2DF-Fernsehräte von Gnaden der IT-Wirtschaft

Die so genannten Gremlins des deutschen Fernsehens verträten gesellschaftlich relevante Gruppen, habe ich mal gelernt. Jetzt lese ich in der Süddeutschen, dass bei der Auswahl eines neuen ZDF-Gremlins unter anderem der Verband der Internetwirtschaft (eco e.V.) mitreden durfte, der Chaos Computer Club, der „SPD-nahe Netzverein“ D64  sowie ein „Medienverband media.net“, von dem ich noch nie gehört habe – und nein, bitte geben Sie jetzt nicht media.net als URL in Ihren Browser ein, die sind’s sicher nicht. (Sobald ich herausgefunden habe, wen die SZ meint, trage ich’s nach.)

Auf wen haben sich diese so unterschiedlichen Lobbyisten geeinigt? Ausgerechnet auf den österreichischen Ökonomie-Jungprofessor Leonard Dobusch (36), der im Berliner Netzpolitik-iRights-Soziotop zu Hause ist und sich insbesondere mit unausgegorenen Ideen einen Namen gemacht hat, die zu einem Paradigmenwechsel vom Urheberrecht zum Nutzerrecht führen würden. „Leonido“ segelt im intellektuellen Kielwasser des Creative-Commons-Kapitäns Lawrence Lessig und legt das Postulat „Information wants to be free“ so aus, als hieße es „Geistiges Eigentum muss jederzeit überall mühe- und kostenlos für alle Bürger nutzbar sein“ und nicht „Wissen muss grundsätzlich frei zugänglich sein“. Kurz gesagt, er ist der ideale Kompromisskandidat für Leute, die die Sozialisierung der Werke von Urhebern fordern, und solche, die Urheberansprüche als Handelshemmnis sehen. Dobusch soll die Internet-Insassen im Fernsehrat vertreten, also 75 Prozent der Bevölkerung, aber er ist ein Ideologe mit einer klaren Mission.

Kann es schlimmer kommen? Vielleicht schon. Laut SZ darf die Bayerische Staatskanzlei einen weiteren Digitalmenschen in den Fernsehrat schicken; dies solle ein Vertreter des Industrieverbandes Bitkom sein. Darin ist alles Mitglied, was in der IT Rang und Namen hat – deutsche Firmen, aber auch US-Konzerne wie Apple und Microsoft und japanische Hersteller wie Epson und Canon. Schaut man beim ZDF nach, wer den Posten innehat, stößt man direkt über Dobusch auf den Namen Wolfgang Kopf. Der Mann ist Leiter des Zentralbereiches Politik und Regulierung des Bitkom-Mitglieds Deutsche Telekom AG und wird deshalb auch als „Cheflobbyist der Telekom“ bezeichnet. In einem Land, in dem so etwas möglich ist, müsste konsequenterweise auch die Autoindustrie Vertreter in den Rat entsenden dürfen, vielleicht einen VW-Mann in Kooperation mit der niedersächsischen Staatskanzlei. Baden-Württemberg stünde ein Maschinenbauer zu, NRW (oder Brandenburg) ein Lobbyist der Braunkohlewirtschaft.

Geht’s noch?

Internet der Wunderdinge

„Wissen“ nennt sich die Rubrik der Süddeutschen Zeitung, in der es um Forschung und Innovation geht. An diesem Donnerstag widmet sich der Seitenaufmacher dem „digitalen Dorf“, also einem Widerspruch in sich. In Deutschland ist das Dorf der Ort, an dem Digitalisierung am aufwendigsten und damit am unwahrscheinlichsten ist. In dörflich strukturierten Regionen lohnt sich der Ausbau der Infrastruktur oft weder für Festnetz- noch für Mobilfunkbetreiber. Der Autor der Wissensseite lässt erkennen, dass er das eigentlich auch weiß. Dennoch schreibt er ausführlich über die nette Utopie des digitalisierten Dorfs – über Wunschdenken von Wissenschaftlern und Technokraten. Dieses kulminiert im letzten Absatz:

„Heute nutzen weltweit drei Milliarden Menschen das Internet. Für das Internet der Dinge rechnen Experten aber mit 50 Milliarden Gegenständen, die Daten ins Netz schicken werden“, sagt Trapp. Auch in der smarten Stadt könnte die Internet-Bandbreite dann knapp werden.

Das ist leider grober Unfug, und das nicht nur, weil für viele meiner Kollegen jeder als Experte durchgeht, der solche steilen Prognosen nach der Formel Pi mal Kristallkugel abgibt. (Selbst wenn eines Tages 50 Milliarden Gegenstände online sein sollten: Die allermeisten werden nur innerhalb des Hauses kommunizieren und nicht Daten „ins Netz schicken“, weil es dafür keinen sinnvollen Business Case gibt und es kein Normalverbraucher will.) „Internet der Wunderdinge“ weiterlesen

Netzpolitik und Lobbyismus

Wie ich heute auf Twitter erfuhr, gibt es tatsächlich Leute, die Markus Beckedahl kennen, aber sich wundern, dass er Lobbyist sein soll. Im Netz findet man tatsächlich Hinweise darauf, dass er, der sich (auch) als Autor und Journalist sieht, dieses Etikett als Vorwurf empfindet – vermutlich deshalb, weil es dann schwerer wird, es anderen als Vorwurf anzuhängen.

„Oft wurde mir vorgeworfen ich sei Lobbyist, weil ich für freies Internet und Netzneutralität einstehe. Deshalb wurde mir auch die Akkreditierung für den Bundestag verwehrt.“ Aber nach einigem Geplänkel habe er sie doch bekommen. Beckedahl ist eben einer, der immer einen Weg findet.

Allerdings hat er es oft genug akzeptiert, als solcher einem Publikum vorgestellt zu werden, und er hat sogar schon selbst darüber gesprochen, dass dies einer der Hüte sei, die er abwechselnd trägt. Hier eine kleine Auswahl an Fundstellen. Die jeweilige Quelle ergibt sich aus dem Link im Zitat. „Netzpolitik und Lobbyismus“ weiterlesen

Rübenreporter

Kraut & Rüben ist eine Zeitschrift für Hobby-Biogärtner. Aber dort arbeiten die Krautreporter nicht, über die in diesen Tagen viel zu lesen ist. Der erste, ältere Markenname ist witzig, der zweite, neuere nur albern und damit für ein ambitioniertes Projekt eher unpassend. „Krautreporter“ ist die Sorte Kantinenkalauer, die man besser nicht an die Öffentlichkeit lässt. Schließlich handelt es sich um die Homophonie eines Ausdrucks, der seinerseits ungelenk, ja schlichtweg irreführend und – schlimmer noch – immanent abwertend bis beleidigend für die Zielgruppe ist: „Crowd Reporter.“ Eine Crowd ist eine Horde beliebiger Menschen, bei der das Individuum irrelevant ist. Tja, schon seltsam, dass sich ein so verächtlicher Terminus im Englischen durchgesetzt hat – siehe Crowd Sourcing und Crowd Funding. Sich zur Crowd zu zählen, ist in etwa so, als würde ein Journalist sich „Schreiberling“ nennen, zur „Journaille“ zählen und „Content“ produzieren.

Überdies bezieht sich der an die „Krauts“ erinnernde englische Ausdruck nicht einmal auf die Reporter, sondern auf die Art, wie sie das Geld auftreiben, von dem sie beim Reportieren leben. Die diffuse Masse ist also gerade gut genug als Sponsorenheer für den Journalismus, soll ihn aber bitte nicht selbst betreiben, wie das bei den Leserreportern der Bild-Zeitung der Fall ist?

Nein, es ist nicht lustig, wenn Reporter in einem Atemzug sich selbst und ihre Leser mit dem Klischee des Sauerkraut mampfenden Wehrmachtsinfanteristen identifizieren. Was beim „Krautrock“ noch originell und selbstironisch war, ist vierzig Jahre später nur noch peinlich.

Deshalb ist es wirklich schade, dass die Kollegen, die bei dem Projekt des notorisch umtriebigen Sebastian Esser mitmachen, kein Veto gegen den unsäglichen Namen eingelegt haben – „Rübenreporter“ weiterlesen

Jungredakteure wissen nichts vom Fernseher

Schön, wenn sich junge Kollegen nicht nur mit modernster Digitaltechnik befassen, sondern sich auch für Technikgeschichte interessieren. Was am Ende dabei herauskommt, sollte allerdings Hand und Fuß haben.

Beim Durchblättern der Medienseiten der Süddeutschen, zu deren Lektüre ich in den vergangenen Wochen nicht gekommen war, entdeckte ich einen Text des Kollegen Johannes B., der die Kunst des Lattenschusses recht gut beherrscht und mich motiviert hat, die gute alte Blog-Rubrik „Ja, liest denn keiner mehr gegen?“ fortzusetzen.

Also schrieb der Autor in seinem Abgesang auf den „guten alten Kasten“ alias Fernsehgerät:

„Oft standen Markengeräte von Grundig und Braun im Wohnzimmer, klangvolle Namen. In den Neunzigern und Nullern dann eher ein Gerät von Bang und Olufsen.“

Möglicherweise hat der junge Kollege ja seine Kindheit und Jugend in Grünwald verbracht oder in einem Haus am Sonnenufer eines besseren oberbayerischen Sees, mindestens aber in Bogenhausen. Sonst könnte sich die Vokabel „oft“ nicht in diesen Satz verirrt haben. OFT standen in der Zeit, als Braun noch Fernseher baute, in Wohnzimmern normaler Bürger keine Geräte dieser Marke, „Jungredakteure wissen nichts vom Fernseher“ weiterlesen