Punktesammeln wird immer komplizierter. Höchste Zeit für eine Anti-Rabattfallen-App!
Es lässt sich nicht leugnen, wie sehr der technische Fortschritt seit meiner prädigitalen Jugend unser aller Leben verbessert hat. Die Prilblumenära hatte aber auch ihren Reiz. Nach Schulschluss zog es mich in ein kleines Kaufhaus. An der Stirnseite eines Regals waren Taschenrechner montiert, an denen wir Jungs unbehelligt herumspielen konnten: 2451,105 x 3 = (Moment, Gerät umdrehen!) SIE‘ESEL. Für ein Modell mit Wurzel und Speicher langte das Taschengeld nicht.
Zum Glück gab es im Supermarkt noch Rabattmarken, die analogen Urahnen heutiger Kundenbindungsprogramme. Ich hatte einen Deal mit meiner Oma: Ging ich für sie einkaufen, durfte ich die Marken behalten. Nach 50 Mark Umsatz war die Sammelkarte voll; die Kassiererin gab mir einsfuffzich in bar. So finanzierte ich meine frühen Hightech-Investments.
Heute bersten unsere Geldbeutel von Kundenkarten. Einen Taschenrechner braucht man vor allem, um aus all den Boni schlau zu werden. Er sollte mehrere komplexe Formeln speichern können. Beispiel Rewe: Die Marketiers der Supermarktkette haben erkannt, dass die Stammkundschaft kaum noch auf Fußballsammelkärtchen abfährt und langsam auch nicht mehr weiß, wohin mit all den vergünstigten Pfannen, Messern und Tellern. Da Edekas „Deutschland-Card“ kaum das Prädikat „supergeil“ verdient, dachten sich die Rewe-Strategen: „Das können wir besser!“ Und knöpften sich das „Payback“-System vor, auf deutsch „Heimzahlen“ oder „Rache“. Wie üblich je Euro einen Punkt zu vergeben, war ihnen freilich zu simpel. Das musste auch verwirrender gehen.
Der Versuch ist geglückt. Um richtig spendabel zu wirken, winkt Rewe mit Zigfachpunkten – leider nicht auf alles außer Tiernahrung. Der Bonus hängt davon ab, was man kauft. So gab‘s zum Start 40-fach Punkte auf Tütensuppen, 25-fach Punkte auf rote Bullenlimo und 10-fach Punkte auf alle drölfzig Jogurtsorten. Wer sich mit Warenwirtschaft auch nur am Rande auskennt, ahnt, was die IT-Abteilung leisten musste. Macht aber nichts. Die Projektkosten kann man ja bei den Rabatten wieder abzwacken. Daher zahlen Rewes Centfuchser uns erst ab Zwokommanullnull Euro ein Pünktchen heim. Aufrunden ist nicht.
Welch genialer Trick! Haben Sie schon mal versucht, irgendetwas Abgepacktes für glatte Eurobeträge zu kaufen? Eben. Ein Fünferpack Buchstabensuppe kostet keine vier Euro, sondern selbstverständlich nur 3,99 Euro: 2,00 fürs Paybacktöpfchen, 1,99 fürs Kröpfchen. So landet auf dem Bon ein einsamer Treuepunkt, was einem mikroskopischen Rabatt von knapp über 2,5 Promille entspricht. Lockt uns ein reweroter 40-fach-Punkte-Platschari zum obigen Suppenshopping, sind es stolze 10,025 Prozent. 40 ist die neue 10.
Will ich die komplette Heimzahlung abgreifen, darf ich freilich keine zwei oder drei Fünferpacks kaufen, sondern muss 200 Stück davon bunkern – für schlappe 798 Euro, also das niedrigste Vielfache des Kaufpreises, das sich ohne Rest durch 2 teilen lässt. Falls ich denn vor den gesundheitlichen Folgen einer solchen Ernährung keine Angst und die Filiale überhaupt genug Vorrat hätte. Ich höre schon die Kassenkraft rufen: „Frau Niedermayr? Der Herr möchte 1000 Tüten Suppe kaufen. Ist das noch eine haushaltsübliche Menge?“
Ich fürchte aber, dass sich die Payback-Einführung irgendwann rächt. Nicht, weil zwischen den Regalen bald ständig Kunden umherirren, deren Rabattfallenwarner-App im Daueralarm piept. Auch nicht, weil hinter den Karten American Express steckt und somit die NSA sehen kann, wes‘ Brot und Nudelsuppe wir essen. Sondern weil die superklugen Informatiker vergessen haben, wie man sich die Stammkunden von morgen heranzieht. Welcher halbwegs normale Teenager schleppt seiner Oma schon für lausige einsfuffzich sechsmal so viel Ware nach Hause wie einst sein Papa in der guten alten Drei-Prozent-Zeit, wenn am Ende nicht mal Bargeld lacht, sondern nur ein Einkaufsgutschein?
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