Die neue Windows-Generation polarisiert. Anwender bejubeln überfällige Fortschritte, doch IT-Chefs treten auf die Bremse: Vielen scheint die nötige Aufrüstung der PC zu aufwendig. Richtig geplant, kann ein Umstieg aber durchaus lohnen.
Text: Ulf J. Froitzheim
Falls der Greenpeace-Aktivist Beau Baconguis Recht hat, ist Microsoft ein beängstigend gutes Produkt gelungen. Dann sorgt Vista, die sechste Generation des Betriebssystems Windows, in Firmen und Privathaushalten für einen Innovationsschub von ungeahnter Breitenwirkung – auf Kosten der Umwelt, die unter einer giftigen „Sintflut von Elektronikmüll“ leiden wird, die sich aus den reichen Industrieländern in die Dritte Welt ergießt.
Software als ökologische Bedrohung? Die in der Blogosphäre zirkulierende Warnung des Umweltschützers aus Manila ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Baconguis beruft sich auf Marktforschungsdaten der US-Firma Softchoice. Denen zufolge wäre jeder zweite PC rnit der neuen Basissoftware überfordert und gerade einmal sechs Prozent der Geräte könnten die Top-Version Vista Ultimate ausschöpfen.
Mit seiner Befürchtung, Microsoft-Kunden würden nun massenhaft funktionierende Computer das auf den Schrott werfen, nur um das neue Windows zu nutzen, steht der Greenpeace-Mann allerdings ziemlich allein. Tatsächlich müssen sich technikbegeisterte Mitarbeiter in den meisten Betrieben viel länger mit dem Umstieg gedulden, als ihnen lieb ist. „Wir warten ab, bis die Privatkunden Vista in der Praxis gründlich ausgetestet haben“, sagt der IT-Chef eines großen deutschen Automobilzulieferers hinter vorgehaltener Hand. Stabil und zuverlässig laufe eine neue Windows-Version erfahrungsgemäß erst ab dem zweiten Servicepack – so nennt Microsoft seine voluminösen Datenpakete, die ein, zwei Jahre nach Markteinführung geliefert werden, um die Kinderkrankheiten der Erstversion zu kurieren. Mit seiner Skepsis steht der EDV-Manager nicht allein: Als der Onlinefachdienst Silicon.com zum Vista-Start im November 2006 ein Dutzend britische Chief Information Officers nach ihren Plänen befragte, sprach sich nur ein einziger für eine rasche Nutzung aus. Auch Unternehmensberatungen wie die Gartner Group warnen konsequent vor zu schnellem Aktionismus.
Die wenigen Großkunden, die jetzt schon auf Vista setzen, haben dies von langer Hand vorbereitet – wie niedersächsische Justizministerium. Es rüstet die 15000 Computerarbeitsplätze seiner 180 Dienststellen bis Ende 2008 mit Vista aus. Die Behörde gehört seit 2004 zu den Pilotkunden, denen der US-Softwareriese alle Prototypen zum Testen überlassen hat. „Wir überspringen zwei Windows-Versionen“, freut sich Staatssekretär Jürgen Oehlerking, „damit sparen wir erhebliche Umstellungskosten.“ Trotz der groß angelegten Modernisierung, die unter dem Motto „E-Government“ steht, bekommen aber längst nicht alle Beamte neue PC. Ausgemustert werden fast nur Geräte, die ohnehin fällig gewesen wären.
Viele Computer lassen sich nämlich so nachrüsten, dass wesentliche Vista-Angebote funktionieren – beispielsweise die beschleunigte Suche nach Dokumenten, die im digitalen Dickicht verschütt gegangen sind. „Oft reicht es schon, den Arbeitsspeicher zu erweitern“, kontert Microsoft-Manager Bastian Braun den nicht nur von Greenpeace erhobenen Vorwurf, sein Unternehmen habe ein ressourcenhungriges Softwaremonster in die Welt gesetzt.
Der Einbau eines zusätzlichen Chip-Riegels zum Preis von 50 bis 100 Euro ist in der Tat keine große Sache. Auch die anderen technischen Hürden sind für einen halbwegs versierten Computerbesitzer überwindbar: Auf dem Startlaufwerk muss er notfalls 15 Gigabyte freischaufeln, bevor er Vista installieren kann. Außerdem könnte eine bessere Grafikkarte erforderlich sein. Was genau geht und was fehlt, kann der PC-Besitzer mit einem kostenlosen Diagnoseprogramm aus dem Web feststellen. Das findet sich über die Suche nach dem Upgrade Advisor auf Microsoft.de. Sofern der Administrator keinen
Riegel vorgeschoben hat, funktioniert dieser Test auch mit dem PC im Büro.
In der Praxis wird es nicht leicht fallen, die IT-Verantwortlichen zu überzeugen, Vista auf dem Firmen-PC oder -Notebook zu installieren – obwohl das System neue Sicherheitsfunktionen hat und im Vergleich zu XP die Arbeit erleichtert. Hauptproblem ist die Anwendungssoftware. Außer Microsofts Vielzweckwaffe Office 2007, die in der niedersächsischen Justiz gleichzeitig mit Vista eingeführt wird, sind erst wenige Produkte auf das neue Windows abgestimmt. Anwender des Büropakets Lotus Notes etwa müssen sich bis zum Sommer gedulden. Noch heikler ist es für Unternehmen, die viele individuell entwickelte Programme einsetzen. Diese sind oft noch nicht einmal an den Vista-Vorgänger XP angepasst. Darum besteht mancher Geschäftskunde bei der Anschaffung neuer Rechner sogar auf einem Uraltbetriebssystem.
Für Techies ist das ein echtes Problem: Da kann es passieren, dass der neue Arbeitsplatzrechner dem betagten PC im heimischen Kinderzimmer um Jahre hinterherhinkt.
Kampf den alten Windows-Macken
Das neue System bietet unbestreitbar große Vorteile. Für Privatanwender halten sich die nötigen Investitionen im Rahmen.
❏ Schnelle Suche. Das Auffinden von Dokumenten geht flotter. Wie Apples System OS X erstellt Vista zu jeder Datei einen Index-Eintrag; die Trefferliste erscheint nach Sekunden. Die Anzahl falscher Ergebnisse kann der Nutzer minimieren, indem er neuen Dateien eigene Markierungen anhängt.
❏ Besserer Schutz. Das neue Windows hat mehr Sicherheitsfunktionen als sein Vorgänger XP, etwa zur Abwehr von Phishing-Attacken durch Passwortdiebe.
❏ Weniger Abstürze. Aero, die neue Benutzeroberfläche, ist für Puristen nur Blendwerk mit einem Touch von Apple-Chic. Dahinter steckt eine Technik, die auch jene Abstürze verhindern soll, bei denen Nutzer plötzlich vor einem blauen Bildschirm sitzen. So nimmt die Grafikkarte dem Hauptprozessor einen großen Teil der Aufgaben ab, die ihn bei XP überforderten. Nebeneffekt: Fensterrahmen ziehen beim Verschieben keinen Schweif mehr hinter sich her.
❏ Gefräßiger Speicher. Offiziell braucht Vista ein halbes Gigabyte Hauptspeicher,
Experten raten zu einem, besser zwei Gigabyte. Zudem sind die Systemdateien so voluminös, dass auf dem Startlaufwerk (meist C:) mindestens 15 Gigabyte frei sein müssen – plus Reserve. Die elegante Aero-Oberfläche funktioniert nur, wenn der interne Speicher der Grafikkarte auf dem neuesten Stand der Technik ist.
❏ Mehr Versionen. Startete der Vorgänger XP 2001 mit zwei Varianten, kann sich der Vista-Käufer nun für Home Basic oder für eins von vier weiteren Produkten entscheiden. Wer seinen Heim-PC aufrüsten will, bekommt beim Paket Home Premium alles Wesentliche für 199 Euro. Firmen haben die Wahl zwischen der Grundversion Business und der Großabnehmervariante Enterprise. Der mobile Manager wird allerdings das Top-Modell Ultimate vorziehen. Es kombiniert die Unternehmensfunktionen mit den Multimediaextras der Heimcomputerversion.
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