Wie arbeiten eigentlich Anzeigenblatt-Redaktionen?

Als ich vor langer Zeit meinen Beruf erlernte, gab es ein schönes Wort für die lästige Pflicht der bürgernahen Berichterstattung über die kleinen, unspektakulären Ereignisse aus der Lebenswelt der Bürger: Leser-Blatt-Bindung. Die Abonnenten liebten ihre Zeitung auch deshalb, weil sie darin Menschen fanden, die sie kannten – und dann und wann sich selbst. Als Lokaljournalist klapperte man die Termine der Vereine oder Kirchenchöre ab, knipste ein Bild und schrieb ein paar Zeilen für ein lausiges Honorar. Dann erfanden die Verleger das kostenlose Anzeigenblatt – und damit überhaupt jemand die Werbezeitungen durchblätterte, verfrachteten sie die kleinen Fotos und Meldungen zwischen deren Inserate. Da aber die Zeitungsverleger seit der Erfindung des Internets zu bettelarmen Menschen geworden sind, die sich keine Dienstboten mehr leisten können, schickten sie eines Tages keine Reporter mehr vorbei, sondern boten den Vereinen an, die Texte doch gleich selbst zu schreiben und die Fotos selbst zu schießen. So kam immer mehr User Generated Content aufs Papier.

Dass selbst in einem Anzeigenblatt eigentlich nicht ausschließlich PR den redaktionellen Teil füllen sollte: geschenkt. Daran stirbt die Leser-Blatt-Bindung nicht, und immerhin sind dann alle Namen richtig geschrieben und stehen an der richtigen Stelle. Dennoch frage ich mich inzwischen, was die Pressebeauftragten von Vereinen, Feuerwehren oder Chören denn noch alles leisten müssen, damit die Redaktion keine Fehler hineinbringt – und sei es „nur“ bei der Person des Fotografen. In Landsberg am Lech, so meine Erfahrung, kann man zum Beispiel gar nichts auf den Namen geben, der hinter „Text:“ oder „Foto:“ steht. Hier steht zum Beispiel „FKN“. Keine Ahnung, wer das sein soll, aber er oder sie hat weder den Text geschrieben noch das Foto gemacht.ggFKN „Wie arbeiten eigentlich Anzeigenblatt-Redaktionen?“ weiterlesen

Sack FMCG im asiatischen Netz umgefallen

HB-FMCG

Eine bemerkenswert absurde Überschrift hat sich soeben die Handelsblatt-Online-Redaktion aus den Fingern gesogen: „Asien hängt Europa beim Lebensmittel-Onlinekauf ab“. Das liest sich erstens so, als sei es in irgendeiner Weise ein sinnvolles Ziel für eine Volkswirtschaft, dass die Menschen nicht mehr einkaufen gehen, sondern sich alles vom Postboten liefern lassen, und zweitens so, als gebe es ein Wettrennen europäischer und asiatischer Handelsunternehmen um die Weltmarktführerschaft in der Mini-Mini-Nische des Online-Lebensmittelvertriebs.

Bei genauerem Lesen kommt man dann dahinter, dass in Wirklichkeit gar nicht von Lebensmitteln die Rede ist, sondern von den FMCG, den Fast Moving Consumer Goods, auf gut Altmodisch-Deutsch auch „Güter des täglichen Bedarfs“ genannt (nicht „Dinge“, wie das HB meint). Dazu gehören auch Drogerieartikel wie Seife, Windeln, Waschmittel und Kosmetik, die sich im Gegensatz zu verderblicher und auf eine durchgängige Kühlkette angewiesener Frischware sehr gut im Paket verschicken lassen. Es werden also nicht Äpfel und Birnen in einen Topf geworfen – das ginge ja noch – sondern ungenießbarerweise Äpfel und Nagellackentferner.

Dass in Asien 37 Prozent der Onliner zumindest gelegentlich FMCG im Netz ordern, ist in dieser Oberflächlichkeit – man verzeihe mir die Platitüde, hier passt sie wirklich – so interessant für die Handelsblatt-Leser wie der Sack Reis, der im Befragungsgebiet umfällt.

 

Science-fiction im stern

Es gibt Interviews, bei denen fragt man sich, warum sie überhaupt abgedruckt werden. Ist es, weil die Redakteure den Inhalt wirklich für relevant halten, oder eher, weil der Verlag schon Arbeitszeit und Reisekosten bezahlt hat und dann eben auch die eingeplanten Seiten zu füllen sind? Oder geht es nur darum, dem Befragten reißerische Aussagen zu entlocken, die dem leichtgläubigen Laien die Ohren schlackern lassen?
Diese Woche irritiert der stern seine Leser mit so einem Text zum Thema „Selbstfahrende Autos“. Die Redakteure Frank Janßen und Harald Kaiser kennen sich mit Autos eigentlich sehr gut aus. Ihr Gesprächspartner war jemand, den autointeressierte Menschen in Deutschland eher nicht kennen, der im kalifornischen Santa Clara lebende Deutsche Thilo Koslowski. Laut stern arbeitet er als „Strategieberater“ bei Gartner, einem Consultingunternehmen aus Stamford (Connecticut), das für seine Analysen zu „Hype Cycles“ zur IT-Industrie bekannt ist, nicht aber dafür, selbst den Hype aufzublähen. Dennoch kam am Ende etwas dabei heraus, das eigentlich nur unter „Science-fiction-Märchenstunde“ rubriziert werden kann. Schauen wir’s uns mal näher an:

„Thilo Koslowski hält es für möglich, dass Softwarefirmen bald Autohersteller aufkaufen.“ „Science-fiction im stern“ weiterlesen

Rechengenies

„Nach ersten Berechnungen der Tester von IHS Technology kostet das 16 GB-Modell des iPhone 6 Plus den Konsumenten 100 Dollar mehr als das iPhone 5s.“

Also schrieb Axel P. vom Handelsblatt. Rechnen wir doch mal nach: Das 6 Plus mit 16 GB kostet vertragsfrei 749 Dollar, das 5S 549 Dollar. Sind das nicht 200 Dollar? Hätte Axel P. vielleicht selbst nachrechnen sollen, statt zu zitieren?

Äh, nein. IHS Technology hat korrekt gerechnet (war ja auch nicht allzu schwer). Das 6 Plus ist 100 Dollar teurer als das kleine Sechser.

Hierauf bezieht sich denn auch der Rest des Absatzes im Handelsblatt:

„Aber die Mehrkosten für Apple belaufen sich nur auf 15,50 Dollar. IHS hat das Smartphone zerlegt und sich die Marktpreise der Einzelteile angeschaut.“

(Nur damit mich keiner missversteht: Ein Journalist kann natürlich mal Fehler machen. Aber es muss jemanden geben, der so einen Unsinn bemerkt, bevor der Content online geht. Wegen so etwas hat unsereiner dann wieder Argumentationsnöte gegenüber Lesern, für die „Qualitätszeitung“ längst ein Spottwort ist.)

Anonymer Discounter

Das Handelsblatt quält seine Online-Leser wieder mal mit einem Ranking, das man nicht auf einen Blick anschauen kann, sondern auf zehn Klicks. Klick Nummer vier hat sich nicht gelohnt: Die viertgrößte Discount-Kette der Welt hat fürs Handelsblatt keinen Namen (sie heißt Dollar General). Klar ist aber immerhin: Walmart ist kein Discounter mehr.
Handelsrateblatt