Kolumne über das Copyright auf IBMs Spitznamen „Big Blue“
Kein Journalist kann wohl so dreist sein, daß er an Chuzpe nicht noch von Marketiers übertroffen werden könnte. Beste Chancen auf den ersten Preis dürfen sich jene PR-Strategen ausrechnen, die sich nicht entblödeten, neben spröden Produktnamen wie “ES/93708″ oder “PS/2 50Z” sogar die Bezeichnung “Big Blue” als Warenzeichen schützen zu lassen. Aber halt: Kann man denn überhaupt Urheberrechte an etwas geltend machen, das man selber gar nicht erfunden hat? Leider ist über die Entstehung von “Big Blue” nichts bekannt. War es ein Anwender, den ein Hüne von Verkaufsgenie im blauen Nadelstreif tief beeindruckt hatte, war es eine Putzfrau, die gerade ihres ersten Computers ansichtig wurde (“Oh, what a big blue monster!”) oder ein Fachredakteur der ganz alten Garde, den (natürlich absurde) Assoziationen zu George Orwell bewegten?
Man kann sich jedenfalls vorstellen, was nun passiert: Findige DV-Pensionäre werden versuchen nachzuweisen, daß die Wortschöpfung vom “Großen Blauen” auf ihrem Mist gewachsen ist. Da steht uns sicher der eine oder andere Copyright-Prozeß ins Haus – vorausgesetzt, die Ansprüche sind noch nicht verjährt. Interessante Perspektive: Siemens müßte sich schleunigst zum Kadi bequemen, um die Kosenamen “Elektrobank” und “Datasibirsk” patentieren zu lassen, Christian Schwaz-Schilling seine Rechte an “Mr. Blackpenny” sichern Helmut Kohl seine Birne und die Formel “in dieser unserem Lande” unter Naturschutz stellen lassen. Last, not least hätte die IBM keine andere Wahl, als sich mit Hollywood anzulegen: Vergangenes Jahr erschien ein Tiefsee-Filmepos mit dem Titel ”The Big Blue“.
Ein Verleiher, der so offenkundig unerlaubte Werbung für den DV-Giganten macht, gehört doch wohl wirklich bestraft!
Erschienen in der COMPUTERWOCHE Nr. 22/1989.
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