Der Fluch, den manche Autoren für einen Segen halten

Liebe Julia Franck,

auf Facebook postete gestern ein Fan Ihren Beitrag aus der Zeit zum BGH-Urheberrechtsurteil im Fall Vogel ./. VG Wort. Erstaunlicherweise hat noch niemand den Text kommentiert. Ich weiß nicht, ob Sie heute noch das Gleiche schreiben würden. Jedenfalls hatten Sie sich seinerzeit wohl sehr einseitig informiert. Sonst hätten Sie nicht so kategorisch behauptet, das Urteil sei „ein Segen für Autoren“. (Wenigstens haben Sie nicht geschrieben „für DIE Autoren“.)

Bevor ich dazu komme, warum das Urteil alles andere als ein Segen für uns ist, für Sie als Schriftstellerin wie für mich als Journalisten, möchte ich ein paar Dinge klarstellen. Als Fundament für Ihren herzlich naiven Beitrag in der Zeit konstruieren Sie nämlich einen Gegensatz, der alte Vorurteile und Klischees recycelt. Mir kamen sofort zwei Assoziationen: Spitzwegs Armer Poet und Erich Kubys Verleger, der aus den Hirnschalen seiner verhungerten Autoren Schampus schlürft. Das waren freilich schon immer Karikaturen. In der Medienwelt des 21. Jahrhunderts ist diese klassenkämpferische Schwarzweißmalerei nur noch peinlich.

Kilometerweit am selbst gewählten Thema, dem BGH-Urteil, vorbei schreiben Sie über Verlage und Buchhandel (in einem Atemzug!), diese seien „allen Klagen über die Auswirkungen der digitalen Revolution zum Trotz im Ganzen noch immer profitable Wirtschaftszweige“. Selbst wenn das eine (der Prozess) etwas mit dem anderen (der Tatsache, dass es Jeff Bezos hierzulande noch nicht gelungen ist, alle Buchhändler und Verleger in den Ruin zu treiben) zu tun hätte, sollten Sie den Zustand der Branche besser kennen. Sie schreiben doch selbst Bücher. Ich erklär’s mal so: Wenn es in einem Haus nur Räume gibt, die auf Null Grad gekühlt sind, und andere, die auf 40 Grad geheizt werden, hat dieses Haus „im Ganzen“ einen angenehme Temperatur von 20 Grad.
Will sagen: Es gibt solche Verlage und solche, solche Autoren und solche. Und wenn Sie die Buchpreisbindung und den ermäßigten Mehrwertsteuersatz als Subventionen für Verlage darstellen (warum schreiben Sie dann eigentlich, dass es die „zum Glück“ gibt?), sind Sie bereits denen auf den Leim gegangen, die den kleinen kulturellen Schutzraum, den sich dieses unser Land leistet, als Handelshemmnis betrachten. Rein ökonomisch betrachtet ist es nämlich nicht nur Unsinn, dass Verlage Bücher für wenige Tausend Leser zu sozialverträglichen Preisen anbieten, sondern auch, dass Autoren sie ohne ein auskömmliches Garantiehonorar überhaupt schreiben.

Sie meinen, „anders“ als Verlage erhielten Autoren „vom Staat keine Subventionen“, auch das Steuerrecht begünstige sie nicht. Wie bitte? Wir Urheber müssen ebenfalls nur sieben Prozent aufschlagen. Aber ist das eine Subvention? Dann werden auch Lebensmittelhersteller subventioniert. Dass Unternehmen „Gewinne in guten Jahren mit Verlusten in schlechten Jahren verrechnen“ können, ist wieder so eine naive Darstellung. Verlustvorträge kann nur ansetzen, wer Verluste macht, also unterm Strich kein Geld verdient, sondern draufzahlt – oder in der Hoffnung auf spätere Gewinne investiert. Ich kenne viele Autoren, die wenig verdienen, aber keine, die Verlust machen. Wenn man es als Urheber schafft, dass die Betriebsausgaben höher sind als die erzielten Honorare, macht man etwas falsch.

So, jetzt kommen wir zur VG Wort, die Sie irrtümlich in den Kontext der Künstlersozialkasse stellen. Die Verwertungsgesellschaft unterhält zwar ein als Stiftung eingerichtetes Autorenversorgungswerk (AVW), das Zuschüsse zur Altersvorsorge zahlt, aber sie selbst ist keine Sozialeinrichtung. Ihre Aufgabe ist nicht die Umverteilung von Geldern im Wege der ausgleichenden Ungerechtigkeit, sondern – analog zur Gema – das Inkasso von Geräte- und Bibliotheksabgaben samt Verteilung des Geldes an die Rechteinhaber. Sie ist gesetzlich verpflichtet, den Autoren, die viele Bücher oder Artikel schreiben, die in hoher Auflage gedruckt werden, mehr  zu geben als denen, die wenig schreiben oder deren Werke nur in Kleinauflagen erscheinen. Von letzteren gibt es sehr viele, aber es sind keine „400.000 Autoren, die an den VG-Wort-Ausschüttungen beteiligt werden“, sondern derzeit knapp 180.000, wie man im Geschäftsbericht nachlesen kann. Die allermeisten davon sind übrigens weder Mitglieder der KSK noch würden sie deren Aufnahmekriterien erfüllen: Nur 43.477 Wortautoren sind künstlersozialversichert, weniger als ein Viertel der KSK-Mitglieder. Wir können also von Ihren 400.000 „zumeist in prekären Verhältnissen lebenden“ freischaffenden Schreibern 89,2 Prozent abziehen – oder eine Null streichen.

Selbst wenn Ihre Verallgemeinerung auf die 43.477 Autoren zuträfe, wenn man also jeder in Teilzeit als freie Journalistin arbeitenden nicht allein erziehenden Mutter andichtete, dem Prekariat anzugehören, wäre damit nichts gesagt über mehr als 135.000 Menschen, die von der VG Wort dieses Jahr ebenfalls eine Überweisung bekommen. Das Spektrum reicht von der Doktorandin, die ihre Dissertation meldet und vielleicht vom Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort sogar einen Druckkostenzuschuss erhält, über den Professor und den festangestellten Redakteur bis zum Blogger, der für oft angeklickte Beiträge Tantiemen aus dem Metis-Topf bekommt. Kurzum: Mindestens drei Viertel der 180.000 Geldempfänger leben entweder gar nicht vom Schreiben (wie der sinnigerweise von Ihnen bemühte Franz Kafka) oder sie schreiben im Rahmen einer Berufstätigkeit, für die sie ein Gehalt beziehen, und/oder in ihrer Freizeit – wie Dr. Vogel. Das heißt, liebe Frau Franck, dass Ihre These, „nicht einmal jeder hundertste“ könne „von seinen Veröffentlichungen leben“, frei in der Luft schwebt wie eine schillernde Seifenblase. Und plopp! Es bedeutet aber auch, dass der Verlegeranteil, der diesem nicht bedürftigen Personenkreis bislang abgezogen wurde, auch in Zukunft auf gar keinen Fall in den Taschen des schreibenden Prekariats landen wird. (Vorsicht, Milchbubis und Milchmädchen: Es geht um ein Viertel/drei Viertel der Autoren, nicht des Geldes.) Eine zwangssolidarische Umverteilung der Einnahmen – also eine Subventionierung der Verfasser kommerziell erfolgloser Nischenliteratur durch die Bestsellerautoren – ist im Gesetz nicht vorgesehen. Lediglich die bisher schon verfolgten sozialen Zwecke, für die Verleger und Autoren traditionell gemeinsam etwa ihren Zehnten abführen, sind legal.

Sie finden es „zynisch, wenn die Verlage sich nun als zarte, schützenswerte Pflänzchen aufspielen“ – und verallgemeinern wieder. Würden sich Bertelsmann (Random House), Springer, Holtzbrinck oder gar Elsevier so aufspielen, würde ich Ihnen sofort Recht geben. Die bringt es natürlich nicht um, wenn sie von der VG Wort nix mehr kriegen. Als Verwaltungsratsmitglied verrate ich Ihnen aber das offene Geheimnis, dass wir vor der Klage des Herrn Vogel fast 5000 Verlage in der Ausschüttung hatten (aktuelle Zahlen sind wegen der Vogel-bedingt ausgesetzten Zahlungen nicht aussagekräftig). Wie klein die allermeisten davon sind, können Sie sich leicht zusammenreimen, wenn Sie mal den Katalog der Frankfurter oder Leipziger Buchmesse durchgehen und nur die Großen abzählen, die Sie kennen.

Sie empören sich sehr wohlfeil darüber, dass Verlage (der Börsenverein vertritt 1800 von ihnen, also auch viele Kleinere) „die Politik anrufen, um sich einen ihnen vermeintlich zustehenden Anteil von der VG-Wort-Ausschüttung zu erstreiten“. Es ist bei Ihnen vielleicht nicht angekommen, dass der streitgegenständliche §63a zum 1.1.2008 mit dem ausdrücklichen Ziel verändert wurde, klarzustellen, dass den Verlegern ein Anteil zusteht. Es steht in der Gesetzbegründung klipp und klar drin – nur hätte es im Gesetzestext stehen müssen. Wie verbohrt und ideologisch muss man sein, um sich nicht in die Lage derer versetzen zu können, die sich darauf verlassen haben, was scheinbar vom Bundestag beschlossen war, und nun Geld zurückzahlen sollen? Formaljuristisch ist das BGH-Urteil korrekt, aber es erschüttert das Vertrauen in die Gesetzgebung und in die Verlässlichkeit des Staates. Drehen Sie die Sache im Geiste mal um: Was würden Sie sagen, wenn ein solches Gesetz zu Ungunsten der Urheber hätte ausgelegt werden können oder müssen? Mit Ihrem „Sinn für Gerechtigkeit“ rennen Sie dann schnell in eine argumentative Sackgasse.

Immerhin sehen auch Sie, dass „Verlage unter wirtschaftlichem Druck stehen“. Falsch liegen Sie aber damit, dass „ausgerechnet das Geld der Autoren“ diesen Druck lindern soll. Von Linderung kann schon mal überhaupt keine Rede sein: Der Druck steigt, weil das Geld nicht mehr fließt. Dass dieses Geld fortan unser aller schmale Autorenportemonnaies dicker machen wird, ist indes pures Wunschdenken. Auf der Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten vorige Woche in Berlin schoss sich bereits ein als Lobbyist der Geräteindustrie tätiger Anwalt, der bei passender Gelegenheit gerne Aufsätze für Juristenblätter schreibt, auf die VG Wort ein. Wenn man liest, welche Positionen er vertritt…

„Die rechtswidrige Verteilungspraxis legt zudem die Axt an die Wurzel des deutschen Geräte- und Speichermedienabgabensystems […]. Die Ironie der Geschichte: das würde dem Streit um die Verlegerbeteiligung die wirtschaftliche Basis entziehen, kann sie doch den Forderungen der Verwertungsgesellschaften als Einwand entgegen gehalten werden.“
Urs Verweyen, Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP)
2016, Heft 6, I

…ist klar, dass es ihm nicht im Mindesten um die Urheber und die „nachhaltige Verbesserung ihrer oft prekären Situation“ geht, auf die er ironisch anspielt. Er wittert eine Chance, seinen Mandanten die lästigen Geräteabgaben wenn nicht ganz, so zumindest teilweise vom Hals zu schaffen – und besaß die Chuzpe, in einer VG-Wort-Versammlung in klassischer Piratenmanier unter falscher Flagge segelnd die Autoren zu nicht nur sinnlosen und unnötigen, sondern kontraproduktiven Klagen anzustacheln. Sein Kalkül ist allzu durchsichtig darauf angelegt, die VG Wort schachmatt zu setzen: Da sich die Verwertungsgesellschaft seit der Klage Martin Vogels gegen Nachforderungen weiterer Autoren abgesichert hat, kann der Lobbyist des Branchenverbandes Zitco sie nur in die Knie zwingen, wenn sich ein Gericht finden sollte, das Forderungen über die normale Verjährungsfrist von drei Jahren hinaus für anwendbar hält – also etwa bis 2008 zurück, als der §63a geändert wurde. Sie müsste in diesem hypothetischen Fall Geld herausrücken, das längst verteilt ist. Würde sich eine hinreichende Zahl von Autoren so vom Advokaten der wahren Gegenseite instrumentalisieren lassen, hätten sie keine Chance, dass ihre Forderung befriedigt wird: Die VG Wort müsste wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Ohne funktionsfähigen Inkassoverein hätten die Autoren fortan überhaupt keine Chance mehr, Tantiemen einzutreiben. Kurz: Wer auf Verweyens Einflüsterungen hört wie Mowgli auf Kas „Vertraue mir“, gräbt sich selbst das Wasser ab. So groß kann die Missgunst gegenüber den Verlegern doch nun auch nicht sein, dass man künftig 100 Prozent von Null haben möchte.

Dass Urs Verweyens Strategie genau in diese Richtung zielt, legt ein Blick auf die EuGH-Entscheidung im Fall Reprobel nahe, die eine wichtige Rolle im Vogel-Prozess spielte: Die belgische Schwestergesellschaft der VG Wort war nicht etwa von einem Autor verklagt worden, sondern von Hewlett-Packard. Der Drucker- und Computerhersteller, der auch in Deutschland jahrelang gegen Urheberabgaben prozessiert hatte, will zumindest den Verlagen das Geld wieder abknöpfen. Um den Autoren Gutes zu tun, hat er seine hochdotierten Anwälte nicht bezahlt. Unsere flämischen und wallonischen Kolleginnen und Kollegen werden, wie es aussieht, weder eine Nachzahlung durchsetzen können noch künftig einen müden Cent mehr bekommen als bisher – und sie zahlen den Klägern auch noch als berufsbedingt ziemlich gute Kunden Wucherpreise für Tintenpatronenzum Beispiel hinter diesem Link 3657 Euro pro Liter. (Wer einen Tipp zu günstigen und guten Fremdfabrikaten sucht, weil er nicht mehr die Kanzleien und Rechtsabteilungen mitfinanzieren möchte, die gegen unsere Tantiemen klagen, wende sich vertrauensvoll an mich.)

Auf den Rest Ihrer Litanei möchte ich fast gar nicht mehr eingehen, Frau Franck. Wer sich ein bisschen mit Kostenrechnung und Wertschöpfungsketten auskennt, weiß genau, dass 10 Prozent vom Verkaufspreis eines Buchs durchaus ein anständiges Honorar sein können, wenn es nicht gerade ein Mega-Bestseller ist, bei dem die Skaleneffekte greifen. Viele Bücher schaffen nicht den Break-even, der Verleger trägt das Risiko. Es wäre sicher spannend, darüber zu diskutieren, wie Verlage ihr Geschäftsmodell anpassen (also rationalisieren) können, ohne dass „unsere literarische Landschaft ärmer wird“. Vielleicht begegnen wir uns mal, dann sprechen wir drüber. Bis dahin würde ich Ihnen empfehlen, lieber auf Ihre streitbare PEN-Kollegin Nina George zu hören. Die arbeitet sehr engagiert daran mit, zu retten, was zu retten ist.

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3 Antworten auf „Der Fluch, den manche Autoren für einen Segen halten“

  1. Aus aktuellem Anlass:

    Autoren beschwören Einheit der VG Wort

    „Wir, die Autorinnen und Autoren des Verlags der Autoren, fordern mit Beschluss unserer Gesellschafterversammlung vom 11. Juni die politisch Verantwortlichen auf, zeitnah und nachhaltig dafür zu sorgen, dass eine Fortsetzung der gemeinsamen Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlagen in der Verwertungsgesellschaft Wort möglich bleibt.
    Nur vereint sind Autoren und Verlage stark genug, um der Geräteindustrie Paroli zu bieten und dem fortschreitenden digitalen Wandel in gegenseitigem Nutzen zu begegnen.
    Wir appellieren deshalb nachdrücklich auch an unsere schreibenden Kollegen, sich und ihre Verlage nicht auseinanderdividieren zu lassen. Denn nur die Einheit garantiert den Fortbestand der VG Wort als einer schlagkräftigen Verwertungsgesellschaft und die Existenz der vielfältigen Verlagslandschaft in Deutschland.
    Wo kein Buch gedruckt wird, kann auch kein Kopiercent erhoben werden.“
    http://www.verlagderautoren.de

  2. Wenn sie mich schon zitieren, Herr Froitzheim, dann doch bitte richtig (zumal Sie ja so viel wert darauf legen, als Journalist ernst genommen zu werden). Dass die rechtswidrige (RECHTSWIDRIGE) Verteilungspraxis der VG Wort den Forderungen der VG Wort (und anderer Verwertungsgesellschaften) als Einwand entgehen gehalten werden kann, ist nicht originär meine Idee und Rechtsansicht, sondern die von Herrn Prof. von Ungern-Sternberg, dem ehemaligen Vorsitzende des 1. Zivilsenats für Urheberrecht des BGH, der das insb. aus der „Amazon“-Entscheidung des EuGH ableitet. Die Quellenangabe dazu – GRUR 2016, 38 – finden Sie natürlich auch in meinem WRP-Editorial. Den ganzen – ganz unbescheiden: sehr lesenswerten – Text finden Sie übrigens hier: http://www.kvlegal.de/wp-content/uploads/2016/06/EDI_WRP_06_16.pdf (der Verlag hat mir freundlicherweise diese parallele Veröffentlichung gestattet). Da finden Sie auch noch ein paar Hinweise zu meiner persönlichen Motivlage, die Sie glauben mögen, oder auch nicht.

    Vllt. nutze Sie Ihre Energie einmal dazu, um die Fehler, die Sie als Mitglied des Verwaltungsrats der VG Wort ja auch irgendwie mit zu verantworten haben, zu bereinigen, statt immer nur und immer weiter auf denjenigen rumzuhacken, die sich herausnehmen, darauf hinzuweisen?

    1. Das Zitat, Herr Verweyen, stammt buchstabengetreu aus der genannten Quelle. Dass Sie diese Rechtsauffassung vertreten, steht auch außer Frage. Das Namedropping, das Sie hier betreiben, schüchtert mich ebensowenig ein wie Ihr VERSALIENGEBRÜLL. Dafür habe ich im Laufe meiner ehrenamtlichen Tätigkeit schon zu viele Beispiele dafür gelesen, dass hochkarätige Rechtsgelehrte einander vehement widersprechen. In der Juristerei gibt es keinen Papst, niemanden, der Unfehlbarkeit für sich beanspruchen kann.

      Was meine Tätigkeit im Verwaltungsrat angeht: Ich habe Entscheidungen mit zu verantworten, die aus Ihrer subjektiven, von Ihrer persönlichen Interessenlage geprägten Sicht Fehler sein mögen. Wenn Sie ein fairer Vertreter Ihres Standes wären, würden Sie indes anerkennen, dass Entscheider regelmäßig mit Dilemmata konfrontiert sind, dass es also in bestimmten Entscheidungssituationen unvermeidlich jemanden gibt, der ihre Entscheidung für „falsch“ halten wird, weil sie nicht seinen persönlichen Wünschen, seinem Gerechtigkeitsgefühl, seiner Rechtsauffassung etc. entspricht.

      Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen wollen, im Besitz einer objektiven Wahrheit zu sein, sei Ihnen das unbenommen. Ich überlasse es gern den Lesern hier, sich ihren Teil dazu zu denken.

      Für meine Person kann ich nur sagen, dass es Gremien wie des Verwaltungsrats der VG Wort oder Aufsichtsbehörden wie des DPMA nicht bedürfte (und letztlich keiner Schiedsstellen und Gerichte), wenn keine Abwägungen zu treffen wären und keine Ermessensspielräume bestünden. Zu keiner Zeit haben wir uns die Entscheidungen leicht gemacht.

      Im übrigen erlaube ich mir den Hinweis, dass Sie mit Ihren Attacken abgewartet haben, was der BGH sagt. Wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher gewesen wären, wie Sie jetzt den Eindruck zu erwecken versuchen, weshalb haben Sie nicht schon Wahrnehmungsberechtigtenversammlungen in früheren Jahren als Forum für Ihre Anklagen genutzt, etwa die im vorigen Jahr in München, als die Delegierten gewählt wurden?

      Ich würde selbstverständlich gerne meine ungeteilte Energie darauf verwenden, an einer nachhaltig tragfähigen Problemlösung mitzuarbeiten, die im besten Interesse der Mitglieder und Wahrnehmungsberechtigten ist. Das ist vor allem deshalb nicht leicht, weil sich einige Zeitgenossen herausnehmen, in einer Weise auf UNS, den Ehrenamtlichen, herumzuhacken, die bisweilen die Grenzen des strafrechtlich Zulässigen sprengt. Und weil zusätzlich Leute wie Sie die Gunst der Stunde nutzen, um scheinheilig unter der Mütze des Wissenschaftsautors Applaus bei Urhebern zu heischen, während am Haken Ihrer Bürogarderobe die Alltagsmütze des Anwalts hängt, dessen Vorzeigemandat die Interessenvertretung eines jener Branchenverbände ist, die seit vielen Jahren keine Gelegenheit auslassen, gegen jede Art von Geräteabgabe vorzugehen. Sie verdienen weitaus mehr Geld mit Versuchen, den Wahrnehmungsberechtigten und Mitgliedern zu schaden, als mit Tantiemen. Das ist legal, aber nicht mit offenem Visier zu kämpfen, ist peinlich. Der Urs Verweyen, der für Zitco arbeitet, und der Urs Verweyen, der Fachaufsätze schreibt, sind immerhin ein und dieselbe Person. Daran ändert auch die schizophrene Situation nichts, dass Sie berufsbedingt schon diverse Verfahren betrieben haben, bei denen von vorneherein feststand, dass im Erfolgsfall Ihre VG-Wort-Ausschüttungen sinken würden.

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