Stimmen im Sturm

Unternehmenssprecher müssen sich darauf einstellen, dass die Ära der Jubel-PR zu Ende ist. Immer öfter finden sie sich in der Rolle des Überbringers unerwünschter Nachrichten wieder. Zukunft hat, wer es versteht, selbst im Orkan Gehör zu finden – und seine Botschaft nicht in den Wind zu sprechen.

Es ist schon heftig, was Raucher Tag für Tag so zu lesen kriegen. Rauchen verursacht Impotenz. Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen. Rauchen in der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind. Der schönste Spruch, den die Hersteller der Glimmstengel auf ihre Schachteln drucken müssen: Fangen Sie gar nicht erst an! Der promovierte Politologe Christof Ehrhart stellte sich vor ein paar Jahren dennoch der Herausforderung, PR- und Lobbyarbeit zu machen für ein Unternehmen, das sein Geld mit Produkten verdient, die quasi vom Amts wegen als gemeingefährlich gebrandmarkt sind. Fast zwei Jahre lang stand er, der sich selbst als »gelegentlicher Genussraucher« bezeichnet, als Director Corporate Affairs & Public Relations in Diensten des Camel-Herstellers Japan Tobacco International (JTI). Der 40-Jährige, nun schon seit zwei Jahren Leiter Corporate Communications beim Pharma-Hersteller Schering AG in Berlin, ist der festen Überzeugung, in seinem Beruf müsse man wenigstens einmal einen Job gemacht haben, in dem man mit »massiver Kritik aus dem Umfeld des Unternehmens konfrontiert« wird. Wer nicht Erfahrungen in einer »Gegenwindphase« gesammelt habe, sei »als Kommunikationsmann nicht komplett«.

Dass ein Unternehmenssprecher bewusst eine Tätigkeit anstrebt, bei der er es mit seinen Botschaften besonders schwer haben wird, ist gewiss noch die Ausnahme. Doch die Idee, das Überbringen unpopulärer Botschaften wie auch das Werben um Verständnis gezielt zu trainieren, hat Zukunft: Früher oder später kommt inzwischen fast jeder PR-Profi einmal in eine Situation, in der er Dinge verkünden muss, über die er – so Commerzbank-Sprecher Peter Pietsch – »am liebsten den Mantel des Schweigens breiten möchte«. Die Schönwetterzeiten, in denen es in manchen Industriezweigen jahrelang nur bergauf ging, für Aktionäre genauso wie für Arbeitnehmer, kommen auf absehbare Zeit nicht wieder. Wer im 21. Jahrhundert Unternehmenskommunikation betreibt, muss mit Themen leben, bei denen sich zwischen den Interessen der Stakeholder-Gruppen eine immer breitere Kluft auftut, die nur noch unter größten Schwierigkeiten zu überbrücken ist. Unversehens kann er sich vor der Aufgabe wiederfinden, für unpopuläre, auf den ersten Blick vielleicht sogar widersinnig wirkende Managemententscheidungen den Kopf hinzuhalten – etwa bei Stellenstreichungen in einer Phase steigender Gewinne. »Das mag inhaltlich richtig sein«, meint Pietsch, der von den Lesern des Fachblatts »Wirtschaftsjournalist« unlängst zum Pressesprecher des Jahres gewählt wurde, »aber eswird in der Öffentlichkeit nicht verstanden und kommt besonders in der politischen Welt sehr schlecht rüber.«

Gestalter schlechter Nachrichten

Bisher ist noch niemandem gelungen, in eine allgemeingültige Lehr-Formel zu pressen, wie einer solchen Herausforderung zu begegnen ist. Dabei beschäftigt die Frage, wie man schlimme Neuigkeiten mit geringstmöglichem Schaden für sich selbst und/oder den Adressaten vermittelt, die Menschen schon seit der Antike, ebenso wie die vielfältigen Methoden, sich das Problem mehr oder weniger elegant vom Hals zu schaffen. Verschweigen, verschleppen, vertuschen, lügen, beschönigen, ablenken, Ausreden erfinden, Sündenböcke suchen: Die Liste ist lang, das Verhalten menschlich. Aus den vielfältigen Versuchen, für heikle Sachverhalte die passenden Formulierungen und Argumentationslinien zu finden, hat sich eine anerkannte (Erfahrungs-) Wissenschaft entwickelt, die Rhetorik (siehe Kasten »Raus mit der Wahrheit«). Auch der Berufsstand der Diplomaten verdankt seine Existenz der Notwendigkeit, immer wieder aufs Neue brisante Fakten durch wohlgewählte Worte – notfalls auch durch kreativen Umgang mit der Wahrheit – zu entschärfen.

Zivilisationshistorisch gesehen ist die Diplomatie das Resultat einer allmählichen Professionalisierung der Krisenkommunikation. Seit Alters her mieden die Mächtigen die persönliche Konfrontation mit der Gegenseite. Man musste mit den anderen reden, delegierte aber die nicht ungefährliche Kontaktaufnahme vorsichtshalber an einen Profi. Der antike oder mitteralterliche Kommunikationsbeauftragte, herablassend »Bote« genannt, riskierte für seinen Chef nicht seine Reputation, sondern sein Leben: Als Überbringer unerbetener Nachrichten musste er damit rechnen, zum Blitzableiter für die Emotionen der Empfänger zu werden, zudem stand er unter dem Generalverdacht der Spionage, sofern man ihm nicht sogar unterstellte, mit dem Teufel im Bunde zu sein und die Pest in die Stadt zu tragen. In jener finsteren, furchtsamen Zeit konnte es fatal sein, als dritter oder vierter Abgesandter in Folge seinen Adressaten quasi das Gefühl zu vermitteln, es ergehe ihnen nun wie einst dem frommen Hiob, der eine Schreckensbotschaft nach der anderen erhielt (siehe Kasten »Hiob und das Happy-end«). Spätestens zu Zeiten Metternichs wurde freilich auch den letzten Monarchen klar, dass eine kluge Kommunikationsstrategie (wie eine geschickt eingefädelte Eheanbahnung) durchaus eine erfolgversprechende Alternative zu blutigen Schlachten sein konnte.

Hinter verschlossenen Türen ist gut reden

Tatsächlich erinnert heute manche Kommunikationssituation in Unternehmen an diplomatische Unterredungen, so etwa Gespräche des Vorstands mit Investoren, Analysten, dem Betriebsrat, ausgewählten sachkundigen und/oder einflussreichen Journalisten. Wie sich die Könige in einer von ihren Botschaftern arrangierten Begegnung darauf verlassen konnten, nicht nur nicht erschossen, sondern mit einem Mindestmaß an Respekt behandelt zu werden, heißt die Devise auch hier »hart, aber fair«. In kleiner Runde hinter verschlossenen Türen kann man offener reden, persönliches Vertrauen aufbauen und die Hintergründe wichtigen Multiplikatoren erläutern, die sie dann ihrer jeweiligen Klientel vermitteln. In einer solchen Umgebung fühlt sich ein typischer Topmanager, selbst wenn er unter Druck steht, wie ein Fisch im Wasser.

Das Problem ist, dass dieses probate Instrument nur einsetzbar ist, solange man unbequeme Entscheidungen von langer Hand planen kann – und dass es auch dann nicht ausreicht, weil es nur eine Minderheit der Stakeholder unmittelbar anspricht. Den Monarchen genügte die stille Diplomatie zum Erfolg, sie brauchten sich nicht vor dem Volk zu rechtfertigen und konnten es ihrem Hofmarschall überlassen, Resultate zu verkünden. Benimmt sich aber ein Manager wie ein kleiner König, der den Kontakt zu seinen Untergebenen scheut und lieber andere vorschickt, wenn es brenzlig wird, schadet er sich nur selbst. Ist er halbwegs prominent, behandeln ihn die Medien – getreu der Devise »Namen sind Nachrichten« – nicht anders als einen Politiker. Wie ein gewählter Mandatsträger muss sich eben auch ein Firmenboss darauf einstellen, dass manche Redaktionen nur darauf warten, dass jemand wie er sich angreifbar macht, dass er negative Klischees bestätigt und sich so unwillkürlich als Prügelknabe anbietet.

Präsenz zu zeigen, kein kommunikatives Vakuum entstehen zu lassen, ist denn auch eine der Grundregeln, die eigentlich jedem Profi rational klar sind, gegen die gleichwohl immer wieder verstoßen wird. »Das Wichtigste ist, dass man sich nicht drückt, sondern unangenehmen Dingen stellt«, sagt Peter Pietsch – und gibt zu, dies sei in der Praxis manchmal »sehr, sehr schwer«. Es gebe Situationen, in denen es nicht damit getan sei, eine Pressemitteilung herauszugeben oder Anfragen zu beantworten. Der Commerzbank-Sprecher rät, dann lieber eine Pressekonferenz zu geben, auf der die verantwortlichen Manager Rede und Antwort stehen.

Genau dies fordert auch der Kommunikationsberater Marcus Knill, über seine Schweizer Heimat hinaus bekannt für seine unverblümten Analysen öffentlicher Auftritte von Spitzenmanagern: »Der Kapitän gehört auf Deck.« Auf seiner Website präsentiert der erfahrene Coach gleich mehrere Fälle, in denen das Top-Management es vorgezogen habe, auf Tauchstation zu gehen. Nach der Kollision zweier Flugzeuge über dem Bodensee im Juli 2002 sei Alain Rossier, Vorstandschef der für das Unglück verantwortlichen Flugsicherung Skyguide, für die Medien nicht greifbar gewesen. Nach dem Amoklauf eines Mitarbeiters der Zürcher Kantonalbank vor zwei Jahren habe deren Generaldirektor seinen Personalchef vorgeschickt und erst mit zwei Tagen Verspätung den Journalisten Rede und Antwort gestanden. Schließlich ein Beispiel, das international Aufsehen erregte: Als im Herbst 2001 die Finanzkrise der Swissair eskalierte und Passagiere in aller Welt festsaßen, habe sich der oberste Manager der Großbank USB, Marcel Ospel, den ganzen Tag lang abschotten lassen, um sich um eine klare Aussage zur Rettung der Fluggesellschaft zu drücken. Dies habe nicht nur der Reputation der UBS geschadet, sondern dem Vertrauen in Schweizer Banken und in die Schweizer Wirtschaft im allgemeinen. »Für so etwas gibt es keine Entschuldigung«, findet Knill.

Derartige Kommunikationspannen wären bei der Schering AG kaum denkbar. Nicht, dass bei dem renommierten Pharmakonzern immer alles nach Wunsch liefe. In seinen zwei Jahren an der Spitze von CC musste der Allwetter-erprobte Kommunikator Ehrhart durchaus Rückschläge bewältigen – etwa unbefriedigende Ergebnisse klinischer Forschungsprojekte. In besonderer Weise war sein Gegenwind-Know-how im vergangenen Frühjahr gefordert, nämlich bei der Abwehr eines in dieser Form überraschenden Angriffs aus der eigenen Branche: Der Darmstädter Rivale Merck plante die feindliche Übernahme der Schering AG – ein zwischen deutschen Konzernen bis dahin unüblicher Vorgang. In diesen Wochen verbrachte Vorstandschef Hubertus Erlen, mit Marcus Knills Worten gesprochen, ausreichend Zeit auf Deck und nur so viel auf der Brücke und in der Kajüte wie nötig.

Als durchsickerte, was Merck vorhatte, waren Scherings Öffentlichkeitsarbeiter durchaus gewappnet für eine Übernahme-Offerte. Nur mussten die Szenarien, die sie im Rahmen des Issue Managements bis dahin durchgespielt hatten, auf den konkreten Angriff angepasst werden. „Der Vorstand hat auf das Merck-Angebot sehr schnell reagiert“, erzählt Ehrhart. Entscheidend sei die Klarheit der Ansage von Vorstandschef Hubertus Erlen in Richtung Aktienmarkt gewesen: Das Angebot der Hessen sei unangemessen, weil es den wahren Wert und die Entwicklungsperspektiven von Schering nicht berücksichtige.

Wenn es ernst wird, nicht alles selber machen

Rasch stand aber auch fest: Mit Bordmitteln würde die anstehende Arbeit nicht zu bewältigen sein, so schnell gibt niemand ein Milliardenprojekt auf. Darum zog Schering außer zwei Investmentbanken und Rechtsberatern auch die Kommunikationsagentur Brunswick hinzu. »Gemeinsam haben wir alle unsere Kommunikationsziele erreicht«, sagt Ehrhart, »und sind darauf auch ein bisschen stolz.« So hätten die Aktionäre zurückhaltend auf die Merck-Offerte reagiert und ein paar Wochen später ein besseres Angebot der Bayer AG angenommen, die als Weißer Ritter auf den Plan trat.

Zu den Kommunikationszielen des CC-Chefs gehörte freilich neben der Stringenz und Konsistenz der Aussagen auch eine offene Informationspolitik innerhalb des Hauses. Die eigentliche Nachricht war zwar von außen gekommen, vom Kapitalmarkt, doch sie löste natürlich Ängste in der Belegschaft aus: Arbeitnehmer befürchten, dass aufgekaufte Firmen anschließend zurückgestutzt werden, weil Synergieeffekte primär beim »Opfer« der Transaktion gesucht werden. Um so wichtiger war in der internen Kommunikation die Message, dass der Vorstand nicht lediglich den Aktienkurs nach oben treiben will, sondern von einem Zusammengehen mit Merck grundsätzlich nichts hält. Als es Hubertus Erlen dann gelang, den Deal mit der künftigen Muttergesellschaft Bayer einzufädeln, blieb es bei der Strategie, die Mitarbeiter stets auf dem Laufenden zu halten – als Prävention gegen einen sich verselbständigenden Flurfunk. »Der erste Gedanke, von dem ich mich verabschiedet habe, ist der, dass es zwischen innen und außen wirklich einen Unterschied gibt«, erinnert sich Christof Ehrhart. »Alles, was man nach außen kommuniziert, muss man sofort nach innen kommunizieren, weil sonst die Mitarbeiter das Gefühl haben: ›Hier werden wichtige Informationen nach draußen getragen, aber ich erfahre sie nicht von meiner Firmenleitung.‹ Das ist tödlich.« Als sehr hilfreich erwies sich dabei, dass bei Schering die Verantwortung für die Kommunikation in einer Hand liegt. So konnte Ehrhart in morgendlichen Lagebesprechungen die Aktivitäten von interner und externer Kommunikation einschließlich Investor Relations gut orchestrieren.

Man kann nicht zu viel kommunizieren

Dass die Stimmung der Schering-Belegschaft trotz der bevorstehenden, wohl auch nicht völlig schmerzfrei möglichen Eingliederung der traditionsreichen Firma in den Bayer-Unternehmensbereich Healthcare sehr gut geblieben sei, schreibt Ehrhart nicht zuletzt dem Umstand zu, dass der Vorstandsvorsitzende und seine Vorstandskollegen immer wieder persönlich über den Fortgang der Gespräche berichtet habe. Fatal sei es, das Informationsbedürfnis der Menschen, die sich über ihre berufliche Zukunft Gedanken machen, zu unterschätzen: »Sie können bei schwierigen Themen nie zu viel kommunizieren. In Phasen der Unsicherheit sucht man nach Informationen und will das Gefühl haben, da ist eine Leine, an der man ziehen kann, und da ist noch jemand auf der anderen Seite.«

Für dieses Gefühl müssen derzeit ganz besonders die Öffentlichkeitsarbeiter der DaimlerChrysler AG sorgen. Dieter Zetsche alias »Dr. Z.« war als Vorstandsvorsitzender erst wenige Wochen offiziell im Amt, als er den Mitarbeitern der Marke Mercedes Medizin der bittersten Sorte verordnete. Seine Diagnose: Mehr als 14.000 Männer und Frauen seien zu viel an Bord; es gebe massenhaft Doppelarbeit in der Verwaltung. Ein Stellenabbau dieser Größenordnung bei einem Konzern, der wieder Gewinne in Milliardenhöhe schreibt, hätte eigentlich heftigere Reaktionen auslösen müssen als die Schließung einer Waschmaschinenfabrik mit »nur« 1.700 Mitarbeitern zwecks Produktionsverlagerung nach Polen. Doch Zetsche – der Chrysler rettete, indem er in den USA 30.000 Stellen strich – wurde nicht zum Buhmann, gegen ihn gab es keinen Streik, keine Großdemonstration, kein empörtes Politikerstatement. Selbst die Meinungsführer in den Redaktionen von Spiegel und Bild-Zeitung berichten über das Sanierungsprogramm von »Doctor Zee« weniger aufgeregt, als man hätte erwarten können.

Dass ihm dieses Kunststück gelungen ist, dass er – auch in seiner Kommunikation – den Drahtseilakt zwischen den unterschiedlichen Wahrheiten meistert, in denen »seine« Stakeholder auf Investoren- und Mitarbeiterseite leben, könnte damit zusammenhängen, dass er in seiner Zeit in den USA ein gehöriges Glaubwürdigkeitskapital angespart hatte, dessen Zinsen er nun abheben kann. An die Notwendigkeit für einen CEO, sich beizeiten zu profilieren, glaubt auch Peter Pietsch: »Wer nicht präsent ist und sich nicht zeigt, hat sicherlich schlechtere Karten als jemand, dessen Glaubwürdigkeit die Öffentlichkeit glaubt einschätzen zu können.« Eine medienanalytische Studie von Observer für das Magazin »Pressesprecher« ergab denn auch, dass Zetsches Werte für »Sympathie« und »Glaubwürdigkeit« beim Höchstwert, einer glatten Eins, liegen.

Forschungsobjekt: Wahrnehmungsmanagement

Wie der Vergleich mit anderen Sanierungsaktivitäten der jüngsten Zeit, etwa in der Finanzdienstleistungsbranche, zeigt, hängt die öffentliche Wahrnehmung einschneidender Entscheidungen nicht direkt von objektiven Faktoren wie der Zahl der Betroffenen ab und auch nicht allein von der Frage, ob die Existenz des jeweiligen Unternehmens sichtbar in akuter Gefahr ist. Offensichtlich wiegt die Reputation von Protagonisten und Marken – oder der Quotient aus beiden? – schwerer als manche Fakten. Ein zweijähriges Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim soll jetzt Antworten auf die Frage geben, wie Glaubwürdigkeit systematisch aufgebaut und gestärkt werden kann. Bei einer Befragung von Praktikern und Beratern war die Hohenheimer PR-Forscherin Simone Huck zu dem Schluss gekommen, dass Glaubwürdigkeit Ergebnis eines Prozesses ist, der sich bewusst planen lässt. Dabei spielen laut Huck neun Faktoren zusammen: Klarheit und Verständlichkeit; Nachvollziehbarkeit, Nachprüfbarkeit und Vollständigkeit; Wiedererkennbarkeit und Zurechenbarkeit; emotionale Nähe und Timing.

Imai-Alexandra Roehreke, Geschäftsführerin der Roehreke Image + Strategie GmbH, fände es in diesem Zusammenhang ratsam, mit falschen Prämissen aufzuräumen und die Funktionsweise der Wirtschaft nüchtern zu erklären. »Es ist ein Irrtum, dass es der Zweck eines Unternehmens sei, Arbeitsplätze zu schaffen«, stellt die Münchner Kommunikationsexpertin klar – und verweist auf ein weiteres Problem, dessen sich die PR-Abteilungen annehmen sollten: »In den Medien geht völlig unter, dass Unternehmen enorm viel für ihre Mitarbeiter tun« – gerade auch für jene, die sie entlassen. Roehreke: »Da wird ein Teil der Wirklichkeit ausgeblendet.«

Natürlich ist das nicht unbedingt die Sorte Stories, auf die die Bild-Zeitung aus ist. So sieht Michael Reinert, der als Geschäftsführender Gesellschafter bei der A&B Communications Group die Bereiche Corporate Communications und Kapitalmarktkommunikation verantwortet, Wirtschaftskapitäne bereits in einer Reihe mit Klinsmann, Wussow und Simonis: »Publikumsmedien wie Bild haben neben den Helden aus dem Sport und dem Showbusiness oder auch den Negativhelden aus der Politik eine neue Kategorie von Akteuren für ihr Campaigning-Format entdeckt.« Durch die große Bedeutung, die Wirtschaftsthemen inzwischen für breite Leserschaften hätten, steige die Gefahr der Schwarzweiß-Malerei in diesem Bereich, meint Reinert: »Die Popularisierung solch komplexer Issues erfolgt vor allem durch Personalisierung und Polarisierung.« Will heißen: Die Begeisterung für den Doktor Z. könnte eines Tages in ihr Gegenteil umschlagen.

Eine Medienschelte hält Reinert indes für sinnlos. Journalisten hätten ihrem Selbstverständnis nach einerseits ein Wächteramt in der Gesellschaft, andererseits seien die Verlage, für die sie arbeiten, Wirtschaftsunternehmen, die untereinander im Wettbewerb stehen. Auch Roehreke unterstellt den Redaktionen keinen bösen Willen, bedauert aber, dass der »Arbeitsdruck ihnen zu wenig Zeit lässt, über Themen nachzudenken«. Die Folgen, die sich aus dieser Entwicklung der Medienbranche ergeben – stärkere Fixierung auf Scoops, eine Neigung zur Skandalisierung – gehören nach Ansicht von Reinert aber selbstverständlich auf die Agenda der PR-Profis, ebenso wie das »Monitoring und Management von Themenkonjunkturen«, die Teilen der Wirtschaft schon mal ein Schlagwort wie »Heuschrecken« bescheren.

Den Stier bei den Hörnern packen

Dass Management und Kommunikatoren auch sehr starken Gegenwind aushalten und überwinden können, wenn sie ihn von vorneherein einplanen, weiß er aus eigener Erfahrung. Ein inzwischen fast klassisches Beispiel: Seine Agentur, damals noch unter dem Namen Ahrens & Behrent unterwegs, hat Vodafone bei der Übernahme der Mannesmann AG beraten, die gerade den Turnaround vom Röhrenhersteller zum Telekommunikationskonzern gemeistert hatte. »Wenn ihr hier in Deutschland aufschlagt, werdet Ihr in den ersten Wochen auf überaus massiven, medial forcierten Widerstand treffen«, habe er den Briten damals vorhergesagt. Schließlich sei es um »eine der Industrieperlen des Landes« gegangen. Die erste Reaktion werde heftige Entrüstung sein: »Jetzt kommt ihr und stoppt den Steilflug von Phönix.« Also wurde eine »Bugwelle des Widerstands« eingeplant, Schock und Gegenreaktion. »Dann beruhigen sich die Leute, fangen an, sich mit den Argumenten zu beschäftigen. In dieser zweiten Phase müssen Sie starke, überzeugende Botschaften kommunizieren, warum die Verbindung für beide Seiten ein großer Gewinn ist.«

Ganz ähnlich denkt auch Christof Ehrhart. Kommunikation werde am besten proaktiv betrieben, mit klaren Argumenten. »Passivität und Reaktivität sind der Tod«, warnt der oberste Kommunikator von Bayer Schering. Wer ein schwieriges Thema habe, müsse den Stier bei den Hörnen packen. Was er zu Kollegen sagt, die es besser finden, keine schlafenden Hunde zu wecken? »Meine Erfahrung ist: Es gibt keine schlafenden Hunde!«

Aus „Profile“, dem Kundenmagazin von Observer Argus Media (heute Cision); Ausgabe 4 • 2/2006


Sie sind der oder die 2832. Leser/in dieses Beitrags.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert