Bill Gates war nicht immer der unnahbare Tycoon, als der er gilt. Im Frühjahr 1991 klingelte in der highTech-Redaktion das Telefon; die PR-Agentur von Microsoft war dran. Gates komme nach Deutschland und habe eine Lücke von einer Stunde im Terminkalender, ob wir vielleicht ein Interview mit ihm führen möchten.
Mein Kollege Winfried Rauscheder und ich wollten – und düsten von München nach Frankfurt, wo wir auf einen nicht sonderlich gut gelaunten Unternehmer trafen, der uns zuliebe die Chance sausen ließ, sich nach dem Interkontinentalflug erst einmal frisch zu machen (was wirklich kein Luxus gewesen wäre).
Dann verbrauchte unser Fotograf Andreas Pohlmann einen Gutteil unseres Zeitfensters (wir Anfänger hatten gedacht, dass die Microsofties dafür extra Zeit eingeplant hätten) und als Mr. Billionaire merkte, dass wir keineswegs als Fans gekommen waren, sondern auch ein paar kritische Fragen im Gepäck hatten, besserte sich seine bescheidene Laune auch nicht gerade. Immerhin: Für ein paar aufschlussreiche O-Töne hat es noch gelangt.
Hier das historische Dokument 😉 in der Druckfassung aus highTech 5/1991:
Foto rechts: © Andreas Pohlmann, Foto links: Microsoft
Er gilt als erfolgreichster Unternehmer der Computerbranche, seine Firma Microsoft machte ihn zu Amerikas jüngstem Milliardär. Im Softwareweltmarkt gibt er den Ton an – so sehr, daß er nun eine Untersuchung der US-Monopolkommission am Hals hat. Im Gespräch mit highTech verrät William Gates III (34) seine Visionen für die Software von morgen und steht gleichzeitig fest zu seinen umstrittenen Geschäftspraktiken.
Wachstum zu
unnatürlicher Größe
HighTech: Seit Jahren ist der Markt der Betriebssoftware für Personalcomputer fest in der Hand von Microsoft. Weder Anwender noch Konkurrenten hatten damit bislang Probleme – aber in jüngster Zeit häufen sich die Beschwerden. Fangen Sie an, Monopoly zu spielen?
Gates: Monopoly in unserer Industrie? Da führt doch überhaupt kein Weg hin. In der Hochtechnologie ändern sich die Verhältnisse so rasend schnell – da kann es so etwas wie ein Monopol überhaupt nicht geben. Jeder, der von diesem Geschäft etwas versteht, weiß das.
highTech: Aber es gibt doch wohl unbestreitbar Schwierigkeiten – etwa mit Ihrem wichtigsten Partner IBM.
Gates: Ich weiß nichts von Schwierigkeiten. Wir haben mit IBM bei etlichen Schlüsselprojekten eng zusammengearbeitet und erfolgreich Standards wie die Betriebssysteme DOS und OS/2 gesetzt. Beides sind strategische Produkte sowohl für IBM als auch für uns. OS/2 etwa (ein von Microsoft und IBM gemeinsam entwickeltes modernes PC-Betriebssystem, die Red.) spielt eine wichtige Rolle in unserer Planung. Und wir tun unser Bestes, es weiterzuentwickeln und dem Markt zu vermitteln, welche Vorzüge es bietet.
highTech: Bei IBM ist man aber offenbar ganz anderer Meinung. Da wird behauptet, Sie versuchten mit allen Mitteln, Ihr eigenes grafisches Betriebssystem »Windows« in den Markt zu drücken und IBM mit OS/2 im Regen stehen zu lassen.
Gates: Das verstehe ich nicht. Es gibt niemanden, der mehr OS/2-Anwendungen herausgebracht hätte als Microsoft. Aber es hat sich gezeigt, daß Windows für die meisten Applikationen sehr adäquat ist. Ich persönlich bin glücklich, wenn sich OS/2 gut verkauft – denn da bekomme ich die höheren Lizenzgebühren.
highTech: Auch konkurrierende Softwarehersteller klagen über unsaubere Microsoft-Praktiken: Sie sollen deren Entwicklungsabteilungen über Windows bewußt unzureichend informiert und sich so einen kräftigen Vorsprung bei den dazu passenden Anwendungsprogrammen verschafft haben…
Gates: Das Argument mit den »Insider-Vorteilen« ist unsinnig. Denn mit seinen Anwendungsprogrammen hat Microsoft die größten Erfolge in der Apple-Welt: Beim Macintosh kontrollieren wir die Märkte für Tabellenkalkulation, Textverarbeitung und integrierte Pakete zu jeweils 90 Prozent. Und glauben Sie mir: Apple gewährt mir nicht den geringsten Informationsvorsprung.
highTech: Richtig, mit denen liegen Sie ja sogar gerichtlich im Clinch, weil Microsoft angeblich Apple-Urheberrechte verletzt hat.
Gates: Das hat aber nichts zu tun mit unseren Apple-Programmen. Der Prozeß hat den Zweck, Windows zu stoppen. Apple würde gerne die grafische Benutzeroberfläche als Ganzes für sich monopolisieren. Die glauben, sie hätten die Fenstertechnik erfunden. Nur, da irrt ihre Rechtsabteilung: Denn das war nicht Apple, sondern die Xerox Corporation.
highTech: Sie gelten in der Branche nicht nur als erfolgreicher Unternehmenslenker, sondern auch als Visionär. Wo sehen Sie die wichtigsten Trends der kommenden Jahre?
Gates: Wirklich fest kalkulieren können wir nur mit einigen physikalischen Faktoren: Die Rechengeschwindigkeit wird sich weiterhin alle zwei Jahre verdoppeln, die Monitore werden flacher und das Bildschirmraster feiner, und wir werden einen verstärkten Einsatz preiswerter Glasfaserkabel sehen. Der Rest ist Risiko.
highTech: Lassen Sie uns doch darüber ein wenig spekulieren.
Gates: Nun, wir wissen nicht, wann Techniken wie die Handschriften- und die Spracherkennung so ausgereift sein werden, daß die Menschen sie akzeptieren, oder ob es eines Tages genug Multimedia-Anwendungen geben wird, daß sich ein Standard durchsetzt. Ganz abenteuerlich wird es bei Dingen wie künstlicher Wirklichkeit, Expertensystemen oder nachdenkender Software.
highTech: ln welche dieser »Risikotechniken« investieren Sie derzeit Ihr Geld?
Gates: Unsere größten Wachstumsgebiete sind im Moment die grafischen Anwendungen und die Vernetzungssoftware. Aber wenn ich Vertrauen in eine neue Technik habe, bin ich bereit, eine Menge Geld hineinzustecken – auch wenn andere Leute meine Idee für dämlich halten. So war es bei den grafischen Benutzeroberflächen für den PC, und genauso ist es jetzt etwa mit Multimedia.
highTech: Forschen Sie auch an eigenen Techniken zur Softwareentwicklung?
Gates: Ja klar, etwa bei der objektorientierten Programmierung.
highTech: Ohne Sie zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen überreden zu wollen – was machen Sie denn da?
Gates: Wir wollen Entwicklungswerkzeuge effizienter machen. Dazu gilt es, Programme so zu fonnulieren, daß das Inhaltliche (was das Programm tun soll) vom Formalen (wie es das tun soll) getrennt wird. Sind wir erst in der Lage, abstrahiert auszudrücken, welches Problem gelöst werden soll, können wir den Rest der Programmierarbeit getrost dem Computer überlassen.
highTech: In Japan macht der Begriff Software Factory die Runde. Wird sich Software künftig tatsächlich automatisch herstellen lassen?
Gates: Die Programmiermethoden werden sich zweifellos gewaltig verändern. Bisher ist auf diesem Gebiet viel weniger geschehen, als ich eigentlich erwartet hatte. Allerdings bedeutet der Begriff Fabrik nicht »automatisch«. Auch in Japan wird es – wie bei uns – immer auf die Menschen ankommen, die man sich ins Unternehmen holt.
highTech: Wann kommt der Shakeout, die große Bereinigung im Softwaremarkt?
Gates: Die gibt es jeden Tag. Von den ersten hundert Firmen, die Software für den Macintosh geschrieben haben, sind heute noch höchstens zehn im Geschäft. Eigentlich ist es fast unnatürlich, eine große Softwarefirma zu haben. Denn sobald sie groß sind, werden die meisten träge – und dann machen sie keinen guten Job mehr.
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