Respekt, Herr Hanfeld!

FAZ-Medienredakteur Hanfeld widmet sich der würdelosen Abservierung der Spiegel-Chefs Georg Mascolo und Mathias Müller-von Blumencron und sagt ein paar wahre Dinge, zum Beispiel:

Es ist ein Zeichen der Ratlosigkeit, die nicht nur beim „Spiegel“ herrscht, sondern in der ganzen Branche. Denn diese muss nach dem Maßstab fragen, an dem die Qualität journalistischer Arbeit zu messen ist, und für den Wert geistiger Arbeit eintreten, der in der digitalen Ökonomie in Frage gestellt wird – von Internetkonzernen, die mit den Inhalten anderer Geld verdienen, und von oberschlauen Kommentatoren, die Journalisten und Verlagen permanent vorhalten, sie hätten für das Online-Zeitalter immer noch nicht das passende Geschäftsmodell gefunden. Das freilich bislang niemand entdeckt hat, der nicht heimlich oder offen von zu Monopolisten avancierten Online-Konzernen querfinanziert oder durch Rundfunkgebühren alimentiert wird.

Erschreckend sind wieder einmal die hohen Leserempfehlungsquoten bei Kommentaren, deren Autoren ich mir wie deutsche Ausgaben von NRA-Ballermännern und Tea-Party-Staatsverächtern vorstelle.

Betulich à la Niggemeier

„Diese Art Fernsehunterhaltung ist nicht nur nicht wichtig. Sie nimmt sich auch nicht mehr wichtig. Das ist einerseits vielleicht unvermeidlich und verstärkt andererseits eine zweifelhafte Nostalgie: die Sehnsucht nach der Bedeutung des Fernsehens und der Betulichkeit eines Dieter Thomas Heck…“

Aus Stefan Niggemeiers Medienlexikon im Spiegel

Ähem, Herr Kollege: Heck und betulich? Verwechseln wir da nicht was? Betulich heißt ohne Hast, langatmig, träge.

Heck aber „verfolgt das Image des Schnellsprechers“.

Ein betulicher Schnellsprecher? Das ist ein Widerspruch in sich.

Mann im Spiegel

11.631 Zeichen, einschließlich reichlich Zitaten, widmete Stefan Niggemeier der Titelgeschichte des Spiegel über Dominique Strauss-Kahn. Fast die sechsfache Zeichenmenge schund daraufhin Niggemeiers Kommentarvolk, einschließlich Konstantin Neven-Dumont.

Auf diesen rund 80.000 Zeichen oder 2.222 Standard-Druckzeilen fehlt leider jeder Hinweis darauf, dass vor dem Spiegel bereits „Time“ aus der Frage, was mächtige Männer zu Schweinen macht, eine Titelstory gestrickt hatte. Am 19. Mai 2011, dem Donnerstag vor dem Hamburger Redaktionsschluss, machte dieses Stück schon Furore.  Wer Time gelesen hatte, dem kam so manches im Spiegel bekannt vor (besonders die Beispiele für triebgesteuerte Prominente). Den Trüffel-Burger, dem im Niggemeierblog eine zentrale Rolle zukommt, erwähnt Autorin Nancy Gibbs mit keinem Wort.

Dass diese dekadente Fast-Food-Kreation den Text würzen durfte, hat offensichtlich nichts mit den kulinarischen Vorlieben des nackten Franzosen zu tun, sondern damit, dass der Spiegel seine Redakteure zu gut bezahlt:

106. Lieber Herr Niggemeier,

Polemiken müssen nicht stimmen, aber zünden, insofern hat Ihre wütende Abrechnung sogar mich amüsiert, obwohl ich der Autor des Stückes bin. Hätten Sie Recht, und wären Sie konsequent, dann müssten Sie die Abschaffung des erzählenden Journalismus fordern, die Einstellung aller Magazine, das Ende der Wochenend-Beilagen, den Tod der Reportage.
Vor der Kritik, wie Sie sie vortragen, hätte am Ende nur ein Telegramm Bestand. Oder eine dpa-Eil-Meldung. Kann man haben, diese Haltung. Muss man aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Ullrich Fichtner
PS: Wenn Sie mal in New York sind, lade ich Sie gerne zu einem Trüffel-Hamburger ins „db Bistro Moderne” ein, wo ich erst kürzlich gegessen habe. Auch als kleines Dankeschön für unser Gespräch über die „Bild”-Zeitung, das leider so unergiebig war, dass wir es für die spätere Titelgeschichte nicht gebrauchen konnten.

Ullrich Fichtner — 25. Mai 2011, 18:30