Die Gentlemen bitten zur Kasse

Handymarkt. Wachstumsrückgang und Milliardeninvestitionen in UMTS – die Telefonmanager drücken hohe Schulden. Darum ist nun Schluss mit billig beim Mobilfunk.

Neben der leeren Telefonzelle steht eine junge Frau und redet auf ihr Handy ein. Zehn Minuten, eine Viertelstunde. Drei Wochen später wird sie dieses Gespräch, das von ihrem Festnetzanschluss aus nicht einmal eine Mark gekostet hätte, auf dem Einzelverbindungsnachweis ihrer Mobilfunkrechnung wiederfinden – 14,85 Mark. Viel Geld für ein bisschen frische Luft: In der muffigen Kabine hätte eine Telefonkarte zu sechs Mark genügt.

Im ICE macht ein Notebook-Besitzer Yoga-artige Verrenkungen. Er hat die linke Ferse auf den rechten Oberschenkel gehievt und balanciert auf dem linken Knie sein Handy. Das Telefon muss oberhalb der Fensterkante bleiben – sonst ist der Empfang zu schlecht. Wackeln darf er jetzt nicht, denn die Infrarot-Fensterchen der beiden Geräte müssen ununterbrochen aufeinander weisen. Der Mann versucht gerade, via Handy seine neusten E-Mails in den Computer zu laden. Falls er sich den teuersten Tarif für den neuen Datenfunkstandard GPRS hat andrehen lassen, knöpft ihm der Provider für die Übertragung dieser läppischen 300 Kilobyte 20,70 Mark ab. Aus dem Festnetz hätte er die gleiche Datenmenge für 1,7 Pfennig abrufen können.

Der Wucher hat Methode. In keiner anderen Branche werden gutgläubige Verbraucher derart gnadenlos eingelullt und so hemmungslos abkassiert wie beim Mobilfunk. Die Spannweite zwischen dem billigsten und teuersten Angebot lässt selbst den Preisunterschied zwischen Aldi-Fleischwurst (Kilopreis: 3,98 Mark) und dem Filet Mignon vom Biometzger (99,95 Mark) verblassen: Bei Inlandsgesprächen liegt der Zuschlag gegenüber dem Zu-Hause-Telefonieren zwischen 66 und fast 3.000 Prozent, beim E-Mail-Abruf zwischen 3.000 und unglaublichen 120.000 Prozent. Wohlweislich verheimlicht die Branche die volle Wahrheit. Geworben wird grundsätzlich mit einem harmlosen Auszug aus der Preisliste. Erst auf Anfrage erfahren die Kunden der meisten Handynetze, was beispielsweise ein Telefonat nach Österreich oder in die Schweiz kostet (12,90 bis 35,90 Mark für zehn Minuten. Zum Vergleich: im Festnetz 90 Pfennig) oder ein Anruf bei einer 01805-Hotline (bei vielen Tarifen 99 statt 24 Pfennig pro Minute).

Der eigentliche Angriff auf den Geldbeutel des Konsumenten steht allerdings erst bevor. Beim Kassensturz nach dem Boom des Jahres 2000 – in Deutschland verdoppelte sich die Zahl der Handybesitzer auf etwa 50 Millionen – fiel den Mobilfunkmanagern auf, dass der Normalverbraucher viel weniger Umsatz bringt als erhofft. Zwar vertelefonieren Vertragskunden, die sich auf zwei Jahre an einen Netzbetreiber wie die Telekom-Tochter T-Mobil gebunden haben, im Durchschnitt mehr als 90 Mark im Monat. Die vielen Käufer von billigen Prepaid-Handys – sie stellen mittlerweile den Löwenanteil der Neukunden aller Netze – zahlen jedoch nur 25 Mark. Im Mittel, schätzt der Stuttgarter Marktforscher Mathias Plica, lassen sich die Deutschen ihr Handy gut 50 Mark im Monat kosten. Die Analysten der britischen Durlacher Research taxieren den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer (im Branchen-Slang ARPU: Average Revenue per User) ein wenig wohlwollender auf 67 Mark.

Doch selbst von da aus ist es noch ein weiter Weg zu dem Ziel, das Ron Sommer im März auf der Computermesse Cebit verkündete: 59 Euro, also gut 115 Mark, möchte der Telekom- Vorstandsvorsitzende im heraufdämmernden Zeitalter der Internet-tauglichen UMTS-Superhandys jedem Kunden einmal im Monat abknöpfen.

Nicht nur Sommer will deutlich mehr aus den Handykunden herausholen. Mit ähnlichen Zahlen lehnten sich in den vergangenen Monaten auch Maximilian Ardelt, Chef der Viag Interkom, und Mobilcom-Boss Gerhard Schmid aus dem Fenster. Geradezu trotzig stemmen sich die Bosse den Prognosen der Marktforscher entgegen, die angesichts der näher rückenden Marktsättigung unisono vor sinkenden Margen warnen. Sie lassen sich auch nicht davon beirren, dass noch völlig offen ist, wie viel wer wann für welche drahtlosen Dienstleistungen bezahlen wird. Bisher ist UMTS, das Universale Mobile Telekommunikationssystem, nämlich nichts weiter als eine zukunftsweisende Übertragungstechnik ohne greifbare Inhalte und ohne die nötigen Endgeräte. Selbst der Aufbau der FUnkstationen läuft gerade erst an. „Die Unternehmen sind so beschäftigt damit, ihre Netze aufzubauen“, sorgt sich ein Münchner Berater, der seinen Namen lieber nicht gedruckt lesen will, „dass sich die wenigsten ernsthaft über Geschäftsmodelle Gedanken gemacht haben.“

Dies hindert die Gentlemen freilich nicht daran, die Kundschaft schon jetzt gehörig zur Kasse zu bitten. Dieselben Unternehmen, die im vergangenen Jahr 20 Millionen Handys zu Dumping-Preisen in den deutschen Markt drückten, drehen jetzt an der Preisschraube wie Mineralölkonzerne vor den Osterferien. So strich ein Netzbetreiber nach dem anderen dem Handel die einst üppigen, zum Teil als Werbekostenzuschüsse getarnten Gerätesubventionen zusammen – der Todesstoß für das 400-Mark-Handy zu 49,99 Mark. Allein gegenüber Geschäftskunden, die eine höhere Grundgebühr und niedrigere Minutenpreise zahlen, sind die Konzerne noch generös. Dass die Verteuerung nicht sofort auf dem Markt auffiel, lag allein an den hohen Restbeständen, die sich nach Weihnachten noch in den Lägern stapelten. Doch die Vorräte an Auslaufmodellen gehen zur Neige. Selbst Marken aus der zweiten Reihe – wie Philips und Alcatel – werden nicht mehr verschenkt. Die Redaktion von Mathias Plicas Handy-Website Xonio rechnet damit, dass Markenhandys schon bald bis zu 140 Mark teurer sein werden als noch vor ein paar Monaten. Hinzu kommt, dass befristete Abwerbeaktionen – etwa 24-Monats-Verträge ohne Grundgebühr oder ohne Einrichtungsgebühr – nicht verlängert werden. Der billigste Vertrag kostet jetzt 19,95 Mark im Monat, von denen der Kunde die Hälfte vertelefonieren kann. Über die zweijährige Laufzeit gerechnet zahlt der Handyfreund damit mindestens 240 Mark mehr als jemand, der im März bei einem Sonderangebot zugegriffen hat. „Mobilfunkkunden als Melkkühe“, titelten die sonst eher diplomatisch formulierenden Xonio-Macher Ende April in bester ADAC-Manier.

Den Netzbetreibern blieb freilich kaum etwas anderes übrig, als die Preise zu erhöhen. Mit der Entscheidung,jeweils 16,5 Milliarden Mark für die deutschen UMTS-Lizenzen auszugeben – und vergleichbare Summen für die britischen – hatten die Vorstände ihre bis dahin florierenden Unternehmen auf Jahre hinaus in hoch verschuldete Zuschussbetriebe verwandelt. Jeder der Lizenznehmer muss täglich eine siebenstellige Summe allein für Zinsen aufwenden, kann aber frühestens 2004 nennenswerte Umsätze dagegenrechnen. Im Jahr 2003, auf das sich die Branche ursprünglich eingerichtet hatte, wird sich nach Durlacher-Prognosen erst ein harter Kern von Technik-Freaks den Luxus UMTS leisten: weltweit 275.000 Menschen oder 0,8 Promille der für diesen Zeitpunkt vermuteten Mobilfunker. So rückt die Gewinnschwelle, die Mobilcom-ChefSchmid einst optimistisch für 2007 avisierte, in weite Ferne. Arbeiteten die 1992 eröffneten D-Netze bereits nach etwa fünf Jahren profitabel, rechnen Experten bei den erfolgreichsten UMTS-Betreibern auf lizenzbedingt teuren Märkten wie Deutschland und Großbritannien frühestens 2010 mit schwarzen Zahlen. Die Finanzvorstände der betroffenen Konzerne haben daraus bereits die Konsequenz gezogen: Damit die Anleger nicht in Depression verfallen, stellen sie auf Analystentreffen und Bilanzpressekonferenzen den Vorsteuergewinn vor Zinsen und Abschreibungen heraus.

GIeichzeitig versuchen die Anbieter nach allen Regeln der Kunst, zahlungskräftige Kunden an sich zu binden. Statt wie anno 2000 um jeden Preis die Teilnehmerzahl in die Höhe zu treiben, gilt es jetzt, potenzielle Interessenten für das mobile Internet, also die Zwischenlösungen GPRS und später UMTS, herauszufiltern. Denn an der Börse hat sich der Wind gedreht. Vor den Lizenzauktionen stieg der Wert eines Mobilfunknetzes mit der Zahl der Kunden, inzwischen geht es wieder um Rentabilität.

Damit wird es für Gelegenheitstelefonierer schwer, ein gutes Handy billig abzustauben. D2-Chef Jürgen von Kuczkowski und D1-Geschäftsführer Rene uObermann haben einander bereits auf der Cebit öffentlich signalisiert, keine verlustträchtigen Prepaid-Angebote mehr machen zu wollen. Warum sollten sie auch? Die D-Netze, die jeweils etwa 40 Prozent Marktanteil einnehmen, sind in vielen Regionen bereits so gut ausgelastet, dass zusätzlicher Verkehr auf den Funkwellen in den Stoßzeiten zu Engpässen führen würde. Gefahr von den E-Netzen droht nicht. Viag Interkom und E-Plus haben zwar Kapazitäten, doch die Töchter von British Telecom und der niederländischen KPN stehen finanziell so unter Druck, dass sie sich eine Fortsetzung des 2000er Preiskampfes schlichtweg nicht mehr erlauben können.

Für die Handyhersteller hat der plötzliche Geiz der Telefongesellschaften böse Folgen_ Von 550 Millionen Geräten, wie Nokia-CEO Jorma Ollila noch im Herbst hoffte, ist längst keine Rede mehr. Als Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer unlängst in Budapest die Zwischenbilanz des Geschäftsjahres präsentierte, gab er zu, der Weltmarkt werde dieses Jahr womöglich nicht viel mehr als 400 Millionen Mobiltelefone aufnehmen. Das ist bitter für die Beschäftigten des Branchenzweiten, von denen 2600 ihre befristeten Verträge nicht verlängert bekommen, und unerfreulich für die Aktionäre. Die Handysparte verdiente im ersten Kalenderquartal mit sechs Millionen Euro vor Steuern praktisch kein Geld mehr, denn die Preise, die die Hersteller erzielen, bewegen sich seit Monaten abwärts. Nur die Verbraucher merken nichts davon – es sei denn, sie kaufen sich außer der Reihe ein neues Handy ohne Zuschuss.
Mittlerweile setzen die Produzenten alles daran, dem Verbraucher Appetit auf ein neues Taschentelefon zu machen, bevor sein Vertrag abgelaufen ist. So eifert Siemens inzwischen dem Marktführer Nokia nach und versucht seine Hardware auf der Lifestyle-Schiene zu vermarkten. Zielgruppe: junge Besserverdiener. In einer Anzeige für das Topmodell SL 45, ein Handy mit eingebautem MP3-Player, geht der Münchner Konzern selbst in Blättern wie dem „Spiegel“ mit seiner Klientel auf Du und Du: „Wenn du mehr erfahren willst über Siemens Mobile Phones, besuche einfach unsere Website.“

In Finnland, erklärt Kalevi Kaartinen, funktioniert das Geschäft genauso. „Die Schüler kaufen immer die neusten Handys und geben ihre alten Geräte in der Familie weiter“, erzählt der Nokia-Manager. „Zuletzt bekommt es die Oma.“ Modische Aspekte seien für die Käufer ganz wichtig. „Das Handy ist fast schon Teil der Kleidung.“ Allerdings ist der finnische Markt mit dem Rest Europas nicht zu vergleichen. Gerätesubventionen gibt es nicht. Daher sind gebrauchte Apparate für die Verwandten attraktiv.
Eng könnte es für manchen Telefonhersteller freilich auch deshalb werden, weil in der UMTS-Ära das Fernsprechen zur Nebensache werden soll – jedenfalls was die Umsätze angeht. Für die zweite Hälfte des Jahrzehnts erwarten selbst kritische Marktforscher einen Boom des mobilen Internets. Neuartige elektronische Geräte sollen Dinge wie Stadtplan, Geldbörse, Lottoschein und Telefon ersetzen. Marktkenner Plica spricht deshalb ungern von Handyproduzenten: „Palm und Compaq sind ebenso Mobilgeräteanbieter wie Nokia und Ericsson.“ Den Telefonspezialisten rät er zu Bündnissen mit Herstellern mobiler Computer. Kurt Hellström, Chef des krisengeplagten schwedischen Ericsson-Konzerns, sieht das offenbar genauso. Im April verkündete er drastische Sparmaßnahmen – und suchte den Schulterschluss mit dem Elektronikriesen Sony.

Tröstliche Aussicht für Menschen, die unterwegs nur jemanden anrufen wollen. Spätestens wenn die Alleskönner auf den Markt kommen, wird Telefonieren wieder billiger.

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Zum Aufmacherbild:

Von links nach rechts, hintere Reihe: Gerhard Schmid, Gründer der Mobilcom AG, braucht jede Mark – und holt sie sich. Das Netz baut ihm Nokia auf Pump. Für die Lizenz steht France Telecom gerade. Jorma Ollila, CEO von Nokia, muss mit weniger Handys mehr Geld verdienen. Die Kunden sollen teure Geräte als Modeartikel kaufen. Ron Sommer hat Unsummen auf den Mobilfunk verwettet: in England, Deutschland, USA. ;Jetzt wollen die T-Aktionäre Erträge sehen.
Maximilian Ardelt leitet als Statthalter von British Telecom das kleinste deutsche Handynetz. Auf jeden Kunden seiner Viag Interkom entfallen 5000 Mark UMTS-Gebühr.

Von links nach rechts, vordere Reihe: Kurt Hellström, Ericsson-Chef, will statt billiger Handys hochwertige Lifestyle-Geräte verkaufen. Dazu sucht er Hilfe in Japan. Sein erklärter Partner heißt Sony. Uwe Bergheim führt die Geschäfte von E-Plus. Der Ableger der holländischen KPN hat einen guten Ruf und wenig Geld. Analysten glauben, KPN habe sich mit E-Plus und UMTS verhoben. Heinrich von Pierer ist unzufrieden mit der Rendite der Handyabteilung. Sein Ziel: Siemens als Edelmarke positionieren. Jürgen von Kuczkowski, Vodafone-Deutschland-Chef, muss seinem Boss Chris Gent beweisen, dass trotz UMTS·Milliarden in Old Germany Geld zu verdienen ist.

„Handys werden über 100 Mark teurer“

Mathias Plica, Marktforscher und Chef der Mobilfunk-Website Xonio.com, über UMTS und die Folgen.

Herr Plica, die Mobilfunkfirmen habensich mit den teuren UMTS-Lizenzen einen Riesenklotz ans Bein gebunden. Jetzt muss das Geld wieder hereinkommen. Gehen die Zeiten des billigen Handytelefonierens zu Ende?

Es muss auf jeden Fall viel mehr Geld fließen als bisher. Die 50 Mark pro Monat, die der Durchschnittskunde derzeit bezahlt, reichen bei weitem nicht aus.

Wie viel werden wir künftig ausgeben müssen?

Telekom-Chef Ron Sommer hofft, dass im Jahr 2010 alle D1-Kunden UMTS nutzen und dafür im Mittel 120 Mark im Monat aufwenden werden.

Ist das realistisch?

Die 120 Mark sind vollkommen plausibel für einen UMTS-Kunden. Aber höchstens jeder zweite wird bis dahin umsteigen.

Immerhin werden das 30 Millionen Menschen sein. Haben die Handykunden das Geld so locker sitzen?

Nunja, die Menschen verdienen nicht plötzlich mehr, nur weil es UMTS gibt. In den privaten Haushalten müsste es dafür schon zu einer Budget- Verschiebung kommen. Das Geld könnte bei den klassischen Ausgaben für Medien und Unterhaltung eingespart werden und in entsprechende Umsätze im Mobilfunk investiert werden – zum Beispiel für mobiles Entertainment.

Aber wie? An der Fernsehgebühr führt vorerst kein Weg vorbei, das digitale Kabelfernsehen kommt dazu oder der DSL-Anschluss.

Es geht hier ganz klar um Verdrängung. Mit Sicherheit betrifft es auch Zeitungen, Zeitschriften, Videos, Kino.

Um etwas Bewährtes zu verdrängen, müssen die neuen Produkte oder Dienstleistungen attraktiver sein. Die Behauptung von Mobilcom-Chef Gerhard Schmid, die Handykunden würden von unterwegs gerne bunte Bilder verschicken, klingt noch nicht sehr überzeugend – erst recht nicht, wenn man dafür auf lieb gewonnene Dinge verzichten muss.

Ein gewisser Optimismus muss schon sein in diesem Geschäft. Wer den Schritt zu UMTS wagt, mit diesen Kosten, der muss daran glauben. Wenn man annimmt, dass der Mobilfunk so weiterläuft wie bisher – vor allem Sprache und einige Datenanwendungen – lohnt sich das alles nicht. Schmids Vision ist wohl, dass das mobile Leben noch ganz andere Dimensionen annehmen wird und die neuen Geräte darin eine ganz zentrale Rolle spielen. Natürlich ist die Frage noch nicht geklärt, welche Entertainment-Dienste der Mensch in Zukunft nutzen möchte und welche tatsächlich mobil verfügbar sein müssen.

Soll das bedeuten, dass am Anfang doch eher die berufliche Nutzung bei UMTS überwiegt?

Die Fleischtöpfe stehen in der Tat bei den Geschäftskunden, die heute im Monat durchaus 250 Mark und mehr für Kommunikation ausgeben. Hier kann sich UMTS einen großen Anteil herausschneiden. Viele Anwendungen, die wir heute auf dem verkabelten Desktop-PC nutzen, werden dann mobil laufen. Firmen, die Projektteams zusammenstellen, können diese Mitarbeiter dann per FUnk ganz schnell miteinander vernetzen und sparen sich eine Menge Installationsaufwand.

Und wohin geht die Entwicklung im alten GSM-Netz? Da sollen die Kunden jetzt auch mehr bezahlen.

Ja, speziell für die Geräte. Anfangs schien es, als beträfen die Preiserhöhungen praktisch nur den PrepaidBereich. Das war ja noch gerechtfertigt, denn diese Handypakete waren Dumping-Angebote, die allein auf einen Zuwachs der Teilnehmerzahl ausgerichtet waren. Aber subventionierte Geräte landeten, statt Umsatz zu bringen, im Graumarktexport.

Und nun sind die Vertragskunden dran?

Genau. Die Netzbetreiber kürzen den Händlern den Werbekostenzuschuss. Darum werden Handys mehr als 100 Mark teurer. Dafür gibt es keinen Grund: Kunden, die sich auf zwei J ahre verpflichten, sind seit langem rentabel. Die Subvention ist sinnvoll bei einem Kunden, der während der Vertragslaufzeit 2000 Mark Umsatz bringt. Ein hoher Gerätepreis ist immer die größte Einstiegshürde.

Die Geschichte des Mobilfunks

1958

Mitten in der Wirtschaftswunderzeit präsentiert die Bundespost das erste Autotelefon. Das ultimative Prestige-Objekt für Bosse mit Chauffeur hat keine Wählscheibe, denn die Verbindungen im A-Netz stellt das Fräulein vom Amt von Hand her. Bundeskanzler Konrad Adenauer telefoniert in seinem Mercedes 600 damit, später kommen auch Polizisten in den Genuss (bis 1977).

1972

Die Post weiht das B-Netz ein. Es ist immer noch exklusiv und teuer, bringt aber mehr VIPs in den Genuss eines Statussymbols. Die Geräte sind von jedem Selbstwählapparat
aus erreichbar, vorausgesetzt, der Anrufer weiß, in welcher Gegend der Anzurufende unterwegs ist. 1980 muss die Post die Kapazität von 37 auf 112 Funkkanäle verdreifachen, um der Nachfrage Herr zu werden. Die letzten B-Netz-Nostalgiker werden 1994 abgehängt.

1984

Der zellulare Mobilfunk nimmt den Betrieb auf. Das analoge C-Netz (C für cellular) ist der Vorläufer der heutigen Handynetze. Die gesamte Fläche der alten Bundesrepublik wird in Funkzellen unterteilt – kleine in den Städten, größere auf dem Land. Jetzt sind Autotelefonierer bundesweit unter der Einheitsvorwahl 0161 erreichbar. Ein Zentralcomputer der Bundespost weiß immer, wo sich das Telefon befindet.

1989

Der Münchner Autovermieter Sixt verleiht seine Mercedes- und Audi-Fahrzeuge auf Wunsch mit einem C-Telefon in der Mittelkonsole. Marketing-Manager ist zu dieser Zeit ein gewisser Gerhard Schmid. Der Mann findet Autos bald langweilig und begeistert sich nur noch für Mobilkommunikation. Es ist ja auch spannend: Außer fest eingebauten Geräten fürs Auto gibt es nun so genannte Portys: Koffertelefone, die einige Kilo wiegen. Der neueste Trend: leichtere Modelle.

1990-91

Unter dem Namen Birdie will die Bundespost schnurlose Heimtelefone mobil machen. Auf Dächern von Telefonzellen installieren die Beamten DECT-Basisstationen. Das Vögelchen wird zum Flop. Die Technik ist nicht ausgereift, außerdem hat die Behörde kein klares Vermarktungskonzept. Der nächste Flop kommt aus Amerika. Mit viel Trara kündigt Motorola ein weltumspannendes Netz aus 77 Mobilfunksatelliten namens Iridium an. Das Abenteuer kostet den Konzern und seine Partner Milliarden. Als die teuren Sender Jahre später im Orbit sind, ist die Technik veraltet.

1992

Die Neuzeit der Telekommunikation bricht an. Die europäische Entwicklung GSM ist ausgereift. Erstmals darf ein privates Unternehmen in Deutschland ein kommerzielles
Telefonnetz aufbauen. Mannesmann Mobilfunk startet gleichzeitig mit der noch staatlichen Deutschen Bundespost Telekom ins Digitalzeitalter. Die D-Netze 1 und 2 sollen eine bessere Sprachqualität bieten und abhörsicher sein, kranken anfangs aber noch an einer Fülle ausladender Funklöcher. Wer nicht immer ein Auto dabei hat, um sein Telefon zu transportieren,
greift zur neusten Errungenschaft aus den USA: Motorolas Modell 3200 mit dem Spitznamen „Knochen“ wiegt nur noch ein Pfund.

1993

Der nur Insidern bekannte finnische Mischkonzern Nokia, dessen Sortiment von Klopapier bis zu Computerbildschirmen reicht, präsentiert das erste echte Handy – auch wenn diese Bezeichnung erst Mitte der 90er Jahre aufkommt. Mit dem kompakten 1011 beginnt der Aufstieg des Außenseiters aus Helsinki zum Weltmarktführer. Unterdessen erhält ein deutsch-amerikanisches Industriekonsortium die Lizenz, das dritte digitale Funknetz zu errichten. Im Mai 1994 geht der Herausforderer als E-Plus an den Start.

1996-97

Die Kohl-Regierung merkt, dass sie die Lizenzen für den Digitalfunk zu billig hergegeben hat. Die D-Netze erweisen sich nämlich als sprudelnde Geldquellen. Mannesmann
kommt angesichts stolzer Milliardenumsätze früher als geplant in die schwarzen Zahlen. Der deutsche Markt verspricht so viel Wachstum, dass sich British Telecom gemeinsam mit der Viag um die vierte Lizenz bewirbt. Bill Gates und der US-Mobilfunkpionier Craig McCaw tun sich mit Boeing zusammen und planen Teledesic-Internet in the Sky.

1999

Mobilfunkfachleute kennen nur noch ein Thema: die so genannte dritte Generation. Bis 2002 wollen sie das Universelle Mobile Telekommunikationssystem (UMTS) entwickeln, das den Internet-Zugang von unterwegs möglich machen soll. Als kleinen Vorgeschmack kündigt die Industrie vollmundig die kleine Lösung WAP an. Doch es gibt lange keine WAP-Geräte zu kaufen. Darum kommt die Enttäuschung erst anno 2000. Derweil plant die Bundesregierung die Versteigerung der UMTS-Lizenzen – ohne zu ahnen, um welche Summen es geht.

2000

Der WAP-Flop bremst nicht die Euphorie der UMTS-Aspiranten. Erst werfen die Bewerber in Großbritannien mit Milliarden um sich, dann in Deutschland. Furore macht vor allem Gerhard Schmid. Der Mobilcom-Chef erwirbt eine Lizenz für 16 Milliarden Mark, muss aber Anteile an France Telecom verkaufen. Eine Klage gegen die Auktion zieht er zurück.

2001

Der angeblich schnelle, aber sehr teure Datenfunk GPRS startet. Der mobile Web-Zugang ist damit zwar möglich, aber die Mobilfunkfirmen vermarkten die Neuheit lieber als
Retter des lahmenden WAP-Dienstes. Unterdessen wächst die Skepsis gegenüber UMTS. Waren die Lizenzen zu teuer? Wird die Technik schnell genug serienreif? Anfang des Jahres füllt ein Datenhandy jedenfalls noch einen Kleintransporter.

2002

Der Countdown läuft: Im Laufe des Jahres wollen die meisten Netzbetreiber die ersten Teilnetze in UMTS-Technik in Betrieb nehmen. Die Geräte, die peu à peu auf den
Markt tröpfeln, haben wenig Ähnlichkeit mit den frühen Designstudien, die anno 2000 durch die Illustrierten geisterten. Eher sehen sie aus wie ein Palm-Handheld mit Funkadapter.

2005

UMTS hat die Kinderkrankheiten hinter sich. Geschäftsleute und Medienmenschen nutzen die neuen Netze tatsächlich. Mit ultraleichten Notebooks loggen sie sich in die Intranets
ihrer Firma ein. Versicherungsgutachter, Immobilienmakler und Fotoreporter senden in Sekundenschnelle digitale Bilder vom Schauplatz des Geschehens. Das Handy als zentraler Bluetooth-Sender verschwindet in der Tasehe. Sichtbar bleibt nur der Clip am Ohr.

Erschienen in BIZZ 6/2001.

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