Eine Delegation ist eigentlich – so steht es in meinem Fremdwörter-Duden – eine Abordnung von Bevollmächtigten, die zu Tagungen oder Konferenzen entsandt wird. Teilnehmer sind hauptamtliche und/oder ehrenamtliche Mitarbeiter der entsendenden Organisation, sie bezahlt normalerweise auch deren Reisekosten.
Der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) nimmt das nicht (mehr) ganz so genau – jedenfalls wenn man seiner Website noch vertrauen darf. Anders als zu meiner aktiven Zeit als Funktionsträger kann demnach jetzt jedes BJV-Mitglied, das gerne auch einmal zu etwas delegiert werden möchte, Mitglied einer Delegation des Verbandes werden, die Ende September nach Montenegro reist. Allerdings für Geld:
„Im Preis von € 620,– sind folgende Leistungen eingeschlossen:
Linienflug mit der Montenegro-Airlines Frankfurt – Podgorica – Frankfurt
Übernachtung/Frühstück im Hotel Crna Gora im Centrum von Podgorica
Transfers Flughafen – Hotel, zum Skutariesee und zum Naturreservat Zabljak“
Weil sich das liest wie Werbung für eine, sagen wir mal, Leserreise des Nürnberger Antim-Verlags, weist der BJV auf seiner Website eigens darauf hin, dass dem nicht so, sondern ganz anders ist:
„Es ist eine Informations- und Bildungsreise für Mitglieder des Bayerischen Journalistenverbandes und angeschlossener Organisationen“
Daran irritiert mich… nun, so ziemlich alles:
Für die so genannte Delegation werden Kollegen gesucht, denen man erst einmal in bester Dr.-Tigges-Prosa erklären muss, dass Montenegro „ein Land voll wilder Schönheit“ ist und was in den vergangenen 900 Jahren dort so alles los war (soweit das in einen Absatz passt).
Mit diesem Trupp von Menschen, die so einen Mini-Crashkurs zu benötigen scheinen, um das erforderliche Mindestmaß an Landeskunde zu erwerben, fliegt der Reiseleiter – also der 1. Vorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel – dann von Frankfurt (!) nach Podgorica zu Gesprächen…
…mit dem Ministerpräsidenten der Republik Montenegro Igor Luksic und dem Oppositionsführer Nebosja Medojevic…
…womit offenbar Igor Lukšić und Nebojša Medojević gemeint sind, also Lukschitsch (nicht Luksitz) und Ne-boy-scha (nicht Ne-boss-ja) Medojewitsch (nicht Medojewitz), und den…
…Redaktionen der Tageszeitungen Vijesti und Dan, wo wir uns mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen wollen.
Da wird es viel auszutauschen geben – wenn der Delegierte nicht in einer Rundfunk- oder Onlineredaktion arbeitet, also bei einer dieser elektronischen Mediengattungen, die in einem so kleinen Land vermutlich irrelevant sind. 🙁
Die Touristengruppe Journalistengruppe Delegation fliegt also am Donnerstag los, absolviert am Freitag zu büroüblichen Zeiten das Pflichtprogramm, verbringt das Wochenende notgedrungen mit Sightseeing*, weil ja leider kein Gesprächspartner im Büro ist, und frühstückt am Montag vor der Abreise noch mal mit irgendwelchen montenegrinischen Kollegen, die gerade Zeit haben.
* Übrigens: der Skutarisee schreibt sich nur mit i, nicht mit ie, und die Exkursion am Sonntag geht vermutlich in den Durmitor-Nationalpark bei Žabljak (= Schabeljack, nicht Tsabeljack), denn „Zabljak“ ist kein Naturreservat, sondern ein Dorf in diesem Durmitor-Park.
Nun kann man sich natürlich fragen, ob so ein Text wirklich vom BJV stammt oder ob ihn nicht ein Hacker auf die Website gepflanzt hat, weil er den BJV-Slogan „Kompetenz und Qualität“ lächerlich machen will.
Für diese Hypothese sprechen die restlichen Merkwürdigkeiten:
Der Journalisten-Verband schreibt sich grundsätzlich mit Binde-Strich, also nicht „Journalistenverband“.
Die einzige dem BJV angeschlossene Organisation ist das Bildungs- und Sozialwerk des BJV, und dessen Mitglieder sind qua Amt leitende Funktionäre des BJV. Vom DJV, der EFJ und der IFJ würde ich dagegen – bei allem Respekt vor bayerischem Selbstbewusstsein – eher nicht sagen, dass sie dem BJV angeschlossen wären.
Nicht einmal die Telefonnummer des Antim-Verlags von Werner Wunder, der die naturkundliche Bildungsreise „durchführt“, stimmt: Nürnberg hat die Vorwahl 0911 und nicht 0199. Gäbe es die, wäre es eine Premium-Rate-Abzocknummer.
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