Finanzierung: Publikum quälen

Online-Dienste brauchen Werbeeinnahmen, um Profit zu machen. Noch fehlen Konzepte, die die Verbraucher akzeptieren.

McDonald’s war dabei. Bei der Premiere des Microsoft Network (MSN) prangte das Logo des Hamburger-Konzerns auf jeder Newsseite. Damit profitierte der Klopsebrater indirekt von dem gewaltigen Marketingrummel, den Microsoft um seine Software Windows 95 und den Online-Dienst MSN inszenierte.

Was der Reklamegag gekostet hat, wird streng geheimgehalten. Es war so etwas wie ein Testlauf. Eine Preisliste für Annoncen gibt es im Microsoft-Netz noch nicht. Auch die dazugehörige Software Blackbird, die eine genaue Selektion der Zielgruppen möglich machen soll, kommt erst zum Jahresende heraus.

Werbung in Online-Diensten steckt noch in den Kinderschuhen. Dabei ist sie langfristig von größter Bedeutung. „Die Aboerlöse werden in den Hintergrund treten“, erwartet Berthold Stukenbröker, Partner der Consulting Trust in Ratingen bei Düsseldorf. „Die Online-Dienste“, sekundiert eine Studie der MGM Media Gruppe München, „werden nur über Werbung finanzierbar sein.“

Auch die Diensteanbieter, die sich zunehmend auf dem Internet tummeln, brauchten die zusätzlichen Geldquellen – vor allem um die Anlaufverluste möglichst gering zu halten. Wer etwa unter der Adresse http://nytimesfax.com die vor wenigen Wochen installierte Kurzausgabe der „New York Times“ aufruft, erblickt zuerst ein Logo des Hardwareanbieters Insight.

Beim Microsoft-Dienst sind Einnahmen aus Werbung und Marketing von Anfang an fest eingeplant. Fachverlage wie IDG („PC-Welt“) oder Vogel („Chip“) können, wenn sie demnächst mit Online-Ausgaben ihrer gedruckten Titel auf den Markt gehen, Teile ihrer Bildschirmseiten an ihre Inserenten vermieten. MSN, eine 80prozentige Tochter der Microsoft Corp., hat Anspruch auf 20 Prozent der Erlöse. An Reisen, die via PC und Modem gebucht werden, will Multimilliardär Bill Gates ebenso mitverdienen wie am Versandhandel im Cyberspace. Für jedes Geschäft, das über seine Datenleitungen läuft, kassiert MSN eine Provision von mindestens fünf Prozent. Vorteil für den Verbraucher: Dank dieser Mischfinanzierung halten sich die Kosten für die Nutzung des MSN mit einer Pauschale von 14
Mark pro Monat für maximal zwei Stunden Netzsurfen in Grenzen.

Damit ist automatisch der Kalkulationsrahmen für die Nachzügler festgezurrt. Denn Microsoft hält im Grand Prix der neuen Online-Dienste die Poleposition. In der kommenden Weihnachtssaison wird MSN für neun von zehn Computerkäufern das einzige Datennetz sein, dessen Zugangssoftware sie fix und fertig installiert auf der Festplatte vorfinden werden. MSN ist Bestandteil von Windows 95. Die Herausforderer Bertelsmann und Europe Online, die demnächst an den Start gehen, müssen ihr Publikum dagegen erst einmal motivieren, die für die Nutzung dieser Dienste nötigen Kommunikationsprogramme eigenhändig auf die Festplatte zu kopieren.

Daher dürfte es für die Nachzügler schwer werden, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Bertelsmann-Vorstandsmitglied Thomas Middelhoff beispielsweise hatte noch im Frühjahr getönt, das Joint Venture mit dem US-Marktführer America Online (AOL) werde zur Jahrtausendwende mit über einer Million Mitgliedern mehr als eine Milliarde Mark Umsatz erwirtschaften – eine Rechnung, die nicht einmal ansatzweise aufgeht, wenn nicht Werbekunden oder Sponsoren den Löwenanteil der Kosten tragen. Doch genau da tut sich der Mediengigant aus Gütersloh schwer: Die kritischen deutschen Kunden dürften nicht mit aufdringlicher Reklame verschreckt werden, heißt es.

Auch der Burda-Dienst tastet sich vorsichtig an die neuen Werbemöglichkeiten heran. Am Fuß jeder Bildschirmseite ist Platz für einen kleinen Hinweis auf Werbung an anderer Stelle. Informationsanbieter (und damit vor allem die an Europe Online beteiligten Medienkonzerne) können diese Fußleistenanzeigen an ihre Werbekunden vermieten – ein Verfahren, das nicht neu ist. In Bildschirmtext wird es seit Jahren praktiziert, etwa bei der Telefonauskunft der Detemedien oder bei der Düsseldorfer BBDO-Interactive-Tochter Infoplus.

Doch das ist schon alles. Mit eingeblendeten Grafiken, Bildern oder Logos, über die man bestenfalls zu mehr Informationen oder einem interaktiven Spielchen gelangt, erschöpft sich die Phantasie der Online-Werber. „Alles erinnert an die Printmedien“, findet Consultant Stukenbröker. Pech für die inserenten: „Noch bevor die Werbebotschaft auf dem Bildschirm erscheint, haben die Netzsurfer das Bild weggeklickt“, sagt Ingo Hamm, Leiter des virtuellen Forschungsinstituts
Netvertising (http://www.bwl.uni-mannheim.de/Hamm).

Ein denkbarer Ausweg aus der Werbemisere wäre, den Anwender mit einem konkreten Nutzwert zu locken. So wäre es technisch überhaupt kein Problem, eine regionale Gebrauchtwagen-Datenbank einzurichten, in der man sein Wunschfahrzeug suchen kann – etwa einen grünen Passat Variant Diesel ab Baujahr 1990 mit Schiebedach, der höchstens 15000 Mark kostet. Fast alles, was die Tagespresse in unübersichtlichen Rubriken abdruckt, könnte gleichzeitig in einer komfortablen Online-Version verbreitet werden: von der Hobby-Fundgrube über Wohnungsinserate bis zum Stellenmarkt. Und das, bei Bedarf, multimedial aufbereitet.

Wie so etwas geht, zeigt der New Yorker Online-Dienst Metroconnect Inc. in New York, der Anfang des Jahres seinen Probedienst aufgenommen hat. Zu den Tricks, die Metroconnect beherrscht, gehört etwa die automatische Buchführung über Anfragen und Bestellungen. Ist beispielsweise ein beworbenes Kontingent an Theaterkarten ausverkauft, nimmt der Computer das Inserat automatisch aus dem Netz. Für Bertelsmann-Vorstand Middelhoff sind solche virtuellen Anzeigenblätter jedoch nicht mehr als eine „Vision am Horizont“, obwohl regionale Tageszeitungen am deutschen AOL-Dienst beteiligt werden sollen. Und auch Burda, aus dessen Hause Metroconnect stammt, zog einen Test in New York vor, wohl weil der deutsche Markt dafür noch nicht reif erscheint.

So wird der deutsche Netzsurfer noch länger wenig profihaft gemachte Werbebotschaften ertragen müssen. Selbst renommierten Unternehmen sind dilettantische Auftritte etwa in Telekom-(T-)Online, dem mit über 800.000 Nutzern größten Dienst in Deutschland, anscheinend nicht peinlich. Da quält Mercedes-Benz sein Publikum mit einem grobkörnigen Bildchen der neuen E-Klasse, dessen Aufbau zwei Minuten dauert und das im Vergleich zu einem guten Fernseh-Werbespot so aufregend ist wie eine Klinikpackung Schlaftabletten. Insgesamt ist der Informationsinhalt dürftiger als in jeder Zeitungsanzeige.

Auch Volkswagen hat noch Mühe mit dem neuen Medium. Einsendeschluß des interaktiven Preisausschreibens, mit dem die Wolfsburger im September in T-Online auf sich aufmerksam machen wollten, war der 31. März 1995.

Ulf J. Froitzheim

aus der WirtschaftsWoche 42/1995

Online-Dienste: Total blockiert

Das Internet stellt den Erfolg der neuen Angebote schon jetzt in Frage. Denn: Wer will freiwillig die Gebühren zahlen?

WirtschaftsWoche Nr. 42/1995

Der Ort der Party war mit Bedacht gewählt. Nirgendwo hätte Apple den Neustart seines bislang glücklosen Online-Dienstes eWorld besser zelebrieren können als im Cybersmith Café, dem trendigen Treffpunkt computerbesessener Harvard-Studenten. Doch wer erwartet hatte, der kalifornische Computerkonzern werde an diesem Abend in Cambridge ein Füllhorn raffinierter Interaktiv-Dienste öffnen, sah sich getäuscht. Marketingvorstand Daniel Eilers hält es nämlich für sinnvoller, dem Publikum den bislang ziemlich steinigen Weg ins World Wide Web (WWW), den wichtigsten Dienst im Internet, zu ebnen, als sich selbst mit der aufwendigen Entwicklung von Inhalten abzumühen: „In einem Jahr wird der Name Apple ein Synonym fürs Internet sein.“

An solchen Synonymen wird es im kommenden Jahr gewiß nicht mangeln. Ohne Internet-Zugang traut sich nämlich kein Online-Dienst mehr auf den Markt. Weil dieses Netz mit weitem Abstand die meisten Nutzer hat. Die beiden Hauptrivalen auf dem internationalen Parkett, America Online (AOL) und Compuserve, machten den Anfang: Sie bieten ihren jeweils etwa dreieinhalb Millionen Mitgliedern seit ein paar Monaten kostenlosen Zutritt zum WWW.

Vor wenigen Wochen zog die Deutsche Telekom nach: Eine Million CD-ROMs mit der neuen, internet-tauglichen T-Online-Decodersoftware (T-Online ist der neue Name für Datex-J, ehemals Btx-Bildschirmtext) will das Staatsunternehmen allein in Deutschland unter die Leute bringen. Auch bei den Newcomern Microsoft Network und Europe Online sind WWW-Zubringer in Vorbereitung.

Ob diese Strategie den Anbietern wirklich mehr nützt als schadet, ist noch keineswegs sicher. Immerhin signalisieren sie mit der Öffnung ins Internet, daß nicht einmal sie selbst die eigenen Angebote für genügend attraktiv halten. Derzeit ist diese versteckte Botschaft bei den Nutzern allerdings noch nicht angekommen. Die Nutzungsrate bei den drei etablierten Diensten ist so groß, daß aus den Modems zu Spitzenzeiten immer öfter das Besetztzeichen tutet.

Eigentlich dürfte das struppige, schwer zu erschließende Datendickicht des Internet für einen klar gegliederten, professionell auf Nutzwert getrimmten Dienst überhaupt keine Konkurrenz darstellen. Doch weit gefehlt: Am Streit über die Frage einer Öffnung zum Internet droht die luxemburgische Holding Europe Online S.A. (EO) zu zerbrechen. Arnaud Lagardère, Generaldirektor des französischen Teilhabers Matra-Hachette-Multimedia, hatte sich schon Anfang des Jahres auf der Medienmesse Milia in Cannes als Internet-Enthusiast geoutet. Jetzt gestand er dem Wirtschaftsblatt „Les Echos“, daß er das Joint Venture seines Hauses mit dem deutschen Burda-Verlag im nachhinein für eine Schnapsidee hält: „Es ist töricht, einen geschlossenen Online-Dienst aufzubauen.“ Lieber heute als morgen würde der Unternehmer, Sproß des Pariser Rüstungsmagnaten Jean-Luc Lagardère, seinen Anteil an EO wieder loswerden. Arnauds neuestes Projekt ist ein eigenes Netz von Internet-Einwählknoten in Frankreich.

Auch der britische Partner bei Europe Online sucht das Weite. Die Verlagsgruppe Pearson Plc., zu der unter anderem die „Financial Times“, der Buchverlag Penguin und diverse Fernsehanteile gehören, kündigte jetzt eine „plattformneutrale“ Entwicklung ihrer multimedialen Inhalte an. Im Klartext heißt das: Die geplante interaktive Ausgabe der „Financial Times“ wird auch im Microsoft Network und im Internet vertreten sein. Ableger Penguin tut ein übriges und baut in England ein Netz von Internet-Zugängen, sogenannten Points of Presence, auf. Damit ist die ursprüngliche Idee, mit Europe Online ein multikulturelles Netz mit exklusiven Inhalten zu etablieren, endgültig gestorben.

Während Burdas New-Media-Manager Oskar ((Prinz)) von Preußen im Schulterschluß mit dem Axel Springer Verlag versucht, Europe Online als rein deutschen Dienst zu retten, kämpft das amerikanische Vorbild derzeit mit Problemen ganz anderer Art. America Online, dessen deutsche Version der Medienmulti Bertelsmann rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft präsentieren will, muß sich des Vorwurfs erwehren, ein Tummelplatz für Sittenstrolche zu sein. Seit das FBI ein Dutzend AOL-Teilnehmer unter dem Vorwurf verhaftet hat, online Kinderpornos verbreitet und Sex mit Minderjährigen vermittelt zu haben, tobt in den USA ein erbitterter Meinungsstreit darüber, ob der Betreiber eines Datennetzes für solche kriminellen Machenschaften seiner Kunden geradestehen muß.

Setzen sich die Hardliner durch, müßte AOL die digitalen Nachrichten seiner Mitglieder lückenlos überwachen, den heute üblichen Gebrauch von Pseudonymen verbieten und jedem die Leitung kappen, der Schweinkram durchs Modem schickt – dazu müßte allerdings ein Zensurgremium eingeführt werden.

Der scheinbar skurrile Konflikt könnte ernste wirtschaftliche Konsequenzen haben. Wenn die Kunden  nicht mehr unerkannt und ungestraft ihre Meinung über Gott und die Welt verbreiten können, ist das AOL-Netz für viele nicht mehr interessant. Chairman Steve Case beruft sich deshalb wacker auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Wenn die Post einen Erpresserbrief befördere, ließ er verbreiten, werde ja auch nicht der Postminister verhaftet.

Angesichts solcher Streßfaktoren kommen die Online-Manager kaum noch zu ihrer wichtigsten Aufgabe: ihrem jeweiligen Dienst ein unverwechselbares Profil zu verschaffen. Wenn die Inhalte austauschbar werden und auch ein billiger Internet-Zugang zum normalen Lieferumfang gehört, bleibt zur Differenzierung nur noch das Instrumentarium der Waschmittelwerber: Nicht der Beste gewinnt, sondern derjenige, der bei seiner Zielgruppe das beste Image aufbaut – und der seine Ware am auffälligsten anpreist.

Spätestens zur Weihnachtszeit dürfte die Werbeschlacht um neue Online-Kunden voll losbrechen. Die Telekom nutzt die Zeit bis dahin aus, um ihren Vorsprung auszubauen: Die angriffslustige Marketingagentur 1&1 Direkt GmbH aus Montabaur soll T-Online jetzt als Internet-Zugang für jedermann anpreisen. Ab acht Mark im Monat ist er zu haben.

Als einziger Dienste-Anbieter kann sich die Deutsche Telekom eine solche Niedrigpreispolitik leisten, denn bei jedem Ausflug ins Netz läuft der Telefongebührenzähler mit. Und damit sich das Geschäft noch mehr lohnt, wird der Ortstarif zum 1. Januar an die neuen Anforderungen angepaßt. Wer nur kurz telefoniert, zahlt ebensoviel wie heute. Wer dagegen, wie es üblich ist, länger durch das Netz der Telekom oder anderer Anbieter surft, wird dann kräftig zur Kasse gebeten. Ein einstündiger Ausflug, heute für höchstens 2,30 Mark zu haben, kann dann bis zu 4,80 Mark kosten.

Ulf J. Froitzheim

Dreißig Kanäle voll

Redaktion und Druckerei sind örtlich entzerrt. Doch der Datentransfer hat noch Tücken.

Im traditionsreichen Münchner Pressehaus Bayerstraße, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, ging unlängst eine Ära zu Ende. Eine Abbruchkolonne rückte an, um die alten Rotationsmaschinen abzuwracken, auf denen jahrzehntelang der „Münchner Merkur“ und das Boulevardblatt „tz“ gedruckt worden waren. Jetzt bekommen die Käufer und Abonnenten ihre Morgenlektüre aus einer modernen Druckerei im Norden der Stadt. Wie bei den Konkurrenzblättern „Süddeutsche Zeitung“ und „Abendzeitung“, die bereits seit Mitte der achtziger Jahre am Stadtrand produziert werden, dürfen Journalisten und Anzeigenverkäufer in der City bleiben.

Die Auslagerung der Druckereien von teuren Innenstadtlagen in verkehrsgünstig gelegene Gewerbegebiete ist bei Großstadtzeitungen mittlerweile fast die Regel. Die räumliche Nähe zur Produktion ist unnötig geworden, weil die Druckerei ohnehin keinen nennenswerten Einfluß mehr auf das Endprodukt hat: Die Zeitungsseiten entstehen komplett am Redaktionscomputer und werden per Datenleitung, Richtfunk oder Satellit druckfertig an die Rotation gebeamt.

Nur auf diese Weise konnte jetzt etwa die „Neue Zürcher Zeitung“ mit einer aktuellen internationalen Ausgabe ein Replacement in Deutschland starten. Die fertigen Seiten werden abends per Satellit von Zürich nach Passau übertragen, gedruckt und versandt. Auch der Heidelberger Springer Verlag hat seine Produktion per Satellit entkoppelt: Satzarbeiten für die meisten Bücher und Zeitschriften erledigen Niedriglohnarbeiter im indischen Bangalore, die erfaßten Texte landen auf dem Umweg übers Weltall zur Weiterbearbeitung in den Springer-Rechnern.

Die vergleichsweise preiswerte ISDN-Technik, das in Europa bevorzugte Übertragungsmedium für digitale Daten, hat allerdings ihre Tücken. So ist das Digitalnetz, das die Telekom auf herkömmlichen Telefonleitungen betreibt, mit seiner Bandbreite von 64 Kilobit pro Sekunde den Datenmengen des Verlagsgewerbes kaum gewachsen. Ohne Kunstgriffe würde das Senden einer durchschnittlich bebilderten Zeitungsseite – etwa fünf Megabyte – über zehn Minuten dauern, und das lediglich in Schwarzweiß. Eine üppig illustrierte Vierfarbseite wäre mehr als eine Stunde unterwegs.

Um die Übermittlungszeit zu reduzieren, komprimieren die Verlage ihre Dateien für den Versand. Im Idealfall läßt sich damit die Transferzeit um 85 bis 90 Prozent verkürzen. Zusätzlich Tempo gewinnen die digitalisierten Seiten durch die Parallelschaltung mehrerer ISDN-Kanäle. Wer sich von der Telekom einen sogenannten Primärmultiplex-Anschluß mit 32 Kanälen installieren lässt, kann auf dieser Datenautobahn die Breite der Fahrspuren nach Gusto variieren – also beispielsweise vier Datenpakete auf je acht Kanäle aufteilen und simultan verschicken.

Der Axel Springer Verlag AG reicht selbst das noch nicht. Weil Telefonnetze manchmal überlastet sind und sehr viel Geld auf dem Spiel steht, verläßt sich der Hamburger Medienkonzern lieber auf eine Kombination aus dem neuen Telekom-Dienst Datex-M und fest angemieteten Transponder-Kapazitäten auf dem Fernmeldesatelliten Kopernikus. „ISDN“, so Ono Grudzinski, bei Springer zuständig für die technische Planung im Bereich Druckvorstufe, „ist für uns sekundär.“

Dabei ist das schnelle Datex-M, die deutsche Adaption der „Metropolitan Area Network“-Technologie mit maximal 140 Megabit pro Sekunde, den Regionalredaktionen der „Bild-Zeitung“ vorbehalten, die schon den elektronischen Ganzseitenumbruch eingeführt haben. Seiten mit großflächigen Inseraten funken die Hamburger als Faksimile per Satellit an die verschiedenen Druckorte. ISDN spielt im Springerschen Datenübertragungskonzept nur die Rolle der Rückversicherung: Sollte Kopernikus versagen oder ein Bagger ein Datex-M-Kabel zerfetzen, stellt das digitale Telefonnetz sicher, daß des Deutschen liebste Kaufzeitung doch noch an die Kioske kommt. Allein für diese Backup-Lösung hat sich Springer vom Berliner Systemhaus Teles GmbH vier Multiplex-Anlagen mit je 30 Nutzkanälen installieren lassen. Dennoch lassen diese 120 Datengleise, die ursprünglich für Videokonferenzen vorgesehen waren, insgesamt nur etwa 6,4 Megabit Daten pro Sekunde passieren.

Die Anbieter von ISDN-Lösungen für das Verlagswesen sehen trotz solcher technischen Beschränkungen optimistisch in die Zukunft. Denn die Aufrüstung auf die schnelle Glasfasertechnik ATM (asynchroner Transfermodus) ist Experten zu folge kein Problem. „Schmalband-ISDN mit 64 Kilobit ist lediglich der Anfang“, weiß Hansjörg Troebner, Geschäftsführer des Softwarehauses High Soft Tech (HST) aus Bremerhaven, „es kann künftig nahtlos in Datenautobahnen wie Breitband-ISDN auf ATM-Basis integriert werden.“

Zudem werden über kurz oder lang auch die Anzeigen nicht mehr als Filmvorlage, sondern elektronisch angeliefert werden. „Von der volldigitalen Zeitschriftenproduktion“, glaubt Karl-Heinz Stehle, technischer Leiter beim Systemhaus Audiocom GmbH in Augsburg, sind wir nur noch ein Jahr entfernt.“

Hinzu kommt eine europaweite Verzahnung der Verlags- und Druckindustrie. Druckaufträge für Zeitschriften, Kataloge und Broschüren werden schon heute grenzüberschreitend vergeben. Konzerne wie Burda, Bauer oder Gruner & Jahr lassen längst nicht mehr alle Objekte in Deutschland drucken. Speziell in Holland und Frankreich läuft viel deutschsprachige Ware durch die Druckmaschinen. Und wenn schon das Fertigprodukt über weite Strecken mit dem Lkw transportiert werden muß, reduziert der Druckdatenversand per ISDN wenigstens die Vorlaufzeit. Die entspricht nämlich bei so manchem Hochglanzmonatstitel noch längst nicht den Maßstäben der multimedialen lnformationsgesellschaft: Vom Anzeigen- und Redaktionsschluß bis zum Erscheinen vergehen mitunter noch sechs Wochen.

Ulf J. Froitzheim

aus der WirtschaftsWoche 19/1995

SOFTWARE-MONOPOLY: IBM ist am Zug

Der Champion im SOFTWARE-MONOPOLY hat schlecht gewürfelt. Microsoft muß eine Runde aussetzen. Konkurrenten wie IBM nutzen die Zeit, um wenigstens die Schloßallee vor dem Zugriff des Bill Gates zu sichern.

Top Business 3/1995

Wer den Adrenalinspiegel von Christian Wedell in die Höhe jagen will, braucht nur den Namen „Lieven“ zu nennen, und stante pede fährt der Europa-Chef der Microsoft Corp. aus der Haut. Theo Lieven, Chef von Deutschlands führendem Computerdiscounter Vobis und derzeit Microsofts rebellischster Kunde, gilt als Wedells Lieblingsfeind – noch vor Richard Seibt, der bei der deutschen IBM eine Großattacke gegen den Softwareriesen koordiniert.

Aber auch Andreas Zeitler kann sich rühmen, für den Microsoft-Mann ein rotes Tuch zu sein. Der neue Statthalter der US-Softwarefirma Novell in Deutschland läßt nämlich ebenfalls den gebotenen Respekt vor der Führungsmacht der Branche vermissen. Vor einem großem Aufgebot an Fachjournalisten machte sich Netzwerk-Verkäufer Zeitler kürzlich unverblümt über „Microsofts Netzwerk-Vision“ lustig.

Die Fälle von Majestätsbeleidigung häufen sich. „SOFTWARE-MONOPOLY: IBM ist am Zug“ weiterlesen

SES Astra: Himmlischer Krach

Auch nach dem Abdanken ihres absoluten Herrschers Pierre Meyrat bleibt die LUXEMBURGER SATELLITENFIRMA SES auf Expansionskurs. Doch hinter den Kulissen bahnt sich Streit um Macht und Einfluß an.

Top/Business 1/1995

Seit dem 20. Oktober ist im Chateau de Betzdorf nichts, wie es einmal war. An diesem Tag erhielt Pierre Meyrat, bis dato Generaldirektor des Luxemburger Satellitenkonsortiums Société Européenne des Satellites (SES), völlig überraschend den Laufpaß – der Verwaltungsrat hatte fristlos den Mann gefeuert, der mit seinen cleveren Schachzügen die SES zur Großmacht in Europas Fernsehlandschaft gemacht hatte.

Meyrat tauchte nach dem Eklat mit den Konzernaufsehern spurlos unter. Langjährige Weggefährten schworen noch Wochen nach seinem Abgang, nicht zu wissen, wo der von den Medien früher nur „Mister Astra“ genannte Topmanager steckt. Und die Verwaltungsräte rotierten, um für Meyrat einen geeigneten Nachfolger zu finden, der die Gewinnquelle SES sprudeln lassen kann wie bisher gewohnt. Denn für den Betreiber der Astra-Satelliten stehen astronomische Renditen auf dem Spiel: 1993 wies das Unternehmen bei 326 Millionen Mark Umsatz ein Betriebsergebnis von 141 Millionen Mark aus. Der Grund: Fast alle deutschen und viele internationale TV-Programme werden über die Luxemburger Himmelskörper Astra 1A bis Astra 1C ausgestrahlt, die Vergabe der Sendeplätze für Astra 1D läuft gerade. „SES Astra: Himmlischer Krach“ weiterlesen