Don Eulenspiegel spielt den FAZke auf Egotrip

Präscriptum: Dieser Text über einen ganz speziellen alten „Freund“ von mir gammelte versehentlich einige Monate im so genannten „privaten“ Bereich von WordPress, also der Warteschleife, weil ich noch ein paar nette Links einbauen wollte. Dann haben sich die DInge so entwickelt, dass wir beide so manches sehr, sehr ähnlich sehen: Wiederholt habe ich mich dabei ertappt, ihm mehr oder weniger heimlich zu applaudieren, weil er einiges sehr gut auf den Punkt gebracht hat.

Ich habe also überlegt, ob das ein Grund ist, interessierten Mitbürgern den Text vorzuenthalten – und mich jetzt entschieden, ihn online zu stellen. Warum? Erstens habe ich mit dem Kollegen das Elefantengedächtnis gemein, so dass ich nicht vergesse, was er sich alles aus Rainer reiner Bosheit schon alles geleistet hat an unkollegialen Ausfällen. Da kann er auch mal eine Brise Gegenwind vertragen. Zweitens finde ich das Phänomen, dass die Frankfurter Allgemeine den „Don“ für sich arbeiten lässt und er für sie arbeitet, nach wie vor ebenso amüsant wie die Tatsache, dass sogar Personen, die über ihn berichtet haben, seinen (Vor-?) Urteilen über Kollegen etablierter Medien Nahrung gegeben haben. (Nachgetragen am 27.2.2010)

Was haben Brüno, Borat und Don Alphonso Porcamadonna gemeinsam? Alle drei sind Kunstfiguren, deren Schöpfer dermaßen in ihren Rollen aufgehen, dass die reale Persona dahinter nahezu verblasst. Allerdings beschränkt sich der Wirkungskreis des Don Alphonso auf den deutschsprachigen Teil des Weltweitwebs. Er wird auch nicht von Sasha Baron Cohen gemimt, sondern von einem Menschen, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den schnöden Allerweltsnamen „Rainer Meyer“ trägt. (Restzweifel bleiben, denn wenn Rainer M. schlecht drauf ist, mosert Alphonso schon mal rum, es gehe niemanden etwas an, ob sein reales Alter ego nun Meier oder Mayr heiße. Meyer mit Üpsilon ist jedoch eine überaus plausible Version.)

Dafür hat „der Don“ den beiden Cohen-Eulenspiegeln eines voraus: Er hat bei einer altehrwürdigen Qualitätszeitung angeheuert, hinter welcher sich als klug gelten wollende Köpfe imagehalber zu verschanzen pflegen – natürlich nicht als edelfedriger Holzmedienfeuilletonist, sondern als besserer Content-Lieferant für das Online-Anhängsel FAZnet. Seit Anfang Nullneun treibt der Besserwisser, der einen konventionellen Kolumnisten ähnlich lebensecht verkörpert wie Brüno einen durchschnittlichen metrosexuellen Modereporter, nun sein Wesen im Reiche D’Inkas und Schirrmachers. Sprich: Er verbreitet sich in snobistisch-manierierten Textmäandern über die vermeintlichen „Stützen der Gesellschaft“ – und ist dabei stets bemüht, so rüberzukommen, als sei er eine derselben.

Für Menschen, die schon länger das Web bevölkern, ist dies eine höchst delikate Konstellation. Ausgerechnet jener Mann, der vor zwei Jahren am ehemaligen Roten Kloster in Leipzig mit einer solchen Suggestivkraft über deutsche Journalisten herzog, dass anwesende Studenten sich nachher einbildeten, er hätte alle Berufsangehörigen als „zynische Dreckschweine“ verunglimpft, die „unfreundlich, inkompetent und faul“ seien, ausgerechnet dieser wohl selbstgefälligste Kritiker der etablierten Medien im deutschsprachigen Teil des Webs, ausgerechnet dieser garstig-egomanische Misanthrop…

„Ich bin zäh und habe das rachsüchtige Gehirn eines Elefanten.“

Al Donphonso im Rebellmarkt

…hilft dem Traditionsblatt also jetzt, mit verbalen Ausflügen an den Tegernsee die Clickraten ein bisserl zu steigern. Hat Alphons/Meyer seine tiefe Abneigung gegenüber dem Journalismus alter Schule immer nur gespielt? Hat der Ingolstädter sich von Schirrmacher kaufen lassen – als Hofnarr, der scheinbar seinen Herrn brüskiert, sich aber allein durch seine bezahlte Präsenz auf dem Main-Donau-Blogkanal gleich wieder selbst dementiert…

„…so wettert er, politisch unverrechenbar, gegen die selbstverliebte Berliner Bloggerszene, gegen die Kommerzialisierungsbestrebungen von Bloggern, gegen die vagen Versprechungen und geringen Gehälter, mit denen Zeitungen Blogger für ihre Zwecke einzuspannen versuchen…“

Thomas Thiel, „Wer bloggt so spät durch Nacht und Wind?“, FAZnet, 14.4.2008

„…warum Blogs von normalen Journalisten in aller Regel nicht taugen. Neben banaler Inkompetenz und der berufstypischen Ahnungslosigkeit kommt nämlich auch noch eben jenes Missverstehen dazu, das die Grundlage journalistischer Arbeit ist…“

Don Alphonso, Blogbar, 6.7.2009

…oder ist das der Marsch eines bekennenden Mitglieds der königlich-bayerischen Sozialdemokraten durch die Institutionen, gemäß klassischer Frankfurter Schule? Gibt der Freund von Salonrevoluzzern mit Kampfnamen wie Che2001 deshalb den reichen Schnösel vom Dienst? Macht er sich deshalb sogar gemein mit dem „Bild“- & Medienblogger Stefan Niggemeier, der ihn einst nach allen Regeln der Kunst in Kakao paniert hat?

Seine wahren Beweggründe zu hinterfragen ist müßig, denn jede denkbare Antwort wäre unter dem Vorbehalt zu lesen, wiederum Teil der Inszenierung zu sein.

„Don Alphonso ist eine Kunstfigur, die seinem Verfasser nicht vollkommen unähnlich ist.“

Maßloses Understatement im FAZblogger-Autorenprofil

Interessanter ist schon die Frage, warum der frühere Dotcom-Totengräber Meyer seinen postpubertär-mafiosen Nom de guerre aus New-Economy-Zeiten überhaupt rezykliert hat: Der passt zur Dandy-van-Dünkel-Attitüde der 2009er-Kolumne wie eine Tüte Chicken-Nuggets ins Kempinski-Foyer. Es wäre auch keine schlechte Idee, einmal den vermeintlich gewissen Tatsachenbehauptungen über den realen Herrn Meyer nachzuspüren und zu checken, ob darunter auch solche zu entdecken sind, deren (unverifizierte) Originalquelle nicht er selbst bzw. sein alter ego oder einer seiner Klone Vasallen Prätorianer ist.

Nehmen wir pars pro toto das Ingolstädter Donizil mit dem berühmten silbernen Teekännchen. Da ist auf der Website eines renommierten, fonsfreundlichen Contentanbieters zu lesen, es handle sich um ein Gemäuer, das früher als Jesuitenkolleg gedient habe und im 19. Jahrhundert in den Besitz Meyer’scher Ahnen gelangt sei. Doch das, was von dem Kolleg erhalten ist, gehört keiner Familie Meyer, sondern der Katholischen Canisius-Stiftung und liegt schräg gegenüber. Ein anderer Reporter verortet ihn nach einer Audienz im – erheblich kleineren – Sterbehaus des Grafen Tilly, der im 30-jährigen Krieg sein Leben ließ. Das offizielle Tilly-Haus befindet sich jedoch seit einiger Zeit in städtischem Besitz, es beherbergt das Schulamt und eine Galerie. Tatsächlich wohnt Don – durchaus unter Denkmalschutz – noch eine Tür weiter.

Knapp daneben ist zwar auch vorbei, und so wären derlei Ungenauigkeiten in anderem Kontext eine mindestens mittelgroße alphonsische Abkanzlung wert. Aber bei Artikeln, in denen er gut wegkommt, bekommt der kulturbeflissene Kampfblogger Beißhemmungen. Die Fehler laden das Wohnumfeld ja mit einer Extradosis Bedeutung auf. Und nur ein ganz besonders böser Schelm würde Don Eulenspiegel unterstellen, er hätte die Kollegen Reporter aus purer Berechnung mit historischen Versatzstücken aus der Nachbarschaft gefüttert, damit das hängen bleibt, was dann tatsächlich hängen blieb.

Wer die Worte des Signore Porcamadonna, der in seinen höhnischen Blogbeiträgen höchste Ansprüche an die Recherchequalität zynischer Dreckschweine kritischer Journalisten zu stellen pflegt, auf die Goldwaage legt, dem ist allerdings wirklich nicht zu helfen. Zu offensichtlich stammen sie bisweilen aus einer Parallelwelt. Wer käme – als Bajuware zumal – wohl auf die verrückte Idee, von München aus ausgerechnet den Weg Richtung Tegernsee und Achenpass einzuschlagen, wenn er eigentlich in die verblasste Vorarlberger Finanzoase Kleinwalsertal fahren möchte, die auf dem Landweg bekanntlich nur vom Allgäu aus zu erreichen ist? Da Rainer Meyer kein Dummkopf ist, spielt er den Fonsi ergo als Figur mit leichten Orientierungsproblemen. Ganz nebenbei verraten ihm die Blogkommentare, ob seine Leserschaft mitdenkt oder ob er Perlen vor die Säue wirft.

Auch wenn sich der bayerische FAZke in der Kolumne im Blog-Text „Herr Burda ist ein kunstsinniger Mann“ nicht unchic über einen früheren Flop im Hause des Verlegerpräsidenten mokiert, baut er einen Fehler ein, der jedem Kenner der Materie sofort signalisiert, dass es hier nicht um Faktenfaktenfaktenpetitessen geht, sondern ums Prinzip: Zum fraglichen New Economy-Zeitpunkt war die Tomorrow Focus AG noch gar nicht auf der Welt, sondern nur deren Vorläuferfirma, die Focus Digital AG.

Haarspalterei? Mitnichten. Nur eine bescheidene Erinnerung daran, dass jemand, der sich selbst (-ironisch???) zur Elite zählt…

„Ich bin gern elitär. Ich finde, jeder sollte elitär sein.“

…mit solcher ostentativen Wurschtigkeit exakt die Anliegen desavouiert, die zu verfolgen er bei aller Arroganz und Eitelkeit vorgibt. Wenn diese an der Medienwelt verzweifelnde Mimose in Boxhandschuhen außerhalb ihrer „Prätorianergarde“ ihrer hündisch-devot schwanzwedelnden Jasager-Fangemeinde nicht nur wahr, sondern auch ernst genommen werden will, wäre – neben dem Willen zu sozialverträglicheren Umgangsformen – ein Quäntchen „practice what you preach“ sehr hilfreich. Denn vollkommen unrecht hat unser aller hochwohlgeboren Unerträglichster – porca madonna! – ja auch nicht immer. Leider.

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