Sommer 2014, eine Reha-Klinik im Sauerland, Teil eines bedeutenden Konzerns der Krankheitsbewirtschaftungsindustrie mit altgriechisch und lateinisch anmutenden Firmennamen. Eine alte Dame wird eingewiesen, postoperatives Durchgangssyndrom nach einem Sturz im Altenheim mit Kopfverletzung. Mit anderen Worten: Die Patientin hat wahrscheinlich noch die meisten Tassen im Schrank, ist aber zumindest für einige Wochen nicht in der Lage, sie der Reihe nach zu gebrauchen.
Aufgabe der Klinik ist die neurologische Frührehabilitation. Eine Frau Mitte 80, die dank fähiger Intensivmediziner noch am Leben ist, aber vorerst nicht begreift, wo sie ist oder wie spät es ist, muss man sich vorstellen wie ein ängstliches, mit der Wahrnehmung seiner Umwelt überfordertes kleines Kind, dem Erinnerungen aus acht Jahrzehnten im Kopf herumspuken – Erinnerungen, die diese kindliche Greisin nicht sortieren kann. Sie weiß noch, dass Tassen und Becher zum Trinken da sind und wie man sie in etwa handhaben muss, um nichts zu verschütten. Sie weiß aber nicht, dass sie sechs oder sieben Becher am Tag leertrinken muss. Sie weiß schon gar nicht, dass vor allem das Gehirn viel Flüssigkeit braucht, um sich einigermaßen zu regenerieren. „Die Patientin isst nichts. Oder doch?“ weiterlesen