Kollege Bülend Ürük beschreibt auf kress.de seine Verwunderung darüber, dass es in Berlin und Brandenburg drei Regional-DJVs gibt, von denen zwei derzeit Probleme mit Funktionären haben, die in jungen Jahren für das MfS der DDR tätig waren oder gewesen sein sollen.
Deshalb ist es vielleicht hilfreich, noch einmal rückblickend die Entstehungsgeschichte dieser Landesverbände zu erzählen. Nach der Wende hatten Kolleginnen und Kollegen in den fünf „neuen“ Ländern jeweils einen DJV-Landesverband gegründet, der sich dem in Bonn ansässigen Bundesverband anschloss, während sich der Westberliner Landesverband der Ostberliner Kollegen annahm. Ein gemeinsamer Verband für Berlin und Brandenburg war vor der Fusion von ORB und SFB zum RBB noch kein Thema. Der Brandenburger Verband war ein Zwerg, verglichen mit dem in der Hauptstadt.
Bewegung kam erst 2004 in die Sache. Der alte Berliner Journalistenverband hatte über seine Verhältnisse gelebt. Die Miss- und Vetternwirtschaft seiner Funktionäre ging so weit, dass die eigentlich als Benefizveranstaltungen gedachten Pressebälle tiefe Löcher ins Säckel rissen – und anders als im Bayerischen Journalisten-Verband waren die Verantwortlichen nicht bereit, auf ihren prestigeträchtigen Ball zu verzichten. Deshalb wackelten vor der Vorstandswahl 2004 die Stühle der Funktionäre. Dass der für das Desaster verantwortliche Vorsitzende Alexander Kulpok seinen Posten doch noch retten konnte, verdankte er einer Gruppe von Neumitgliedern, die fast alle in Berlin wohnten und sich vom Landesverband Brandenburg in den eigentlich für sie zuständigen Berliner Verband hatten „überweisen“ lassen. Solche Mitgliedertransfers waren damals ein von der Satzung tolerierter Bypass, mit dem sich die Prüfung durch den Aufnahmeausschuss des aufnehmenden Landesverbandes umgehen ließ. Mit anderen Worten: Ein Landesverband hatte dann keine Kontrolle, was für Gestalten er als Mitglieder aufnahm.
Tatsächlich waren die Neuen, die en bloc für Kulpok und seine Getreuen stimmten, erst wenige Wochen vor der Berliner Wahl in den Brandenburger Verband eingetreten, bei dem seinerseits die Vorstandswahl angestanden hatte. Der Brandenburger Vorstand war damals froh um jedes zahlende Mitglied und deshalb nicht misstrauisch geworden, als ein in Berlin wohnender Funktionär plötzlich einen ganzen Schwung Aufnahmeanträge auf einmal angeschleppt hatte. Dieser Funktionär hieß Torsten Witt und hatte sich auf eine schwer erklärbare Weise die Mitgliedschaft im Journalistenverband erschlichen – vielleicht weil er mal bei der Jungen Freiheit reingeschnuppert hatte. Eigentlich war dieser angebliche freie Journalist aber Teilhaber einer Firma namens MKM media (einer Druckerei mit angeschlossenem Kleinverlag) und zugleich Geschäftsführer eines Charlottenburger Reisebüros namens TAR (Thai-Asia Reisen). Beobachtern der rechten Szene war er kein Unbekannter. Ihnen war Witt aufgefallen als stramm nationaler Aktivist im Bund freier Bürger und der Landsmannschaft Thuringia zu Berlin; es gibt ein Foto, auf dem er an der Seite von Horst Mahler demonstriert.
Zuerst gelang Witt mit Hilfe der Neumitglieder ein Coup d’état in Potsdam. Er stürzte den braven Vorsitzenden Wilfried Specht und bildete mit dem erst jetzt (anno 2015) wegen seiner MfS-Vergangenheit zurückgetretenen Bernd Martin das Führungsduo. Martin hatte bis dahin den Ruf des Proporz-PDS-Linken in der Brandenburger Führungsriege, mit dem man leben musste. Das Misstrauen ihm gegenüber war zumindest in den westlichen Landesverbänden recht deutlich spürbar. Nun paktierte er mit einem Rechten.
Kaum im Amt, formierte Witt aus seiner in den DJV-LV Brandenburg eingeschleusten Clique die Hilfstruppe für Kulpok und organisierte ihre Überweisung nach Berlin. Diese Leute waren übrigens bis auf ein paar Ausnahmen keine Journalisten, auch wenn einige von ihnen einem obskuren, von Witt gegründeten Verein namens „Verband Junger Journalisten“ (VJJ) angehörten. Unter ihnen fanden sich etliche Kaufleute, etwa aus der Reisebüro- und Immobilienbranche, aber auch Gastronomen und eine Schauspielerin, die man hätte kennen können, sollen oder gar müssen; sie ist die Halbschwester eines VJJlers, aus dessen Kontaktnetz besonders viele der Scheinjournalisten kamen. Kulpok konnte dank der formal legalen, aber illegitimen Stimmen seine Abwahl abwenden. Für ein paar Witt-Gefolgsleute fielen dabei Pöstchen ab. Der mittlerweile verstorbene Witt führte zeitweise sogar die Geschäfte des Berliner Verbands.
Die Kombination aus Wahlmanipulation und Witts schlechtem Ruf als Mann des äußersten rechten Rands veranlasste den DJV-Gesamtvorstand bereits wenige Wochen nach der Wahl von 2004, einen außerordentlichen Bundesverbandstag einzuberufen, auf dem die beiden unter Witts Einfluss stehenden Landesverbände Berlin und Brandenburg aus dem DJV ausgeschlossen wurden. Damit die Journalisten der Hauptstadtregion Mitglieder des DJV bleiben konnten, wurden zwei getrennte neue Landesverbände gegründet. In den Folgejahren gab es dann aber 18 Landesverbände in den 16 Ländern, denn die beiden ausgeschlossenen Vereine klagten erfolgreich gegen ihren mit überwältigender Mehrheit beschlossenen Rauswurf. Die Lektion für den DJV hieß: Es ist schon schwer, ein einfaches Mitglied wegen verbandsschädigenden Verhaltens loszuwerden; einem sich bundesverbandsschädigend verhaltenden Vorstand eines Landesverbandes kommt man juristisch gar nicht bei.
Auch viele Gegner der Kulpok-Witt-Seilschaft blieben ihrem alten Berliner Landesverband treu. Zu den Wortführern dieser Fraktion gehörte neben Burkhard Schröder der jetzige Vorsitzende Bernd Lammel, der vor Bernd Martin Ärger wegen seiner Stasi-Akte bekam. Nachdem es den Altberlinern endlich gelungen war, Kulpok & Co. aus dem Amt zu jagen, versuchte der Gesamtvorstand des Bundes-DJV, die beiden Hauptstadtverbände zu einer Fusion zu bewegen. Tatsächlich gelang nur eine Verschmelzung der beiden Neugründungen in Berlin und Brandenburg. Dieser Doppel-Landesverband (JVBB) wird heute von Alexander Fritsch geführt, der für den Bundesvorsitz kandidiert. Mit Lammel und seinen Leuten kam er bis heute nicht auf einen Nenner.
Dass neben diesen beiden Haupt-Playern auch Bernd Martins Zwergverband die Zeitläufte überlebte, ist eine ganz andere Geschichte, deren Hauptrolle der westdeutsche Rundfunkjournalist, Kommunikationsberater und Gewerkschaftshasser Hans Werner Conen spielte. Der Mann stand an der Schwelle zum Rentenalter und hatte sich in einen heillosen Kleinkrieg mit „seinem“ DJV-Landesvorstand in Baden-Württemberg verstrickt. Freiberufler Conen, dem die Selbstdefinition des DJV als „Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten aller Medien“ ein Dorn im Auge war, wechselte zum Potsdamer Verband, und als Witt eines Tages todkrank im Krankenhaus lag, ließ er sich zu dessen Nachfolger küren. Der Vereinsitz blieb Potsdam, aber als Geschäftsstelle diente das Büro eines Conen-Bekannten in Wilmersdorf. Dieser Unternehmer aus der Immobilienbranche übernahm sogar offiziell ein Amt im DJV-Landesverband Brandenburg. Conens Haus stand allerdings weit weg – im Elsass. Nicht weit von dort, auf der französischen Seite des Basler Dreiländerecks, hat sich ein früherer Funktionär des Bayerischen Journalistenverbandes niedergelassen, Klaus Minhardt. Dieser etablierte sich rasch als Conens Rechte Hand, übernahm später die Geschäftsführung und löste inzwischen seinen Mentor an der Spitze des kleinen Vereins ab.
Hieraus erklärt sich die vom kress-Kollegen Ürük mit Erstaunen zur Kenntnis genommene Tatsache, dass der Brandenburger Verein ein Postfach in Weil am Rhein hat – so kaschiert der Vorsitzende, dass sein Wohnsitz Frankreich ist. Die Hausanschrift in Potsdam ist übrigens die Büroadresse von Bernd Martin und somit eigentlich obsolet.
Der so genannte DJV-Landesverband Berlin-Brandenburg ist vergleichbar mit einer Packung Waschmittel, auf der „Persil“ steht, obwohl in ihr nicht 100 Prozent Persil drin ist. Er tut so, als habe er etwas mit der Region zu tun. Es steht zwar DJV drauf, es ist aber nicht die DJV-übliche Demokratie drin: Der Vorstand braucht laut Satzung (wie sie im Internet steht, mit allen Vorbehalten) nicht aus Mitgliedern des Vereins zu bestehen, und gewählt wird er nicht etwa von den Mitgliedern, sondern von einem Aufsichtsrat, der seinerseits nicht mit Mitgliedern des Vereins besetzt werden muss. Weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat muss aus Journalisten bestehen. Nett auch: Der Vorstand bekommt eine Vergütung, deren Höhe der Aufsichtsrat bestimmt. Das klingt nicht nach Vereinsrecht, sondern nach Aktienrecht. Angeblich soll eine neue Satzung kommen – so heißt es seit zwei Jahren. Der Screenshot unten stammt allerdings von heute, dem 15. Oktober 2015.
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Sehr erfreulich, dass sich noch einer an die Geschichte dieser unseligen Landesverbände erinnert. Und daran, dass auch im neuen Skandal noch einer aus dieser untragbaren Clique drinhängt, die München und Oberbayern kaputtmachen wollten.
Bitte den Beitrag an alle Delegierten für den Verbandstag in Fulda weiterleiten – zumindest die bayerischen.
Lieber Herr Henkel,
was sind bitte unselige Landesverbände? Mir hat die Machtübernahme Witt auch nicht gepasst, ich war aber mitschuldig an seiner Wahl, weil ich nicht zur MV gegangen bin. Weil dies auf die Mehrheit der Mitglieder zutrifft, konnte eine kleine Clique den Verband übernehmen. Die Frage ist doch aber gewesen – und das haben die Gerichte geklärt – kann ein Bundeskongress ein Mitglied ausschließen, weil das Wahlergebnis nicht passt? Der DJV Berlin hat sich längst selbst reformiert. Unselig ist da nichts.