel. Eine Anleitung – geschrieben fürs Unternehmermagazin impulse.

Ist es möglich, E-Mails so sicher zu versenden, dass sie kein Unbefugter lesen kann? Natürlich nicht. Wenn es Profis mit viel Zeit und Geld darauf anlegen, knacken sie früher oder später jede Verschlüsselung. Dies ist aber prohibitiv teuer und kann Jahre dauern. Wenn Sie nicht im dringenden Verdacht stehen, die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten zu gefährden, und chinesische Hacker in Ihren Betriebsgeheimnissen nicht den Schlüssel zu einem Millardenmarkt vermuten, wird niemand Ihretwegen diesen Aufwand treiben.

Gegen die realen Gefahren, die in Ihrem Geschäftsalltag auftreten, können Sie sich mit den Standard-Werkzeugen tatsächlich sehr gut schützen. Die Verschlüsselung von E-Mails ist nicht mehr so schwierig, dass es noch eine Ausrede dafür gäbe, vertrauliche Informationen – etwa Konstruktionsdetails, Verkaufszahlen oder Angebote bei Ausschreibungen – offen zu versenden. Fangen Sie bei Ihren Außendienstlern und Heimarbeitern an, sammeln Sie Erfahrung. Und dann sprechen Sie mit Ihren Lieferanten und Kunden, der gemeinsame (technische) Nenner liegt oft ganz nah.  „Schlüssel fürs Postfach“ weiterlesen

Neoarchäologie mit Google Street View

Schön, wenn einen die Kollegen nach Jahren bestätigen. 2007 schrieb ich in der Technology Review:

Das alte Bild der Erde

IRGENDWIE BERUHIGEND: GOOGLE EARTH & CO. ZEIGEN NIE DIE WAHRE LAGE IM HIER UND JETZT.

2010 habe ich nachgelegt und mit dem Teenager Google geschimpft:

Street View ist für dich nur ein Kinderspiel, das dir wahrscheinlich rasch wieder langweilig wird. So wie dein angestaubtes Fotoalbum Google Earth: Da sehe ich von oben ganz genau, wessen Vormieter sein Gerümpel im Garten hat liegen lassen – vor acht Jahren.

Die Süddeutsche Zeitung (Print, 11.9.2013, München, Thema des Tages) hat mal wieder nachgeschaut und herausgefunden, was man sich denken konnte – schließlich wurde schon lange kein Streetview-Auto mehr in München gesichtet:

„Wie Google Street View veraltet:

Heute ist immer gestern

Die Schwabinger 7 steht noch, der Arnulfpark wächst erst heran, und das Oktoberfest hört niemals auf: Im Internet wird ein Bild von München konserviert, das fünf Jahre alt ist. Denn der Internetkonzern Google will seine Straßenansichten nicht aktualisieren. Das lässt einen Überraschendes entdecken – ein virtueller Spaziergang“

Sieh an, der Kollege hat tatsächlich eine Antwort auf die Frage bekommen, ob Google gedenkt, die Bilder mal irgendwann zu aktualisieren: Nein, das ist also nicht geplant. So dynamisch die Welt ist, so statisch ist der Welterklärer. Google entwickelt sich zum virtuellen Museum für neuzeitliche Archäologie.

Die Einfädler

einfaedlerWenn Unternehmen rasch wachsen, brauchen sie oft viel IT-Unterstützung. Die Folge: Bei den Informatikern droht ein Projektstau. Bentley hat das Problem beseitigt. Hier entscheiden jetzt Fachabteilungen und IT-Experten gemeinsam, was wann durchs Nadelöhr geschoben wird.

Bentley Motors steuert auf Erfolgskurs. 2012 verkaufte die britische Luxusmarke 22 Prozent mehr Limousinen, Coupés und Cabriolets als 2011 – insgesamt 8510 Fahrzeuge. Als Volltreffer bei den Kunden in den wichtigsten Wachstumsmärkten USA und China erwies sich die offene Ausführung des Continental GT. Fast jeder dritte Käufer entschied sich 2012 für die Neuauflage des Convertible, die in der stärksten Ausführung „Speed“ mit 12-Zylinder-Twinturbo 625 PS auf die Straße bringt. Weil die Top-Versionen besonders gut ankamen, legte der Umsatz sogar um fast 30 Prozent zu.

Sportliches Wachstum bleibt auch für die kommenden Jahre angesagt in Crewe, dem Städtchen im Dreieck zwischen Manchester, Liverpool und Birmingham, in dem die Lieblingskarossen der Familie Windsor seit 1946 gefertigt werden. Dabei will das Management keine Kompromisse machen. Regelmäßig misst die Volkswagen-Tochter nicht nur die Zufriedenheit ihrer Kunden, sondern auch die ihrer Belegschaft. So wurde Bentley unlängst als einer von Britain’s Top Employers ausgezeichnet, also als vorbildlicher Arbeitgeber, bei dem das Betriebsklima stimmt.

Das sensible Nervensystem

Damit die unternehmerische Strategie aufgeht, muss Bentley aber nicht nur luxuriöse Limousinen, Sportcoupés, Cabrios und vielleicht schon bald SUVs bauen, die den Geschmack der Zielgruppe in so unterschiedlichen Märkten wie China, Russland, den USA und den Öl-Emiraten treffen. Zu ihrer Umsetzung bedarf es auch jeder Menge Software. „Die IT ist nun einmal das Nervensystem des Unternehmens“, sagt Dr. Roy Sauer, Chief Information Officer (CIO) des Headquarters, „sie schafft die technischen Voraussetzungen für die wertschöpfenden Geschäftsprozesse.“ Entgegen den Versprechungen mancher Anbieter kann man die benötigten Applikationen aber nur sehr selten gebrauchsfertig von der Stange kaufen. Für die meisten Aufgaben bedeutet dies, dass die Applikationen für den größtmöglichen Nutzen in den Geschäftsprozessen anzupassen sind.

Je dynamischer sich ein Unternehmen entwickelt, desto größer ist der Bedarf an solchen maßgeschneiderten lösungen. Dann können sich die IT-Experten kaum retten vor Anforderungen, die aus subjektiver Sicht der jeweiligen Fachabteilungen alle sehr wichtig und natürlich auch sehr dringend sind. Darunter sind oft große Vorhaben, die aus Kapazitätsgründen mehrfach aufgeschoben werden mussten, und kleine mit großem Effekt, die schnell erledigt wären, wenn der zuständige Entwickler nur gerade nicht in ein größeres Projekt eingebunden wäre. Es gibt „Must do“-Projekte, wenn beispielsweise eine Gesetzesänderung umzusetzen ist, und „Can do“-Projekte, die etwa einen unrund laufenden Geschäftsprozess glätten. Was in der Praxis jedoch oft fehlt, ist ein verbindlicher, klar geregelter Entscheidungsprozess, der sicherstellt, dass nicht versehentlich die Wünsche einer einzelnen Abteilung über das Wohl des gesamten Unternehmens gestellt werden.

Fokus auf den Geschäftsprozess

Mit dieser Herausforderung kämpfte auch Bentley – und suchte Rat bei Porsche Consulting: Wie muss ein Prozess aussehen, mit dem sich die Weiterentwicklung der IT-Systeme optimal planen lässt? Und was bedeutet das für die Beschäftigten und die Art, wie sie arbeiten? „Vor dem Start des Projekts waren sowohl die Fachbereiche als auch die IT-Experten nicht wirklich glücklich“, erinnert sich Roy Sauer, promovierter Maschinenbauingenieur und Qualitätsexperte, an den Beginn seiner Tätigkeit in Crewe. Dies sei bei einer Befragung der IT-Experten und ihrer wichtigen internen „Kunden“ bezüglich der Rolle der IT-Abteilung deutlich geworden: „Die einen erwarteten von ihr vor allem technische Vorgaben, andere eher eine vorausschauende Unterstützung bei der Definition von Geschäftsprozessen.“ Die IT-Experten wiederum fragten sich, wo auf der Skala zwischen Auftragsprogrammierung und Betriebswirtschaft denn nun ihr Platz sein sollte. Zudem wechselten die Prioritäten häufig. „Manchmal wurden Projekte mittendrin gestoppt, weil sich herausstellte, dass sie doch nicht so wichtig oder dringend waren“, erzählt Sauer, „so etwas ist natürlich für alle beteiligten unerfreulich.“

Das Fazit der Bestandsaufnahme wies deutliche Potenziale für das 4000-Mitarbeiter-Unternehmen auf: Die IT-Organisation arbeitete pragmatisch, aber insgesamt zu techniklastig und noch nicht systematisch und proaktiv genug. Sie war vor allem darauf fokussiert, den laufenden IT-Betrieb sicherzustellen. Die Mitarbeiter scheuten sich, auch einmal nein zu sagen, wenn eine Fachabteilung etwas auf den Wunschzettel schrieb, das den Entwicklungsaufwand bei nüchterner Betrachtung nicht wert war.

Die Porsche-Berater um Geschäftsbereichsleiter Kashif Ansari und Projektmanager Dr. Stephen Hellhammer entwickelten deshalb gemeinsam mit Sauers Team und dessen Bentley-internen Kunden einen IT-Governance-Prozess: eine strukturierte, systematische und vor allem langfristig ausgerichtete Vorgehensweise für die Aufteilung der begrenzten Personalkapazitäten auf große und kleinere IT-Projekte. „Das Ziel war explizit, die Effektivität der bestehenden IT-Mannschaft zu steigern – und dabei strikt zu beachten, dass die Mitarbeiterzufriedenheit zu den strategischen Unternehmenszielen zählt“, sagt Ansari. Zunächst wurden die Leitlinien für die neue IT-Organisation definiert. Nach Anpassung des erprobten Prozessmodells an die IT-Landschaft von Bentley wurden die Aufgaben neu verteilt. Die neue Organisationsstruktur ist flacher, eine von bisher drei Hierarchiestufen entfällt. nun gibt es Teams mit bis zu zwölf Mitgliedern, deren Leiter unmittelbar an CIO Sauer berichten.

Nur für ein Viertel der IT-Mitarbeiter änderte sich bei dem Umbau nichts: Sie arbeiten immer noch im selben Team für denselben Chef an den gleichen Themen. Alle anderen haben entweder einen neuen Vorgesetzten bekommen, gehören zu einer anderen Arbeitsgruppe oder beides. 15 Prozent der Mitarbeiter machen auch inhaltlich einen anderen Job als früher. Die Umstrukturierung zeigt bereits spürbare Verbesserungen für die Mitarbeiter: „Die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen hat sich deutlich verbessert“, so Sauer.

Vordrängeln war gestern

Die andere große Neuerung ist die Einführung eines „IT-Boards“. An diesem Runden Tisch legen die Führungskräfte von IT- und „Kunden“-Seite in regelmäßigen Meetings gemeinschaftlich fest, mit welcher Priorität die anstehenden oder beantragten Projekte abgearbeitet werden. Damit niemand übergangen wird, sind alle Fachbereiche in den Entscheidungsprozess eingebunden. Um das Prozedere so objektiv wie möglich zu gestalten, muss jeder Manager nach einem festgelegten Kriterienkatalog schriftlich begründen, wie sein Projekt dem Unternehmen nützen würde. Die endgültige Rangfolge der Projekte richtet sich nach einem Punktsystem. Den höchsten Stellenwert haben „Must do“-Projekte, die neue Gesetze oder strategische Vorstandsbeschlüsse umsetzen. Bei „Can do“-Projekten richtet sich das Ranking primär nach dem Business Case, sprich: nach dem zu erwartenden Beitrag zu den strategischen Firmenzielen. Damit ist sichergestellt, dass beim Verteilungskampf um die IT-Ressourcen nicht mehr der das größte Kuchenstück abbekommt, der die lauteste Stimme hat. Auch das traditionelle Fifo-Schema („first in, first out“), bei dem es allein nach der Reihenfolge der Anmeldung ging, gehört damit der Geschichte an.

Das vom IT-board praktizierte System, die sogenannte rollierende Portfolioplanung, ist dabei so flexibel, dass auch Freiräume, die sich unverhofft auftun, für kleinere Vorhaben genutzt werden können: Die Punktwerte gelten nicht für die Ewigkeit, das Board kann jederzeit auf veränderte Bedingungen reagieren. Da im Zuge der Festlegung der Prioritätenfolge auch ermittelt wird, wie viele Personentage und welche besonderen Fertigkeiten zu veranschlagen sind, sinkt zugleich das Risiko von Projektabbrüchen auf ein Minimum.

Nach einem Probelauf mit dem Ressort Sales & Marketing als Pilotkunde ist Roy Sauer zufrieden. Nicht zuletzt fördere die kollegiale Zusammenarbeit am Runden Tisch das Verständnis bei den Bereichsleitern dafür, wie die IT-Experten arbeiten, was sie leisten können und was nicht: „Jetzt wächst das Verständnis dafür, dass unsere Ressourcen endlich sind“, sagt der Bentley-IT-Chef. In einer Zeit, in der man sich scheinbar für alles eine billige App aus dem Internet herunterladen kann, vergessen manche Menschen diese Tatsache allzu leicht.

Erschienen in „Porsche Consulting – Das Magazin“, Ausgabe 13 (Oktober 2013)