Has(s)te la Vista, Baby?

Die neue Windows-Generation polarisiert. Anwender bejubeln überfällige Fortschritte, doch IT-Chefs treten auf die Bremse: Vielen scheint die nötige Aufrüstung der PC zu aufwendig. Richtig geplant, kann ein Umstieg aber durchaus lohnen.

Text: Ulf J. Froitzheim

Capital 7/2007

Falls der Greenpeace-Aktivist Beau Baconguis Recht hat, ist Microsoft ein beängstigend gutes Produkt gelungen. Dann sorgt Vista, die sechste Generation des Betriebssystems Windows, in Firmen und Privathaushalten für einen Innovationsschub von ungeahnter Breitenwirkung – auf Kosten der Umwelt, die unter einer giftigen „Sintflut von Elektronikmüll“ leiden wird, die sich aus den reichen Industrieländern in die Dritte Welt ergießt.

Software als ökologische Bedrohung? Die in der Blogosphäre zirkulierende Warnung des Umweltschützers aus Manila ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Baconguis beruft sich auf Marktforschungsdaten der US-Firma Softchoice. Denen zufolge wäre jeder zweite PC rnit der neuen Basissoftware überfordert und gerade einmal sechs Prozent der Geräte könnten die Top-Version Vista Ultimate ausschöpfen.

Mit seiner Befürchtung, Microsoft-Kunden würden nun massenhaft funktionierende Computer das auf den Schrott werfen, nur um das neue Windows zu nutzen, steht der Greenpeace-Mann allerdings ziemlich allein. Tatsächlich müssen sich technikbegeisterte Mitarbeiter in den meisten Betrieben viel länger mit dem Umstieg gedulden, als ihnen lieb ist. „Wir warten ab, bis die Privatkunden Vista in der Praxis gründlich ausgetestet haben“, sagt der IT-Chef eines großen deutschen Automobilzulieferers hinter vorgehaltener Hand. Stabil und zuverlässig laufe eine neue Windows-Version erfahrungsgemäß erst ab dem zweiten Servicepack – so nennt Microsoft seine voluminösen Datenpakete, die ein, zwei Jahre nach Markteinführung geliefert werden, um die Kinderkrankheiten der Erstversion zu kurieren. Mit seiner Skepsis steht der EDV-Manager nicht allein: Als der Onlinefachdienst Silicon.com zum Vista-Start im November 2006 ein Dutzend britische Chief Information Officers nach ihren Plänen befragte, sprach sich nur ein einziger für eine rasche Nutzung aus. Auch Unternehmensberatungen wie die Gartner Group warnen konsequent vor zu schnellem Aktionismus.

Die wenigen Großkunden, die jetzt schon auf Vista setzen, haben dies von langer Hand vorbereitet – wie niedersächsische Justizministerium. Es rüstet die 15000 Computerarbeitsplätze seiner 180 Dienststellen bis Ende 2008 mit Vista aus. Die Behörde gehört seit 2004 zu den Pilotkunden, denen der US-Softwareriese alle Prototypen zum Testen überlassen hat. „Wir überspringen zwei Windows-Versionen“, freut sich Staatssekretär Jürgen Oehlerking, „damit sparen wir erhebliche Umstellungskosten.“ Trotz der groß angelegten Modernisierung, die unter dem Motto „E-Government“ steht, bekommen aber längst nicht alle Beamte neue PC. Ausgemustert werden fast nur Geräte, die ohnehin fällig gewesen wären.

Viele Computer lassen sich nämlich so nachrüsten, dass wesentliche Vista-Angebote funktionieren – beispielsweise die beschleunigte Suche nach Dokumenten, die im digitalen Dickicht verschütt gegangen sind. „Oft reicht es schon, den Arbeitsspeicher zu erweitern“, kontert Microsoft-Manager Bastian Braun den nicht nur von Greenpeace erhobenen Vorwurf, sein Unternehmen habe ein ressourcenhungriges Softwaremonster in die Welt gesetzt.

Der Einbau eines zusätzlichen Chip-Riegels zum Preis von 50 bis 100 Euro ist in der Tat keine große Sache. Auch die anderen technischen Hürden sind für einen halbwegs versierten Computerbesitzer überwindbar: Auf dem Startlaufwerk muss er notfalls 15 Gigabyte freischaufeln, bevor er Vista installieren kann. Außerdem könnte eine bessere Grafikkarte erforderlich sein. Was genau geht und was fehlt, kann der PC-Besitzer mit einem kostenlosen Diagnoseprogramm aus dem Web feststellen. Das findet sich über die Suche nach dem Upgrade Advisor auf Microsoft.de. Sofern der Administrator keinen
Riegel vorgeschoben hat, funktioniert dieser Test auch mit dem PC im Büro.

In der Praxis wird es nicht leicht fallen, die IT-Verantwortlichen zu überzeugen, Vista auf dem Firmen-PC oder -Notebook zu installieren – obwohl das System neue Sicherheitsfunktionen hat und im Vergleich zu XP die Arbeit erleichtert. Hauptproblem ist die Anwendungssoftware. Außer Microsofts Vielzweckwaffe Office 2007, die in der niedersächsischen Justiz gleichzeitig mit Vista eingeführt wird, sind erst wenige Produkte auf das neue Windows abgestimmt. Anwender des Büropakets Lotus Notes etwa müssen sich bis zum Sommer gedulden. Noch heikler ist es für Unternehmen, die viele individuell entwickelte Programme einsetzen. Diese sind oft noch nicht einmal an den Vista-Vorgänger XP angepasst. Darum besteht mancher Geschäftskunde bei der Anschaffung neuer Rechner sogar auf einem Uraltbetriebssystem.
Für Techies ist das ein echtes Problem: Da kann es passieren, dass der neue Arbeitsplatzrechner dem betagten PC im heimischen Kinderzimmer um Jahre hinterherhinkt.

Kampf den alten Windows-Macken

Das neue System bietet unbestreitbar große Vorteile. Für Privatanwender halten sich die nötigen Investitionen im Rahmen.
Schnelle Suche. Das Auffinden von Dokumenten geht flotter. Wie Apples System OS X erstellt Vista zu jeder Datei einen Index-Eintrag; die Trefferliste erscheint nach Sekunden. Die Anzahl falscher Ergebnisse kann der Nutzer minimieren, indem er neuen Dateien eigene Markierungen anhängt.
Besserer Schutz. Das neue Windows hat mehr Sicherheitsfunktionen als sein Vorgänger XP, etwa zur Abwehr von Phishing-Attacken durch Passwortdiebe.
Weniger Abstürze. Aero, die neue Benutzeroberfläche, ist für Puristen nur Blendwerk mit einem Touch von Apple-Chic. Dahinter steckt eine Technik, die auch jene Abstürze verhindern soll, bei denen Nutzer plötzlich vor einem blauen Bildschirm sitzen. So nimmt die Grafikkarte dem Hauptprozessor einen großen Teil der Aufgaben ab, die ihn bei XP überforderten. Nebeneffekt: Fensterrahmen ziehen beim Verschieben keinen Schweif mehr hinter sich her.
Gefräßiger Speicher. Offiziell braucht Vista ein halbes Gigabyte Hauptspeicher,
Experten raten zu einem, besser zwei Gigabyte. Zudem sind die Systemdateien so voluminös, dass auf dem Startlaufwerk (meist C:) mindestens 15 Gigabyte frei sein müssen – plus Reserve. Die elegante Aero-Oberfläche funktioniert nur, wenn der interne Speicher der Grafikkarte auf dem neuesten Stand der Technik ist.
Mehr Versionen. Startete der Vorgänger XP 2001 mit zwei Varianten, kann sich der Vista-Käufer nun für Home Basic oder für eins von vier weiteren Produkten entscheiden. Wer seinen Heim-PC aufrüsten will, bekommt beim Paket Home Premium alles Wesentliche für 199 Euro. Firmen haben die Wahl zwischen der Grundversion Business und der Großabnehmervariante Enterprise. Der mobile Manager wird allerdings das Top-Modell Ultimate vorziehen. Es kombiniert die Unternehmensfunktionen mit den Multimediaextras der Heimcomputerversion.

Alles in Butter?

Toni Meggle ist der Vorzeigeunternehmer der deutschen Milchwirtschaft. Er machte eine Dorfkäserei zum berühmten Markenanbieter und führenden Pharma-Zulieferer. Der 75-Jährige kontrolliert inzwischen als Aufsichtsrat die Firma – und hegt und pflegt, was ihm am Herzen liegt.

Text: Ulf J. Froitzheim

Capital 22/2006

Nein, einen „Toni“ stellt man sich anders vor. Nicht so dominant. Nicht so ernsthaft. Der Mann, der seine Besucher in einem Chefbüro empfängt, das einst das Esszimmer seines Elternhauses war, sieht eher wie ein „Richard“ aus. Dreht er den Kopf leicht nach links, ins Halbprofil. sodass sein volles graues Haar am Hinterhaupt sichtbar wird, erinnert er frappierend an ein bekanntes Bildnis des Komponisten Wagner. Perfekt passen würde auch „Philipp“, der Pferdefreund. Aber der Hang zum Reitsport war dem Buben so wenig in die Wiege gelegt wie sein Faible für klassische Musik, beides kam erst später. Ohnehin: Im ländlichen Oberbayern der 30er-Jahre gebührte es dem Stammhalter, der einmal den Hof erben würde, denselben Namen zu tragen wie sein Großvater und Vater. So kam auch der spätere Molkereibesitzer, Portions- und Kräuterbutterpionier, Jäger, Musikrnäzen, Interessenvertreter, EU-Ostinvestor und Reitstallbesitzer Meggle zu seinen Vornamen: erstens Josef, zweitens Anton. Josef Anton Meggle III. Wenn er nicht der Sepp sein wollte, blieb ihm halt nur der Toni.

Die einstige Dorfkäserei ist heute Systemlieferantfür die Pharmaindustrie.

Mit dem Klischee vom Seppl, dem bayrischen Cowboy, wäre der Meggle Toni in etwa so treffend charakterisiert, als vergliche man die Meggle AG mit einer Dorfmolkerei, die noch offene Milch verkauft und Almkäse herstellt. Auch wenn Verbraucher die Marke mit Bodenständigem wie ihren Butterspezialitäten in Verbindung bringen: Das Unternehmen aus Wasserburg-Reitmehring, hinter dessen Werksgelände die Deutsche Ferienstraße Alpen-Ostsee verläuft, ist ein Global Player auf Märkten, von denen der Konsument wenig ahnt. Erfolgreiche Meggle-Produkte heißen Capsulac 60, Tablettose 70 oder Inhalac 230. Das klingt nicht nur nach Apotheke: Die Grundsubstanz vieler Pillen und Kapseln stammt aus der Milchfabrik am Inn. So beherrscht Meggle nicht nur den deutschen Markt für Kräuterbutter, sondern auch den europäischen für Pharmalaktose. „Alles in Butter?“ weiterlesen

Socken und Høgørøk (Author’s Cut)

WIRTSCHAFTSWOCHE NR. 18/27.4.2000

Wirtschaftswoche-Mitarbeiter Ulf J. Froitzheim über einen perfekten Crashkurs für E-Commerce-Einsteiger. (Ungekürzte Fassung)

Etwas anspruchslos ist er ja, der Text auf dem BMW-Werbebanner im Internet: „Brumm… brumm… brumm!“ Aber sonst wirkt alles vertraut: das Logo, der Slogan „Freude am Fahren“, der Blick auf die leere, kurvige Landstraße. Wie es scheint, hat sich die Werbeabteilung des Münchner Konzerns humormäßig perfekt dem skurrilen Umfeld angepaßt – ganz im Gegensatz zu IBM, Siemens, Intershop und Yahoo, deren stinkseriöse Standard-Banner nicht gerade zum Mausklick animieren. Erstaunlich ist die vor hochkarätigen Marken strotzende Link-Liste vor allem deshalb, weil sie einen Online-Shop adelt, der sich augenscheinlich dem Handel mit Scherzartikeln verschrieben hat – vor allem solchen für den eher robusten Geschmack: Der „kleine Kolonialwarenladen“ zelebriert genüßlich ein Sortiment, das von alten Unterhosen über halbe Sockenpaare und das „Einmachglas Scheiße“ bis zum frischen Ebersperma reicht – was wenigstens erklärt, weshalb gleichberechtigt mit dem World Wide Web Consortium die Schweinebesamungsstation Weser- Ems e.V. in Cloppenburg als „Partner“ erwähnt wird. Merkwürdig ist indes, dass deren Internet-Beauftragter Werner Taphorn davon nichts weiß: „Wie war nochmal die Web-Adresse?“

Der norddeutsche Viehzucht-Experte ist nicht der einzige Partner des Kolonialwarenladens, der keine Ahnung hat, wie er zu dieser Ehre kommt. „Socken und Høgørøk (Author’s Cut)“ weiterlesen

Virtueller Tresor

Handsignierte Schriftstücke sind bald überflüssig. Jetzt kommt das persönliche Internetschließfach.

WIRTSCHAFTSWOCHE NR. 8/2000

Geht die Vision des Hans Strack-Zimmermann in Erfüllung, müssen sich die Deutschen an modernisierte Sprichwörter gewöhnen. Etwa: Was du schwarz auf weiß per Mail erhältst, kannst du getrost ins Netz übertragen. Oder: Darauf gebe ich dir E-Brief und digitale Signatur. Tastatur ist geduldig. Lügen wie gefaxt.

Die neueste Lieblingsidee von Strack-Zimmermann, Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender des Grasbrunner Softwarehauses Ixos Software AG, wirkt wie ein radikales Remake der alten Utopie vom papierlosen Büro für das WWW-Zeitalter. Alle Dokumente, die den Menschen wichtig sind, sollen künftig in digitalisierter Form an sicherem Ort hinterlegt werden, jederzeit abrufbar über das Internet, abgeschottet gegenüber Unbefugten. Bei Bedarf könnte der Nutzer, ob Unternehmer oder Privatperson, Dritten einen begrenzten Zugriff auf ausgewählte Daten gewähren: Geschäftspartnern, der Krankenversicherung, dem Steuerberater oder dem Finanzamt. „Virtueller Tresor“ weiterlesen

Büro statt Berghütte

WIRTSCHAFTSWOCHE 42/1999

Die Silvesternacht verbringen viele Leute am Arbeitsplatz, um mögliche Crashfolgen zu minimieren.

Nur vier Stunden, dann ist alles zu spät. So lange dauert es, bis ein Betriebsstillstand in einer Aluminiumschmelze einen Totalschaden anrichtet. Wird der Elektrolyseprozeß in den mächtigen, stromdurchfluteten Becken länger unterbrochen, läßt er sich nicht wieder in Gang bringen; die Masse erstarrt. Dann ist nicht nur der wertvolle Rohstoff hin, aus dem sogenannte Walzbarren für die Weiterverarbeitung hergestellt werden, sondern die ganze Anlage.

Ein klassisches Worst-Case-Szenario. Damit es nicht eintritt, hat Harald Kresse mit seinen Mitarbeitern sämtliche Computersysteme im Rheinwerk Neuss der VAW Aluminium AG akribisch durchgecheckt: Steckt irgendwo jenes vermaledeite Kurzdatum mit zweistelliger Jahreszahl? Der EDV-Leiter kann aber nicht mit hundertprozentiger Gewißheit ausschließen, daß irgendwo im Verborgenen ein „Millennium Bug“, ein Jahrtausendkäfer, die Überprüfungen unenttarnt überstanden hat: „Man kann“, sagt Kresse, „nicht alles wirklich testen.“ Es bleibt nichts anderes übrig, als – den Notfallplan im Kopf – im realen Betrieb zu beobachten, wie sich die Systeme tatsächlich verhalten.

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