DJV: Cato Conen ist dafür und dagegen

Update vom 25.10.2010:

Habe den dicken Stapel aus einigen wenigen neuen und sehr vielen alten Verbandstagsanträgen durchgearbeitet, die die Brandenburger Replikatorentruppe vorgelegt hat, und muss einen Irrtum korrigieren: Diese Filibuster wollen gar keinen anderen DJV, denn dann hätten ihre Anträge ja eine erkennbare Linie, ein klares Ziel. Davon kann keine Rede sein. Der dadaistische Haufen bunter Papiere zwischen zwei Aktendeckeln, genannt Tagungsordner, ist eine Fundgrube voller Widersprüche. Der Meistertitel im Sichselbstdementieren geht nach Potsdam, dem virtuellen Sitz des DJV-LV-BB.

Um sich mal die Proportionen dieser Altpapierschlacht klarzumachen:

125 Anträge kommen aus Brandenburg, 61 aus allen anderen Gremien (Landesverbänden, Fachausschüssen, Bundesvorstand) zusammen. Bravo! Eine klare Zweidrittelmehrheit, leider nur quantitativ.

Fast 100 Anträge aus Brandenburg haben den DJV selbst zum Gegenstand, denn sie sind entweder Satzungsänderungswünsche (35 Brandenburg, 5 sonstige) oder gehören zur Kategorie „Innerverbandliches“ (63 Brandenburg, 5 sonstige). Wenn der DJV sich mit sich selbst beschäftigt, geht das zu über 90 Prozent aufs Konto eines einzigen, kleinen Landesverbandes.

Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, einige Brandenburger Anträge so zu sortieren, dass man den Irrwitz gleich erkennt…

Leistungsschutzrecht

C6 fordert, Journalisten zu mindestens 50 Prozent an möglichen Google-Erlösen der Verlage zu beteiligen. Leistungsschutz? Ja, aber.

C30 dementiert das: „Kein Leistungsschutzrecht für Verleger“. Mit einem solchen neuen Inkasso-Recht würden nämlich lediglich „nicht funktionierende Geschäftsmodelle im Internet“ subventioniert.

Tarifpolitik

Antrag D8 ist eine bereits in sich völlig verworrene Mischung aus marktradikalem Abgesang auf Flächentarifverträge und sozialistisch-planwirtschaftlichen Umverteilungsphantasien.

D9 versucht vom rechten Flügel her Zweifel an der Tariffähigkeit des DJV zu schüren.

D12 grätscht von links außen dazwischen und verlangt von der Politik ein neues Tarifvertragsgesetz, das alle Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, so „dass es auf die Haltung der Arbeitgeber dazu nicht mehr ankommt“.

In D13 empfehlen sich die lustigen Brandenbürger als Ausrichter eines Kongresses zum Thema, zu bezahlen vom Bundesverband.

Staatliche Beihilfen für die Medienbranche

Antrag C3 wendet sich gegen die Rundfunkgebühr in Form einer Haushaltsabgabe und verlangt, nur den tatsächlichen Zuschauern eine Gebühr abzuverlangen – also wahrscheinlich Pay-TV statt GEZ.

C21 fordert eine Mitbestimmung der Gebührenzahler bei der Verwendung der Gebührenmilliarden.

C22 wendet sich ganz grundsätzlich (und mit einer grotesken Amtsdeutschverliebtheit) gegen „zwangsweise erhobene“ Gebühren; diese dürften (wörtlich) „nur für eine nach strengen Maßstäben der unumgänglichen Grundversorgung sonst unversorgt bleibender Teile der Bevölkerung dienende Mittelaufbringung verlangt werden“.

C27 stellt das alles auf den Kopf und postuliert, die „öffentliche Aufgabe“, die von den Medien geleistet werde, bedinge eine staatliche Finanzierung, also Subventionen. Wenigstens der DJV soll aber unabhängig bleiben und kein Staatsgeld annehmen (Antrag G14).

G8 bis G12 fahren wiederum voll auf der Linie der radikalen Unabhängigkeit der Journalisten von finsteren Mächten aus Parteienstaat und Wirtschaft. Das geht so weit, dass – je nachdem, welchen der Anträge man nimmt – entweder jedes Vorstandsmitglied des DJV sein eventuelles Parteibuch offen auf den Tisch legen muss oder sogar jedes Parteimitglied achtkantig aus dem DJV expediert wird, ob es nun Verbandsfunktionär ist oder nicht.

Die beiden letzteren Forderungen schließen sich nicht nur gegenseitig aus und verletzen Grundrechte, sie sind auch inkompatibel mit B 10 und G13, pathetischen Plädoyers für eine grenzenlose Freiheit zur Äußerung selbst abseitigster Meinungen („schlechthin jede Meinung ist umfasst“), die wohl auch für publizistisch tätige Angehörige der „in Parteien organisierten korrupten Politischen Klasse“ gelten müsste, die „von der Bevölkerung zutiefst verachtet und für eine Landplage gehalten wird“ (Zitat aus dem Begründungstext des Antrags G12, der in klarer Redundanz zu G26 dem DJV verbieten würde, die ja ohnehin per definitionem korrupte Ministerpräsidentin zwecks Grußwortentbietung – oder wie das auf gut Amtsdeutsch heißt – zum Verbandstag einzuladen).

Die Anträge zur Meinungsfreiheit beißen sich noch mit weiteren Anträgen. So soll der DJV:

– einem Anwalt wegen dessen Ausübung der Religionsfreiheit das Mandat entziehen,

– „endlich die Nazikeule wegpacken“,

– sich zur „Nazi-Verstrickung“ eines vor Jahrzehnten verstorbenen Bundesvorsitzenden bekennen und

– den islamischen Organisationen im Land die Leviten lesen, weil die „Meinungs- und Pressefreiheit Vorrang von allen religiösen Ansichten“ habe, die „Privatsache“ seien (C20). Wörtlich heißt es da: „Kritische journalistische Berichterstattung und kommentierende Auseinandersetzungen mit Religion, religiösen Organisationen und religiös begründeten Praktiken gehören zum Kern der Medienrechte, denen der DJV verpflichtet ist.“ Mit „Religion“ ist unzweifelhaft allein der Islam gemeint.

Auf einem DJV-Verbandstag nach Conenschem Ideal dürfte man darüber nicht mit einem Christian Wulff diskutieren (der als Ministerpräsident schon einmal unser Gast war). Der hätte Hausverbot.

Original-Posting vom 13.10.2010:

Gerade liefert die Post den Tagungsordner zum DJV-Verbandstag in Essen. Vielleicht wäre es doch gut, wenn das Gericht (s.u.) uns die Qual erspart: Wie schon voriges Jahr in Berlin legen die Brandenburger wieder eine schaurig lange Liste an Anträgen vor, mit denen sie dem DJV eine komplett neue Verfassung verpassen wollen – genau wissend, dass sie von satzungsändernden Mehrheiten so weit entfernt sind wie Hamburg vom Himalaya.

Dass Hans Werner Conen und sein Gefolge einen ganz anderen Journalistenverband fordern, weiß jeder. Warum der alte Cato meint, dazu den bestehenden DJV zerstören zu müssen, begreift niemand. Wenn seine Ideen so toll sind, kann er doch eine Konkurrenz aufmachen und im freien Wettbewerb auf dem Markt zeigen, dass er es besser kann. Wie sagt er doch immer: Anything goes.

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