coca-cola gilt als Musterbeispiel für standardisierte Markenbildung. Das gilt nicht nur die Rezeptur und die Werbung. Die größten coca-cola-Abfüller haben sich auf einheitliche Prozesse geeinigt und richten ihr Geschäft an einer mittels ARIS konstruierten Modellfirma aus.
Oft kopiert, nie erreicht – auf kein Markenprodukt passt dieser Spruch besser als auf Coca-Cola. Das Getränk aus den USA ist der Inbegriff für perfekte Produktstandardisierung: Obwohl der Konzern aus Atlanta die Herstellung des Weltgetränks an über 200 Abfüller mit vielen Standorten delegiert hat, kann sich die treue Kundschaft auf den Geschmack verlassen. Bis an den Rand der Zivilisation signalisiert das rot-weiße Logo: Coca-Cola ist Coca-Cola.
Verantwortlich dafür ist „das System“. So heißt im Insiderjargon der Verbund aus dem Stammhaus, The Coca-Cola Company in Atlanta und den selbständigen Regionalgesellschaften. „Das System“ arbeitet Hand in Hand. Unter dem Namen Scale gibt es ein ehrgeiziges Projekt der Firmengruppe, das perfekt zur Unternehmenskultur passt: Coca-Cola will die gesamten Geschäftsprozesse aller Abfüller auf „World Class“-Niveau vereinheitlichen. Mittels Aris entwirft der Verbund einen mustergültigen Partnerbetrieb, der in Form eines SAP-Templates mit dem Namen „Coke 1“ 99 Prozent der Prozesse abbildet, die bei allen „Bottlers“ identisch sind.
Obwohl es um den Umbau praktisch der gesamten Organisation des „Systems“ geht, folgt die US-Zentrale keinem Top-Down-Ansatz mit zentralen Vorgaben. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsleistung der Partner. „An Scale nehmen die elf großen Abfüller teil, die über 80 Prozent zum weltweiten Geschäft von Coca-Cola beitragen“, erklärt Brett Cunningham, der als „Scale Application Integration Leader“ für die Coca-Cola of South Africa Bottling Company arbeitet.
Cunningham ist verantwortlich für das Herzstück des Projekts, das SAP-Template. Deshalb fungiert er quasi als Gastgeber für die 150 involvierten Experten aus fünf Kontinenten, die sich jede vierte Woche in Port Elizabeth zu Workshops zusammensetzen – ein gemischtes Team aus Managern des „Systems“ und externen Spezialisten von SAP und IDS Scheer.
Ausgangspunkt für Scale war vor gut drei Jahren die Erkenntnis des Managements, dass es so etwas wie eine „Bottler Best Practice“ geben müsse: Mit welchen Prozessen wurden die besten Erfahrungen gemacht. Tatsächlich gab es, wie Cunningham auf der Process World 2007 erklärte, beträchtliche Unterschiede zwischen den Abfüllern hinsichtlich ihrer Geschäftsprozesse und IT-Kompetenzen.
Mehr IT-User
Eine Analyse der typischen Geschäftsprozesse, in die Experten aus allen Geschäftsbereichen eingebunden waren, lieferte die Gewissheit: Der Grad an Übereinstimmung war extrem hoch, doch im buchhalterischen Bereich und Personalwesen gab es signifikante Anteile an länderspezifischen Besonderheiten, die sich nicht ohne weiteres in einem globalen Standardmodell abbilden ließen. Beim Prozess „Market to Cash“ deckten sich die Anforderungen zu 94 Prozent, bei „Forecast to Deploy“ zu 99 Prozent, bei „Procure to Pay“ waren sie sogar zu 100 Prozent identisch. Über alle Haupt-Prozesslinien hinweg ergab sich, dass 94 Prozent leicht und weitere fünf Prozent mit vertretbarem Aufwand standardisierbar waren, lediglich ein Prozent wurde als hochspezifisch klassifiziert.
Da Prozentzahlen allein wenig aussagen, berechneten die Experten so genannte Wertindikatoren, an denen das Management exakt ablesen konnte, welchen finanziellen Effekt das Prozess-Streamlining konkret bewirken würde. Im Process Assessment wurden die Prozesse an Hand von 18 Kategorien auf ihre Einsatzfähigkeit geprüft. Jeder Abfüller erhielt einen individuellen „Assessment Report“, der den Verbesserungswert bezifferte. Die Zahlen sprachen eine klare Sprache: Per Saldo wurden fünf Prozentpunkte Margenverbesserung als realistische Zielgröße kalkuliert. Die durchschnittlichen Verwaltungskosten sollen von 7,2 um ein knappes Drittel auf 5 Prozent des Umsatzes sinken, der Aufwand für Marketing und Vertrieb um ein Zehntel von 23,4 auf 21 Prozent und der für die IT um ein Viertel von 2,2 auf 1,7 Prozent.
99 Prozent der Prozesse sind identisch
Die Zwischenbilanz von Brett Cunningham, der als Pionier den besten Überblick hat, ist positiv: „Der Ansatz hat funktioniert, er war effizient, die richtigen Experten waren dabei. Es herrschte ein großer Teamgeist und eine große Motivation, das Projekt voranzutreiben.“ Zu den Lektionen gehört allerdings auch die Erkenntnis, dass die Prozessoptimierung wenig Zeit lässt für andere Initiativen. Außerdem sei zwar der IT-Aufwand pro Nutzer gesunken, doch die Zahl der Enduser habe sich um 40 Prozent erhöht.
Wertschöpfung, ist Cunningham überzeugt, kann nur durch einen klaren Fokus auf optimale Prozesse verbessert werden. Drei Faktoren sind wichtig: Menschen, Prozesse und Technik. Doch nur wenn Management und Mitarbeiter die „BPM-Philosophie“ verinnerlicht haben, kann es funktionieren. Die Mitglieder des Coca-Cola-Systems einigten sich deshalb auf einen ganzheitlichen Prozessmanagement-Ansatz mit einem strikten Governance-Überbau. Die wichtigsten Prinzipien und Regeln hat das Team in einem „BPM Governance Rule Book“ festgeschrieben. Alles ist genau geregelt – bis hin zu einem Prozess für kontinuierliche Verbesserung, der über institutionalisierte Feedback-Schleifen allen Beteiligten zugute kommen soll.
Cunningham lässt freilich keinen Zweifel daran, dass alle Beteiligten sich der Gemeinschaft unterzuordnen haben: „Scale ist für jeden beliebigen Prozess die verbindliche Quelle.“ Hierfür steht bei jedem Abfüller ein „GBPL“ (Global Business Process Lead) als „Business Process Owner“ gerade, der genau weiß, dass ein zentrales Supportteam die Qualität der Dokumentation der Prozesse überprüft. Schließlich betrachte das System die Prozesse als „Assets“, sprich: als immaterielle Investitionsgüter.
Marge wurde verbessert
Dafür muss geplant und einheitlich geführt werden. Es gehe darum, den Enduser als „Kunden“ des Projekts zu begreifen: „Der muss das Ganze verstehen, sonst akzeptiert er es nicht.“ Deshalb gehören zu Scale auch Multiplikatoren, die das Wissen in die Organisation tragen und Überzeugungsarbeit leisten – vom „Country Champion“, der in seinem Land das Projekt vorantreibt, bis hinunter zum „Super-User“, der den normalen Usern in seiner Abteilung auf die Sprünge hilft. Denn: „BPM ist keine natürliche Lebensweise für einen Betrieb“, sagt Cunningham.
aus Scheer Magazin 1.2008
Sie sind der oder die 3464. Leser/in dieses Beitrags.